4. Kapitel

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1213 Wörter

Nicht bearbeitet.

Der Flur zu meinem Zimmer kam mir so unendlich lang vor, als wenn sich die Tür zu meinem Zimmer nur noch weiter von mir entfernen würde, anstatt mir näher zu kommen.

In dieser Situation wollte ich eigentlich nichts anderes, als mich in mein Bett zu werfen und meinen Tränen freien Lauf zu lassen. Doch etwas wollte mich davon abhalten, mich diesem Drang hinzugeben. Ich wusste vermutlich auch, was mich abhielt, wollte es aber einfach nicht wahrhaben. Ich konnte und wollte jetzt nicht nach Informationen über Damian suchen, nicht jetzt, da ich so aufgewühlt war und nicht wusste, wonach ich überhaupt suchen sollte.

Doch mein Vater saß vermutlich gerade in einer Miniatur von Zelle, die dazu wahrscheinlich auch noch ganz vermodert war und vor Schimmel nur so platzte.

Ich ließ mich einfach auf die Knie fallen, während ich lief. Ein Heer von Tränen kullerte meine Wangen hinunter, wie ein Wasserfall, nur in vielen, filigranen Wassertropfen.

Ich musste mich beruhigen, so dass meine Tränen bald versiegen würden. Ich durfte nicht schwach wirken, ich musste stark sein, für mein Volk, denn es brauchte mich. Viel zu viel Unheil hatte es schon erleben müssen, viel zu viel Gewalt hatte es schon gesehen. Die Welt, wie sie mal gewesen war, existierte einfach nicht mehr und so wie es momentan aussah, würde sie in näherer Zukunft auch nicht wieder so werden. Unsere heutige Welt hatte einfach schon viel zu viel Krieg und Zerstörung erfahren. Um mein Volk zu schützen, hätte ich mein Leben gegeben.

Ich würde für mein Volk kämpfen, mich nicht von meinen Gefühlen leiten lassen. Ich konnte es mir nicht leisten, mich derart ablenken zu lassen. Somit war meine Entscheidung getroffen. – Bevor ich mir weitere Gedanken über meinen Vater machen konnte, musste ich unbedingt mehr Informationen über Damian Stakonov sammeln.

Im Arbeitszimmer des Ministers waren alle Akten eingelagert; von jedem Angestellten, Berater oder sonstigem, der am Hof arbeitete. Also musste ich nur dorthin gehen, mir die Akte nehmen und wieder raus. – Was sich sehr viel einfacher anhörte, als es tatsächlich war. Denn der Minister, und nur der Minister, durfte die Akten sehen, weder ich, noch mein Vater hatten die Befugnis dazu.

Toll, jetzt musste ich mir auch noch einen Plan überlegen, wie ich unbemerkt rein und mit der Akte wieder raus kommen würde. Immerhin würde es mich davon ablenken, auch nur annähernd an meinen Vater zu denken.

Langsam, aber sicher, versiegten meine Tränen, der Flur kam mir nicht mehr so unendlich vor und auch, wenn ich es besser nicht hätte tun sollen, stand ich auf und lief weiter. Als ich durch den Flur lief, kamen mir immer wieder Abgeordnete entgegen. Sie alle schauten mich mit teils mitleidigen, teils genervten Blicken an, die ich gekonnt ignorierte. Sollten sie doch denken, was sie wollten.

Immer weiter torkelte ich in dem Gang herum, bis ich schließlich an der Tür, die zu meinem Zimmer führte, ankam. Innigst hoffend, dass mich niemand in meinem Zimmer erwarten würde, drückte ich die schwere, jedoch filigran verarbeitete Metallklinke hinunter. Unter meinem Gewicht schwang die Tür mit Leichtigkeit auf und als ich mich umschaute, erwartete mich eine Überraschung. Alles schimmerte wieder in sanften Beigetönen. Von dem pinken Glitzer war keine Spur mehr zu erkennen. Als wären kleine Heinzelmännchen gekommen und hätten in meinem Zimmer wieder für Recht und Ordnung gesorgt. Was natürlich nicht passiert sein konnte, da es so etwas nur im Wunschglauben gab.

"Und? Gefällt es dir?", eine strahlende Lazima kam aus dem Badezimmer, in der Hand hielt sie einen Eimer voll Wasser und ziemlich viele Putztücher.

"Hast du hier alles sauber gemacht? In der kurzen Zeit?", ich staunte nicht schlecht. "Naja, eventuell hatte ich Hilfe von zwei Dienstmädchen. Aber nur ganz eventuell...", meinte sie mit einem schelmischen Grinsen. "Und eventuell ist ich ein ganz kleiner Teil von mir stolz auf dich. Aber nur ganz eventuell...", versuchte ich mich zurückzuhalten, allerdings wollte das nicht so Recht klappen, weshalb wir höchstens zwei Sekunden später in den Armen der jeweils anderen lagen.

"Ich habe dich doch lieb. Und das weißt du auch", ich gab ihr einen Kuss auf ihren Haaransatz. "Das wird schon alles wieder ins richtige Lot kommen."

Eine gefühlte Ewigkeit standen wir einfach nur in der Mitte meines Zimmers und genossen den Moment. In diesem Moment der Unendlichkeit waberten meine Gedanken vor meinem inneren Auge her und ich konnte noch so versuchen, nicht an meinen Vater zu denken, er hatte sich in meinen Kopf eingenistet.

„Was ist los?", Lazimas Neugierde half mir in dieser Situation gar nicht. Ich hatte so sehr gehofft, sie würde nichts bemerken. „Komm schon, rück es raus! Was macht dir zu schaffen? Du bist total angespannt. Und schau dir doch nur mal an, wie du aussiehst. Weißt du eigentlich, dass du da Stunden von Arbeit zerstört hast? Du weißt doch, dass du mit mir reden kannst."

Ich war hin und her gerissen. Momentan schien es eher weniger der Fall zu sein, dass ich ihr irgendetwas über mein baldiges Vorhaben hätte erzählen können. Aber sie hatte Recht. Normalerweise erzählte ich ihr alles, sie war meine Stütze, meine beste Freundin und die Einzige, die nach dem Tod meiner Mutter komplett hinter mir gestanden hatte. Eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen erwies sich generell schon als schwierig, doch bei der besten Freundin belief sich das Ganze auf eine ganz neue Ebene.

Im nach hinein musste ich mich entscheiden und ich hatte eigentlich keine Ahnung wie. Doch weil ich so gut wie immer verschlossen war, nichts Persönliches von mir preisgab, entschied ich mich dafür, den Mund zu halten und einfach alles auf einen anstrengenden Tag zu schieben.

„Lazima, der junge Mann von vorhin hatte einfach nur einen ganz komischen Vorschlag, außerdem war es ein langer Tag. Ich brauche jetzt nur noch Ruhe, zudem muss ich mich mental schon auf das Gespräch morgen mit meinem Vater vorbereiten. Ich bin dir dankbar, dass du so aufmerksam bist, aber ich muss dich jetzt bitten zu gehen. Schlaf ein bisschen und komme morgen früh wieder hierhin." Ich setzte ein so gespieltes Lächeln auf, ich hätte es mir selber nicht abgekauft. Lazima allerdings verstand den Wink und verabschiedete sich mit einer so stürmischen Umarmung, die der von vor ein paar Minuten wirklich Konkurrenz machte.

Als sie endlich über die Türschwelle trat, schloss ich hektisch die Tür hinter Lazima und ließ mich mit dem Rücken an ihr hinuntergleiten. Ich hasste mich selber jetzt schon dafür, sie angelogen zu haben, ihr solch einen Müll aufgetischt zu haben und dabei auch noch innerlich gehofft hatte, dass sie mir Alles einfach so abnehmen würde. So etwas sollte niemand mit der besten Freundin machen, aber allein der Gedanke, in welcher Gefahr sie schweben würde, wenn ich ihr tatsächlich alles erzählt hätte, war unerträglich. Mit dieser Erklärung versuchte ich mir selbst vorzuheucheln, dass meine Taten richtig waren. Doch ich wusste tief in meinem Inneren auch, dass ich mir selber nichts vorgaukeln sollte.

Langsam stand ich auf, bedacht darauf zu achten, wo ich hintrat. Ich hatte durch meinen Tränenausbruch nun massive Kopfschmerzen und meine Wimpern waren so verklebt, dass ich kaum noch etwas aus meinem Zimmer wahrnahm. Der Tag hatte gut begonnen und grausam geendet. Desaströse Entdeckungen haben sich mir eröffnet, mit denen ich aber schon noch umzugehen weiß. Ein Schritt nach dem anderen werde ich sie bekämpfen und vernichten. Davon wird mich niemand abhalten können.


Metallenes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt