Zoowärterarmeen und Wolfskomando

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Nach einiger Zeit wurden meine Sprünge langsamer und damit fing auch mein Gemüt an, sich zu beruhigen. Irgendwann blieb ich dann gänzlich stehen und kauerte mich in eine dunkle Ecke eines Gebüsches. Ich hatte nun meinem Kummer freien Lauf gelassen. Jetzt konnte ich wieder klare Gedanken fassen, und fing auch an zu überlegen, wie es gewesen wäre, wenn mich meine Eltern damals nicht zurückgelassen hätten......

Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass sie diese, wohl auch für sie bestimmt nicht einfache Entscheidung, womöglich nur für mich gefällt hatten. Sie wollten mir die Möglichkeit geben, 'normal' aufzuwachsen und nicht in einer kalten Wildnis, wo das herrschende Gesetz „Fressen oder gefressen werden" lautete. Wahrscheinlich wollten sie mich nur schützen. Und vielleicht, aber nur vielleicht war es auch besser so gewesen, in einem emotionskalten Kinderheim unter den überstrengen Argusaugen einer Mrs Averknown aufzuwachsen, anstatt meine Kindertage damit zu verbringen, durch die Wälder zu irren und ständig der Gefahr ausgesetzt zu sein, einem richtigen wilden Tier zum Opfer zu fallen.

Also beschloss ich, in meine gewohnte Umgebung zurückzukehren und wollte mich gerade zurückverwandeln, als ich Geräusche und Bewegungen hinter mir registrierte. Diese Unbekannten kamen schnell näher, und ich wusste, dass, selbst wenn ich so schnell sprinten würde wie nie zuvor, ich nicht entkommen würde. Deshalb drückte ich mich einfach nur regungslos in mein Gebüsch, in der Hoffnung, auf diese Weise unentdeckt bleiben zu können. Mein ganzer Körper war unter Spannung. Ich wollte wissen, wer sich da anschlich. Dann hörte ich einen leisen Knall und noch bevor ich auch nur einen Schritt vorwärts machen konnte wurde mir Schwarz vor Augen.....

Mühsam zwang ich mich dazu, meine Augen zu öffnen. Mein Kopf dröhnte fürchterlich und ich konnte nur verschwommen meine Umgebung erkennen. Meine linke Schulter schmerzte entsetzlich. Ob das mit dem Knall zusammenhing, den ich vor meiner Bewusstlosigkeit gehört hatte?

Anscheinend schon, denn als meine Sicht wieder klarer wurde, erkannte ich, dass ich mich in einem Käfig befand. In einem Zoo. Wie war ich denn dahin gekommen? Es war mittlerweile schon später Abend, und es gab keine Besucher mehr, sondern nur noch ein paar Tierpfleger. Mein Erwachen blieb leider nicht unbemerkt. Zwei Zoowärter schlenderten direkt auf mich zu. „Schau mal, der Wolf ist wach", sagte der größere der beiden und deutete dabei in meine Richtung.

>He, ich bin doch gar kein Wolf. Seid ihr blind? Und was mache ich eigentlich hier in dem Käfig? <, wollte ich zu ihnen hinüber schreien. Aber da fielen mir meine haarigen Beine auf. Ach ja. Als ich das Bewusstsein verloren hatte, hatte ich mich ja gerade in Wolfsgestalt befunden.

„Der Narkosepfeil scheint ihr gar nicht gefallen zu haben", stellte der andere fest. Da hatte er Recht! Ich glaube, niemanden gefällt es, von einem Pfeil aus der Wirklichkeit gerissen zu werden. Außerdem taten diese Teile sehr weh -ich spreche hier aus Erfahrung. Mittlerweile waren sie direkt vor mir zum Stehen gekommen und einer von ihnen klebte mir einen Kaugummi ans Bein. Was sollte das? Ich knurrte leise vor mich hin. Jetzt trennten sie nur noch ein paar Gitterstäbe von mir. Ich überlegte schon, ob es wohl so verkehrt wäre, ihm ein Bein oder einen Arm abzubeißen.

Da hörte ich den einen sagen: „Komm, holen wir ihr etwas zu fressen. Was fressen Wölfe denn so? Löwenzahn, denn sie sind doch Vegetarier, oder?" Das waren wirklich die schlechtesten Zoowärter die es wohl je gegeben hatte! Ich kannte sie zwar erst seit etwa drei Minuten, aber ich hasste sie jetzt schon aus tiefstem Herzen.

Betont langsam-und damit meine ich wirklich Slow-Motion- gingen sie weiter. Konnten sie nicht einfach einen Zahn zulegen? Diese Schnelligkeitsverweigerer gingen mir echt auf die Nerven. So etwas regte mich einfach enorm auf. Mein Puls beschleunigte sich.

The Wolf InsideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt