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Ein weiterer Brief befindet sich in dem Briefkasten

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Ein weiterer Brief befindet sich in dem Briefkasten. Adressiert an mich, wieder kein Absender. Diesmal ignoriere ich die unausweichliche Tatsache, dass ich zur Arbeit muss und reiße den hellgrünen Umschlag auf. Ich traue meinen Augen kaum, als ich den Inhalt sehe.
Geld. Viel Geld, ich zähle die Scheine nach und komme auf ein unvorstellbares Ergebnis. Für manche wäre das nicht viel, aber es würde Sinas Miete für ungefähr ein Jahr bezahlen. Woher kommt das Geld?
Ich finde im Umschlag noch einen Zettel und ein Ticket. Zuerst nehme ich mir den Zettel vor, ein handgeschriebener Brief. Wer gibt sich bitte heute noch die Mühe und schreibt etwas per Hand? Abgesehen von armen Leuten, die nicht das Geld für einen Drucker oder auch nur ein Handy haben. Aber dem Geld nach scheint die Person nicht arm zu sein.

Du bist dem Projekt beigetreten und nun gibt es kein zurück mehr. Dir bleiben 24 Stunden, um dich von deinen Liebsten zu verabschieden, dann geht dein Flug. An deinem Zielort wirst du abgeholt. Das Geld ist als Entschädigung dafür, dass du nicht weißt, was auf dich zukommt und trotzdem mitmachst. Der Flug ist selbstverständlich schon bezahlt. Wir freuen uns auf dich!

Nun erklärt sich von selbst, was das für ein Ticket ist. Der Flug geht nach Stockholm. Ich glaube zu meinen, dass das die Hauptstadt von Schweden ist. Oder war es Finnland? Ich weiß es nicht. Mit dem Geld könnte ich Sinas Leben so viel leichter machen. Aber ich würde es auch zugleich schwieriger machen, wenn ich gehe. Denn dann hat sie keinen Untermieter mehr.
Sina hat das kleine Zimmer nicht aus Mitleid den Obdachlosen gegenüber vermietet, sie hat es gemacht, weil sie das Geld braucht. Vielleicht findet sie ja in diesem Jahr einen neuen Untermieter, der seinen Teil auch zuverlässiger bezahlt als ich. Das wäre schön.

Für mich ist es beschlossene Sache, dass ich fliege. Es liegt nicht an der wirklichen Therapie oder dem, was es eigentlich ist. Es liegt daran, dass ich meiner kleinen Welt hier entfliehen will. Es passiert nichts hier. Keine Abwechslung. Und mein Leben kann man nicht als ein Leben bezeichnen. Es war Überleben. Und egal wohin mich der Flug und das Projekt führen, es wird allemal besser sein, als das hier.

24 Stunden um deine Liebsten zu verabschieden. Wer soll das denn sein? Sina? Ich werde mich von ihr verabschieden, ihr das Geld geben, mich bei ihr bedanken, dass sie mich bei sich hat wohnen lassen, obwohl ich nicht so viel Geld eingebracht habe, wie sie eigentlich benötigt hätte. Aber sie hat ihre Kinder und ihren Beruf, sie braucht nicht noch eine Klette, die ihr Leben schwieriger macht.

Ich entscheide mich, ein letztes Mal zum Jahrmarkt zu laufen. Nicht, um zu arbeiten. Das nicht. Ich will mit dem Lebensabschnitt abschließen. Und dafür will ich ein letztes Mal den Stand sehen, an dem ich jahrelang gearbeitet, wöchentlich dutzende Stunden verbracht habe. Die Haustür quietscht, als ich sie hinter mir zumache, ich habs schon immer gehasst. Aber jetzt, wo ich weiß, wie begrenzt meine Zeit hier ist, realisiere ich erst die kleinen Dinge, die kleinen Regelmäßigkeiten in meinem Leben, die unter den Großen untergegangen sind.

cold time wishesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt