2. Kapitel

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Zu Louis' Missfallen kommt der 3. Mai schneller als gedacht.

Er weiß noch, wie er bei einem der Kinder, denen er Klavierunterricht gibt, auf die Uhr gesehen und sich plötzlich gefragt hat, ob er ein Paket erwartet. Als er darüber nachgedacht hat, welcher Wochentag ist, fiel ihm ein, dass es tatsächlich schon der Tag der Entscheidung war.

Louis ist dramatisch. Er nennt ihn ‚Tag der Entscheidung'.

Jetzt eilt er durch die Stadt, eigentlich auf dem Weg zu einem Supermarkt, um neue Milch zu kaufen. Doch um ehrlich zu sein schindet er nur Zeit, um nicht nach Hause zu müssen. Denn das bedeutet, dass er Liam anrufen muss, um Bescheid zu sagen, dass er nicht zur Hochzeit kommt.

Und er möchte Liam nicht enttäuschen und absagen.

Aber er muss.

Der Gedanke, doch hinzugehen, verursacht ihm jetzt schon Übelkeit und Bauchschmerzen. Keine Chance, dass er sich auf diese Feier quält.

Nein, keine Chance.

Er findet sich eine halbe Stunde später vor seinem Haus wieder, macht dann aber auf dem Absatz kehrt und läuft ein Mal um den Block, bevor er endlich in seine Wohnung zurückkehrt.

Dort stellt er die Milch in den Kühlschrank, pfeift nach den Hunden, die aufgeregt durch die Wohnung tapsen, und legt Bruce zuerst sein Halsband an. Clifford kann wie immer nicht stillstehen und springt umher wie ein junges Reh, sodass es eine geschlagene Minute braucht, bis er sich das Geschirr überstreifen lässt.

Louis war vorhin schon mit ihnen Gassi, aber die beiden freuen sich sicher über noch mehr Auslauf.

Das ist der einzige Grund, aus dem er das Haus jetzt nochmal verlässt.

Nicht weil er den Entscheidungsanruf nicht tätigen will.

Gar nicht.

Die Luft draußen ist genauso kühl und unnachgiebig wie die Schuldgefühle in Louis' Magengrube.

Das schlimmste an all dem ist, dass Liam nicht sauer sein wird. Es wäre so viel einfacher, wenn er wütend oder enttäuscht reagieren würde; wenn er Louis sagen würde, dass er mehr von ihm erwartet hätte; wenn er ihm sagen würde, er solle sich über alle Berge scheren.

Aber Liam ist Liam. Er wird Louis fragen, ob alles okay ist und sich Sorgen machen, aber nicht seinetwillen oder der Hochzeit wegen, weil er diese dann ohne Louis verbringen muss, sondern einfach nur wegen Louis' Wohlergehen. So ist Payno. Er setzt Andere immer über sich selbst.

Clifford zieht ein Mal heftig an der Leine, als auf der anderen Straßenseite ein Hund um die Ecke getrabt kommt, und reißt seinen Besitzer damit aus den Gedanken.

„Ich ruf ihn im Park an, okay?", murmelt dieser dem Hund zu und sieht dann zu Bruce hinunter, der gerade zu Cliff aufholt und ihm leicht ins Ohr beißt.

Leider kommt auch der Park viel zu schnell, sodass Louis sich nur wenige Minuten später auf einer Bank sitzend vorfindet.

Die Ecke des Grüngeländes ist zurzeit seelenleer und so können jetzt beide Hunde frei herumlaufen, während Louis dem Gras beim Wachsen zusieht.

Ob Liam seinen Anruf erwartet?

Es wäre einfacher, wenn er ihm eine Nachricht schicken würde.

Aber so ein little shit ist er nicht.

Während er leise Mr. Brightside vor sich hin summt, um sich zu beruhigen, holt er sein Handy hervor und gibt sein Passwort drei Mal falsch ein, damit er noch 30 Sekunden länger Zeit hat, sich vor dem Anruf zu drücken.

Trying To Remember How It Feels To Have A HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt