4. Kapitel

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Drei Stunden lang hat er geschlafen. Dann wurde er von einem treffsicheren Ellenbogen genau in der Mitte seines Oberarms getroffen und von hektischen Entschuldigungen seines Sitznachbarn aufgeweckt.

Louis zerrt seine Tasche aus dem Gepäckfach des Busses und drängelt sich genervt durch die Menschenmenge, die noch darauf wartet, Platz zu haben, um ihre Koffer zu holen.

Sein Hintern kribbelt unangenehm vom unveränderten Sitzen auf diesen harten Unterlagen und seine Beine sind taub, als Louis den Menschen Richtung Parkplatz folgt.

Er hat Liam geschrieben, wann er ankommt und ihm wurde versichert, er würde pünktlich abgeholt werden. Nur hat Liam nicht erwähnt, wie sein Auto aussieht und Louis kann sich nicht mehr an seine Farbe erinnern.

Es stellt sich heraus, dass Louis das auch gar nicht tun muss, denn kaum tritt er um die letzten Büsche herum, sieht er eine Person mit Sonnenbrille an einem Auto lehnen, die ihn direkt anvisiert.

Der Mann trägt eine mehr oder weniger runde Sonnenbrille, ein weißes Shirt und eine braune Fake-Lederjacke obendrüber.

Und er strahlt wie ein Reaktor.

Louis wird automatisch langsamer, als er seinen alten Freund so sieht.

Niall stößt sich vom Gehäuse ab und kommt einen Schritt auf ihn zu, sein Strahlen verkleinert sich, weil Louis zögert.

Dieser war überhaupt nicht hierdrauf vorbereitet. Genau diese Situation und diese Gefühle wollte er vermeiden, als er Liam zu Beginn abgesagt hatte. In den letzten Wochen konnte er sich mental darauf vorbereiten, Liam wiederzusehen. Er konnte sogar den Gedanken an Harry in einer Box verschließen und hatte sich ein klein wenig hiermit abgefunden.

Aber jetzt... Er hatte überhaupt nicht an Niall gedacht.

Natürlich würde er auch kommen.

Louis verfestigt den Griff um seine Tasche und setzt fest einen Schritt vor den anderen, während er ein Lächeln auf seine Lippen pflastert. „Nialler!"

Dieser lacht erfreut und zieht ihn in eine brüderliche Umarmung, sobald er nah genug ist. „Hey, Louis. So schön, dich wiederzusehen", nuschelt er in seinen Sweater und lässt ihn dann wieder los, um einen flinken Blick über seine Gestalt gleiten zu lassen. „Du siehst gesund aus, alles gut?"

Louis lächelt und nickt. „Immer doch. Bei dir auch? Du hast trainiert", bemerkt er mit einem prüfenden Blick zu Nialls Bizeps.

Sobald dieser sich weggedreht hat, um den Kofferraum zu öffnen, fällt Louis das angestrengte Grinsen vom Gesicht. Das wird ein hartes Wochenende.

„Ein bisschen vielleicht." Niall richtet verlegen seine Sonnenbrille und bedeutet Louis dann, sein Gepäck in den Kofferraum zu stellen. Den Anzug legt er flach neben seine Tasche.

„Wo ist dein Zeug?" Louis runzelt die Stirn wegen des ansonsten mehr oder weniger leeren Kofferraums.

„Rückbank. Steig ein." Niall schwingt sich vors Lenkrad und wartet kaum, bis Louis' Tür geschlossen ist, bevor er den Rückwärtsgang einlegt und aus der Parklücke schießt. „Ich bin so aufgeregt, alle wiederzusehen."

Louis schnallt sich an und unterdrückt den lauten Seufzer, der ihm die Kehle zu zerreißen droht. Er fühlt sich erstickt von all dem, was hier passiert.

Niall ist eine unglaubliche Person. Jemand, der so gut wie immer einen Grund zum Glücklichsein finden kann, jedoch in den richtigen Situationen die Gabe hat, seriös zu bleiben und zuzuhören. Auf Fremde wirkt er sorglos und verspielt, auf Bekannte einschüchternd und unnahbar, doch in Wirklichkeit ist er wohl eine der herzlichsten Personen, die Louis jemals kennenlernen durfte. Man erwartet es nicht von ihm, aber trotz seiner selbstbewussten Schale, die jedes schlechte Wort mit Sarkasmus und Ignoranz abtut, denkt er still und heimlich oft darüber nach, wie er Leute behandelt und wie er sie fühlen lässt.

Trying To Remember How It Feels To Have A HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt