1. Kapitel ✅

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Langsam schritt ich in meinem  schlichtem blauen Seidenkleid den langen Korridor zum Thronsaal entlang. Meine beiden Dienstmädchen folgten mir in einem gebührendem Abstand, wie es sich für Dienstmädchen einer Prinzessin gehörte.

Heute noch vor Sonnenaufgang waren zwei Diener in mein Zimmer geplatzt um mir mitzuteilen, dass mein Vater eine wichtige Mitteilung für mich hatte und dass meine Anwesenheit zwingend nötig war.
Wenn mein Vater meine Anwesenheit wünscht dann hieß das meist nichts gutes.
Entweder wollte er mich bestrafen oder sich dem Hof als guten Vater darstellen, indem er so tat als würde er mich wirklich lieben.

Denn er liebte nur sich selbst.
Ich dachte immer, dass er mich tief in seinem Innersten liebte, doch ich hatte mich geirrt. Vor der plötzlich aufwallenden Wut in mir, die sich mit der brodelnden Abscheu vermischte, ballten sich meine Hände  gut versteckt zwischen den Stofffalten meines Kleides, zu Fäusten. Mein träger Schritt wurde abgehackt und hatte nichts mehr gemein mit meiner davorigen katzengleichen Gewandtheit.

Seine Fäuste, die auf mich einschlugen.

Sein Fuß, der mich mit harter Sohle unvorbereitet an Kopf traf.

Das daraufhin folgende Knacken der Knochen, welches mich bis in die Traumwelt verfolgte.

Nur mühevoll gelang es mir, die  aufsteigende Welle des Hasses niederzuringen. Dieser kleine Teil von mir, der mit verlockender Stimme blutige Rachen versprach, wenn  ich ihm nachgeben würde. Seine Versprechungen erschienen mir für den Bruchteil einer Sekunde greifbar, doch direkt danach überkam mich die eiskalte Reue, es auch nur in Bettacht gezogen zu haben.

Der Wächter der vor der großen Eichentür des Thronsaals stand sah mich fragend an und ich nickte entschlossen, wenn auch leicht zitternd. Meine Handflächen fingen an zu schwitzen während der Wachmann die Tür öffnete und meine Anwesenheit verkündete. Als ich meinen Vater erblickte lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.

Er war ein machthungriger Mann der Frauen als Mittel zum Zweck sah. Meine Mutter saß neben ihm und sah gebrechlich aus, wie immer.
Wie sie es bei ihm aushielt war mir Rätsel, was ich nicht zu lösen vermochte. Sie hatte ihn in jungen Jahren zum Zweck heiraten müssen, wie es das Schicksal vieler Adelstöchter in diesem Land war.
Zweckheiraten waren in Xeron nicht selten. Um die Bindungen zwischen den verschiedenen Ländern zu stärken verheiratete man meist Königshäuser miteinander. Ich fand, dass man nur aus Liebe heiraten sollte. Doch wen interessierte schon die Meinung einer kleinen verwöhnten Göre von Prinzessin, dachte ich ironisch.

„Liora mein Schatz, ich freue mich dich zu sehen."
Für außenstehende wirkte das Lächeln, dass er mir schenkte aufrichtig und liebevoll, doch ich wusste es besser. Hinter der aufrichtigen Fassade versteckte sich ein hasszerfressener, machthungriger Mann, welcher nicht zu lieben fähig war.
„Hallo Vater. Ihr wünscht mich zu sehen?"
Hoffentlich bemerkte er die unterschwellige Angst, die in meinen Worten mitschwang nicht. Zwar hatte er mich jetzt schon monatelang von seiner Folter verschont, dennoch rechnete ich jeden Tag damit, dass er wieder in alte Muster zurück verfällt.

„Deine Mutter und ich haben beschlossen, dass du anlässlich deines 17. Geburtstags eine Überraschung bekommen solltest."
So wie er das Wort Überraschung betonte war es keine gute Überraschung. Das war es nie. Als er das letzte mal Überraschung für mich vorbereitet hatte, ist ein Leben genommen worden. Ich erinnerte mich noch gut an die Schreie meines Kindermädchens. Marie war immer so gut zu mir gewesen,manchmal hat sie ein bisschen Schokolade für mich aus der Küche stibitzt, weil es mir damals untersagt war, Süßigkeiten zu essen. Doch dafür musste sie am Ende mit ihrem Leben bezahlen. Vater meinte damals, dass man weder Gnade noch Erbarmen mit Verrätern zeigen solle und dass ich daraus lernen solle. Noch heute träumte ich von dieser Erinnerung.
„Da du nun fast volljährig bist, haben wir uns gedacht wir arrangieren eine Ehe für dich. Einen Ehemann haben wir natürlich auch schon gefunden."

Nein, nein, nein!

Meine perfekte Welt zersprang in tausend scharfkantige Splitter. Ich sollte heiraten? Ich war doch noch ein Kind. Auch wenn es egoistisch war, ich wollte die Welt sehen und Abenteuer erleben bevor ich mich an jemanden binden musste. All die Pläne die ich geschmiedet hatte, meine Hoffnungen und Träume... Tränen stiegen mir in die Augen, doch ich wollte diesem grausamen Mann nicht die Genugtuung geben und weinen.

Plötzlich fühlte sich meine Lungen wie zugeschnürt an. Doch ich musste dagegen ankämpfen, da sonst mein Geheimnis ans Licht käme. Dann hätten alle vor mir Angst und würden in mir nur das Monster sehen. Deshalb durfte niemals jemand davon erfahren.

Ich hatte ganz tief in mir drinnen zwar gewusst, dass eine Zweckheirat unausweichlich war, doch ich hatte gedacht, dass ich noch ein bisschen Zeit habe, bevor man mich in den kleinen Käfig der Ehe zwingt. Bevor man mich vollkommen einsperrte.

„Was? Ihr habt nicht einmal gefragt was ich davon halte. Ihr habt euch einfach erlaubt über mein Leben zu bestimmen. Ihr habt mich an irgendeinen mächtigen Mann verkauft, nur um noch mächtiger zu werden. Ihr denkt nur an euch."
Die Worte waren kühl und doch zittrig aus meinem Mund gekommen. Die Dunkelheit in mir kratzte an die Mauer meiner Gedanken, wollte über mich Besitzt ergreifen. Einen kurzen Moment lang wollte ich dem Drängen nachgeben. Doch stattdessen ballten sich meine Hände zu Fäusten,die ich schnell im Stoff meines Kleides versteckte.

Meine Mutter zuckte zusammen und ließ die Schultern nach unten sacken, doch mein Vater sah mich nur herablassend an.
„Schatz, wir haben einen guten Ehemann gefunden."
Gut hieß bei ihm wahrscheinlich mächtig. Er brauchte sich doch wirklich nicht die Mühe machen, seinen Machthunger hinter schönen Worten zu verstecken, denn ich hatte schon seine dunkle Seite in all ihren Facetten kennengelernt.
„Du wirst den den König von Naria heiraten."
Die tausend Splitter meiner Welt wurden zu zehntausenden Splittern.

Im Palast kursierte das Gerücht, dass er ein Dutzend Kinder ohne mit der Wimper zu zucken die Kehle durchschnitt. Angeblich soll er sogar seinen eigenen Vater ermordet haben um die Herrschaft an sich zu reißen. Beweisen konnte man diese Vermutung aber nie.
Schon zu zweitem Mal an diesem Tag lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.

Eher würde ich ein Schwein als einen solchen Mann wie ihn heiraten, einen Mann der die Grausamkeit verkörperte. Alles in mir begann sich gegen diese Hochzeit zu sträuben.
„Nein, ich werde ihn nicht heiraten. Das könnt ihr mir nicht antun." Meine Stimme brach am Ende weg. Die Königin hatte wenigstens den Anstand beschämt dreinzublicken.

„Schatz der Vertrag ist längst unterzeichnet. Du kannst nichts mehr tun."
Er grinste hämisch, voller Freude über meine Angst, die ins unermessliche wuchs. Es zeigte einen kleinen Einblick in seine wahre Natur, sadistisch, krank, abscheulich. Mein Vater liebte es, wenn andere Menschen litten, das musste ich am eigenen Leib erfahren.
„Aber das könnt ihr nicht machen. Ich möchte die Welt sehen und Abenteuer erleben. Ich will nicht eingesperrt werden."
Wieder kamen mir die Tränen, dieses Mal noch heftiger als zuvor.

„Es geht aber nicht nach deinen Willen. Du wirst König Amilion in drei Tagen heiraten. Alles andere steht nicht zur Debatte. Du kannst jetzt gehen."
Flehend sah ich meine Mutter an doch sie schwieg und blickte zu Boden. Nach mehreren Sekunden beschloss ich, dass weitere Verhandlungen unnötig waren. Sie würden ihre Meinung nicht ändern.
Hasserfüllt starrte ich meinen Erzeuger ein letztes Mal an, machte auf dem Absatz Kehrt und eilte davon.

Ich achtete nicht mehr auf meine Umgebung. Die Tränen flossen nun ungehindert über mein Gesicht und ich gab mich ganz meinem Selbstmitleid hin. In meinem Zimmer ließ ich mich aufs Bett fallen. Der Geruch des Waschmittels war irgendwie tröstend. Erschöpft glitt ich in einen traumlosen Schlaf, aus dem ich am liebsten nie mehr aufwachen würde.

Der Thron der Lilien ~abgebrochen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt