Das Fehlen des gleichmäßigen Ruckelns der Kutsche riss mich aus meinem kurzen unruhigen Nickerchen. Ich streckte mich und gähnte laut.
Plötzlich fielen mir wieder die Ereignisse der letzten Stunden ein. Die Beichte meiner Mutter, mein skrupelloser Ehemann und die prächtige Hochzeit. Alles war so unwirklich, so fern und doch so real, so echt.Langsam blickte ich mich in der Kutsche um, und dort saß er. Der König musterte mich mit einem Blick, bei dem es mir durch Mark und Bein ging. Die Haltung die er eingenommen hatte verriet, dass er sich überlegen fühlte mir gegenüber. Seine Augen sahen nicht direkt abweisend aus, dennoch irgendwie distanziert, was ich sehr unangenehm fand. Mein Vater hatte mich vor meinen Bestrafungen auch immer so angesehen.
Wie lange starrte der denn eigentlich schon? Und vor allem warum starrte er so? Hatte ich etwas falsch gemacht?
Schnell schaute ich aus dem Fenster um nicht länger seinen unterkühlten Blicken ausgesetzt zu sein.
Draußen erfassten meine Augen einen riesigen Schlossgarten mit den schönsten Pflanzen, die ich je gesehen hatte. Ein paar kannte ich aus dem Biologieunterricht. Kirschbäume, Veilchen, natürlich Rosen, Frauenschuh und noch einige mehr. Aber der überwiegende Teil der Bepflanzung war mir unbekannt.
Nachdem ich ungefähr dreißig Sekunden lang aus den Fenster geblickt und den prächtigen Garten bestaunt hatte, beschloss ich meinen liebreizenden Ehemann darauf hinweisen, dass wir langsam aussteigen sollten, da der Mond schon aufging und die Sonne nur noch als rosa Schattierungen am Himmel wahrgenommen werden konnten.
„Eure Majestät, wir könnten ja vielleicht jetzt aussteigen, da es schon dunkel wird, außerdem ist mir kalt."
Dieser Wink mit dem Zaunpfahl war unmissverständlich, doch er zuckte nur mit den Schultern und sah raus zum Fenster. Als wäre ich unwichtig. Wie vor den Kopf gestoßen glotzte ich ihn an oder besser gesagt sein Seitenprofil, da der Herr sich anscheinend nicht dazu herablassen wollte, seinen Gesprächspartner anzuschauen.
Ich hatte im meinem ganzen Leben noch nie einen Korb bekommen und es machte mich wütend wie er mein Wunsch einfach so abtat.
„Ich möchte aber nicht rein, ich will den Mond betrachten. Du kannst ja schon rein gehen wenn du willst. Ich bleibe hier."
Ungläubig sah ich ihn an. Er wollte den Mond betrachten, ernsthaft? Entweder hielt er mich zum Narren oder er war komplett irre.
Ich war doch nicht irgendein Dorftrottel, den er ganz einfach herumscheuchen konnte.
Außerdem wollte ich nicht allein reingehen in sein Schloss um dann wie ein Dummi nicht zu wissen wohin, deshalb versuchte ich es nochmals, dieses Mal nachdrücklicher. Hoffentlich konnte er jetzt seinen arroganten Arsch mit rein bewegen.
„Eure Majestät ihr wollt mir doch sicher euer Schloss zeigen. Es ist nämlich wahrlich ein Prachtstück."
Das stimmte sogar, soweit ich das im Halbdunkeln festmachen konnte.
Es besaß drei Türme, die hoch in den Himmel aufragten. Dazu Dächer aus dunkelblauen Ziegeln, fast schwarzen Ziegeln, soweit ich richtig sah. Die Mauern bestanden aus irgendeinem hellen Gestein, was für meinen Geschmack zu protzig war. Um das Schloss schlängelte sich anscheinend ein Rundweg aus dem man bestimmt sehr gut spazieren gehen konnte. Der Weg wurde von irgendwelchen Bäumen gesäumt, die eigenartig aussahen, so dünn und spärlich belaubt, trotzdem aber noch elegant.
Aber mal ehrlich, etwas anderes war von so einer großen Persönlichkeit, oder so einem großen Ego, wie man's nimmt, nicht zu erwarten gewesen.
Er zuckte wieder nur mit den Schultern als interessiere ihn das ganze nicht im geringsten.
Na gut alle guten Dinge sind drei.
„Ich wünsche eure Anwesenheit und möchte nicht allein in euer Schloss gehen."
Auf einmal wirbelte er zu mir herum, in seinen Augen stand die blanke Wut.
„Es ist mir egal was du dir wünschst. Ich bleibe hier. Entweder bleibst du auch oder du gehst. Für deine Feigheit kann ich nichts. Du bist nur eine dieser verzogenen Gören, nichts drauf außer ein riesiger Egoismus. Wenn ich's mir Recht überlegen bereue ich die Hochzeit bereits jetzt schon. Obwohl ich habe dich sowieso nur wegen der Macht deines Vaters geheiratet habe."
Verletzt war gar kein passendes Wort für das was ich jetzt fühlte. Bis aufs äußerste gekränkt kam schon eher hin, wenn überhaupt. Doch am meisten tat weh, dass es auch ein bisschen der Wahrheit entsprach, der Wahrheit die die meisten glaubten. Jetzt wusste ich, dass er mich auf meinen Vater und dessen Macht reduzierte. Es war doch immer so oder nicht? Heutzutage hat die Frau nur noch den Wert ihrer Macht, eigentlich eine erbärmliche Gesellschaft.
Tatsächlich hätte diese Beschreibung auf viele andere Prinzessinen zugetroffen, doch ich war ja schließlich auch nicht "viele andere".
Wenn er wüsste, welche uralte Macht in mir ruhte, hätte er sich seine Worte wahrscheinlich zweimal überlegt. Dennoch durfte ich auf keinen Fall riskieren, dass er es erfuhr.
Also tat ich so als würden seine Worte mich treffen und stieg schwungvoll aus. Soll der Dummkopf halt hier bleiben, ich war kein Feigling.
Ich hatte genug von ihm und seinen Spielchen und das, obwohl wir erst seit ein paar Stunden verheiratet waren.
Was ich beim Aussteigen allerdings nicht beachtet hatte, war, dass der Platz viel zu klein für schwungvolle Bewegungen war.
Der Länge nach flog ich die kleine Treppe an der Kutsche runter und schlug unten auf. Autsch, das tat weh, sehr weh!
Hinter mir vernahm ich ein kleines Schnauben gefolgt von einem Lachen.
Das war nicht sein Ernst. Wäre er ein Gentleman würde er mir die Handreichen und sich nach meinem Befinden erkundigen. Was er tat entsprach so ziemlich dem Gegenteil dessen. Ich drehte mich um und sah ihm mit einem Blick an, der sagen sollte: Geh wo anders hin Lachen, Penner.
Um meine Würde zu wahren setzte ich mich auf, strich mein Kleid mit Schleier glatt. Auch wenn mir das Kleid nie gefallen hatte, war es doch ein wenig schade, wenn man bedachte, wie wertvoll es gewesen war, bevor es durch den Sturz beschmutzt wurde. Doch selbst das Kleid war schlussendlich nur eine Schaustellung von der Macht meines Stiefvaters gewesen. Er wollte sein Reichtum offen zur schau tragen, nicht seine einzige, wenn auch nicht biologische Tochter, gut bekleiden für ihren großen Tag.
Doch schon bald begann es kalt am Hintern zu werden und beschloss ich dass sitzen bleiben und einen auf beleidigt machen nichts bringen würde. Also wie sagte man so schön: Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten und weiter geht's. Naja oder so ähnlich.
Mit soviel Anmut wie möglich hob ich meinen Rock mit der einer Hand, mit der anderen stützte ich mich ab und stand langsam auf. Wieder auf den Füßen drehte ich mich zu meinem Mann um, der immer noch lachte.
Ehe ich mich versah zeigte ich ihm den Stinkefinger. Das hatte ich absolut noch nie in meinem ganzen Leben gemacht, weil niemand es gewagt hatte, meine Autorität infrage zu stellen, nicht einmal mein Vater.
Sein Lachen erstarb aprupt, sein Blick lag nun beinahe schockiert auf mir. Ohne seine Reaktion abzuwarten drehte ich mich auch schon wieder um.
Ich konnte meinen Ehemann jetzt schon nicht ausstehen und ich hatte noch mein ganzes Leben mit ihm vor mir. Welch rosige Aussichten.
Doch jetzt würde ich erstmal meine zukünftige Behausung erforschen gehen. Als ich schwungvoll die schwere, dunkel lackierte Eingangstür aufriss, blieb mir die Luft weg bei dem Anblick der sich mir bot.
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Der Thron der Lilien ~abgebrochen~
FantasyAls Liora kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag erfährt, dass sie Amilion, den König von Naria, heiraten muss, bricht für sie die Welt zusammen. Ausgerechnet König Amilion, bekannt für seine Grausamkeit, Kaltherzigkeit und Gnadenlosigkeit. Bei Hof...