2. Kapitel ✅

48 14 2
                                    

Die nächsten zwei Tage vergingen wie in Zeitraffer. Das ganze Schloss war in heller Aufregung und ich wurde quasi mit Glückwünschen überhäuft. Während ich tagsüber die glückliche Prinzessin spielte weinte ich mich nachts in den Schlaf und träumte wieder von meinem Vater, wie er mich folterte. Es war kaum auszuhalten, ich wollte nicht mehr existieren, nicht mehr leiden.

Vielleicht sollte ich mich aus dem Fenster stürzen oder vielleicht könnte ich auf ähnlich dramatisch Weise wie Kleopatra sterben und mich von einer Schlange beißen lassen? Mehrmals spielte ich mit diesen Gedanken, war aber schlussendlich doch zu feige. Innerlich wappnete ich mich in der Nacht vor der Hochzeit für den Kronprinz und gab mir selbst ein Versprechen.

Ich würde mir immer treu bleiben, nur mir selbst vertrauen. Soll der lächerliche Thronhocker doch kommen, ich werde ihm trotzen und mit hoch erhobenen Haupt entgegentreten. Koste es was es wolle!
Wenn ich schon mein restliches Leben mit einem Monster verbringen musste, dann wenigstens mit Würde und Stolz.

Am nächsten Tag wurde ich noch vor Sonnenaufgang geweckt. Draußen begannen schon die ersten Vögel zu zwitschern, lieblich wie immer, nur dass es sich heute eher wie ein Trauerlied anhörte. Langsam realisierte ich welcher Tag heute war. Ab heute werde ich für immer eingesperrt sein, dachte ich voller Trauer und Wut.
Wut auf mich, meine Eltern, meinen ungewollten Verlobten, auf die ganze Welt eben.
Doch eine Wahl hatte ich nicht. Man erwartete von mir eine willenlose Puppe, sie sollten eine bekommen. Äußerlich zumindest, innerlich wird immer die Rebellin brodeln und ihren Untergang planen.

~~~

Meine Zofen machten sich sofort ans Werk. Nachdem sie mich gebadet, geschrubbt und gewaschen hatten, bekam ich mein Frühstück vorgesetzt. Es gab Weißbrot mit Feigen. Welche Ironie des Schicksals. Ausgerechnet Feigen.

Am Schluss waren noch die Haare, das Make-Up, welches glücklicherweise dezent ausfiel, und mein Kleid dran.
Während meine weißblonden Haare zu einer eher einfachen Hochsteckfrisur gebändigt wurden war das prächtige Kleid ein einziger Traum aus Seide, Samt und Chiffon.
Der obere Teil bestand aus Spitze, die bei genauerer Betrachtung ein feines Blumenmuster ergab. Die Blumen gingen in einen ausladenden Seidenrock über, der mit Gold und Silber, bestickt war. Es war alles in allem der Traum eines jeden Mädchens, wenn man von dem Anlass absah.

Vorgestern musste ich stundenlang still auf einem Hocker stehen während mir meine Körpermaße abgenommen wurden. Es war eine Erfahrung die ich für kein Geld der Welt wiederholen würde, vor allem da fast gefühlt jede zweite Nadelstich in mein Fleisch gebohrt hatte.

Zum Schluss bekam ich das schönste Diadem, was ich je gesehen hatte auf den Kopf gesetzt. Es musste aus hunderten Kristallen und Diamanten bestehen, die im Licht der aufgehenden Sonne nur so um die Wette funkelten. Zu sagen es wäre wunderschön war wirklich untertrieben.
An dem Diadem wurde der mehrere Meter lange Schleier, welcher ebenfalls aus den feinsten Stoffen bestand, befestigt. Währenddessen murmelte eine meiner Zofen, dass das Diadem meiner Urgroßmutter Elise der Dritten gehört hatte und das es traditionell in der Familie bei Hochzeiten getragen wurde.
Na dann, dachte ich, wünsch mir Glück Großmutter Elise.
Gerade als ich fertig war klopfte es an der Tür. Wer könnte das sein?

„Herein!"
Zu meiner Überraschung trat meine Mutter ein. Sie lächelte mich an. Freundlich, offen, wie eine liebevolle Mutter es nun mal zu ihrem Kind tat. Ich wollte ihr Lächeln schon erwidern, da fiel mir ein, dass sie mich verkauft und verraten hatte.
„Hallo Schatz. Können wir uns kurz unter vier Augen unterhalten?" Misstrauisch sah ich sie an. Was wollte sie noch nach allem sagen? Ich sah meine Zofen an, sagte dann aber:

„Last mich kurz mit meiner Mutter allein."
Nachdem die Mädchen gegangen, waren fing meine Mutter an zu reden.
„Es gibt da Etwas, das ich dir sagen muss. Bitte hör mir zu bevor du irgendwas tust."
„Okay..."
„Du weißt ja, dass ich dich in jungen Jahren bekommen habe. Allerdings ist der, den du für deinen Vater hältst nicht dein wahrer Erzeuger."

Der Thron der Lilien ~abgebrochen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt