01 - Alles anders

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Nervös blickte ich auf mein Handy und sah, dass die Zeit auf 09:00 sprang und betrat unsicher die große Eingangshalle. Man hatte mir nur gesagt, dass ich mich hier einfinden sollte. Ich ging einige Schritte um mich besser umschauen zu können und zog meinen Koffer in dem mein ganzes vorheriges Leben eingesperrt war hinter mir her. Zwischen schwarzen Hoodies, Ladekabeln und meiner geliebten Kamera verbarg sich auch mein größter Schatz: ein Bild meiner Familie. Ich habe es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten, beziehungsweise meine Familie hat es mit mir nicht mehr ausgehalten. Ich hoffe ich werde sie nicht allzu dolle vermissen. Ich bin weder sonderlich gut in der Schule, habe besondere Fähigkeiten oder habe viele Freunde. Dazu kommt noch, dass ich durch den tragischen Tod meiner Mutter Schuld und Angstzustände entwickelt habe, durch die ich oftmals Wut sowie Stressanfälle bekomme. Statt in der Schule zu sitzen bin ich am liebsten in der Gruft, eine Bar im verachtetsten Stadtteil von ganz London. Aber die Gruft ist nicht nur für ein paar Bier bei mir hoch angesehen: Mein bester Freund (oder Ex-Bester Freund eher gesagt) arbeitet dort als Barkeeper. Doch das soll sich jetzt ändern.

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"Entschuldigung!, kann ich ihnen weiterhelfen?", eine spöttische Stimme riss mich aus meinen Gedanken, und ich blickte zu einer Theke hinter der eine kleine, ende 50 jährige Frau saß und mich grimmig anstarrte. "Eh ja.", sagte ich und ging näher auf sie zu. Die Kette, die ich zum Schmuck an meiner Hose trug klapperte.

"Ich soll ab heute hier leben. Mein Name ist Arya Robinson. Eine gewisse Frau Irwine hat mir einen Brief geschrieben, ich soll mich um 9 Uhr im Eingangsbereich einfinden." "Sie? An unserer Schule? Sicher, dass sie hier richtig sind?", die Frau sah mich von oben bis unten an. "Ja, so ist es.", sagte ich nun weniger selbstsicher. "Das muss ich eben überprüfen", sagte sie und war auch schon in irgendeinen Raum, der hinter der Theke lag verschwunden.

Ich sah mich nochmal in der Halle um: Die Theke, einige Sitzgelegenheiten und unzählige Türen und Fenster. Alles bestimmt so teuer, dass eine kleine Familie  Jahre davon leben konnte. Es war still. Fast zu still.

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Nach einigen Minuten hörte ich Absätze, welche klackernd näher kamen. Ich tat so als würde ich sie nicht hören und blickte zu den kunstvollen Fenstern, die mich ein bisschen an Kirchen erinnerten. Nicht, dass ich jemals in einer Kirche gewesen wäre, aber diese Art von Fenstern erinnerte mich an den letzten Film den ich gesehen hatte. Dort spielten einige Szenen in einer Kirche. Die Absätze waren nurnoch wenige Meter von mir enfernt.

"Sind sie Arya Robinson?", fragte mich eine um die 40 jährige blonde Frau mit einer riesigen Brille. Als ich kurz nickte fing sie gleich wieder an zu reden: "Herzlich Willkommen an der International School Dundee. Unsere Schule bildet seit 1852 junge Menschen in hervorragenden Bedingungen aus. Folgen Sie mir doch, ich zeige ihnen etwas." Sie ging schnellen Schritten auf eine der Türen zu und als wir durch sie hindurchgingen sah ich Auszeichnungen, Preise und Pokale. "Hier sehen sie alles, was unsere Schule in den letzten 150 Jahren an Preisen verliehen bekommen hat." Ich blickte die 3 Meter hohen Wände hoch und sah dutzende Bilderrahmen und Schaukästen.

Ich war fassungslos, ich wusste zwar, dass das Internat meines Großvaters einen guten Ruf hatte, aber nicht, dass es auch so erfolgreich war. Langsam bekam ich ein bisschen Angst, dass die Idee von London nach Dundee zu ziehen nicht die beste war. Vorallem nicht mit den Noten, die ich an meiner alten Schule hatte. Aber so konnte ich halt ein neues Leben beginnen und villeicht wirklich irgendwann Film und Fotografie studieren.

"Folgen sie mir, folgen sie mir. Sie wollen bestimmt ihren Großvater treffen. Sie kommen ja aus London, dann sehen sie sich besimmt nicht allzu oft, oder?", diese Frau schien alles über mich zu wissen, und meine Begeisterung darüber liegt gerade auf dem Boden und sieht keinen Grund aufzustehen. "Mhh, nur zu Weihnachten eigentlich. Manchmal hat er auch Termine in London und kommt überraschend vorbei.", ich klang bestimmt richtig begeistert.

Nach knapp 5 Minuten langer Flure, einiger Treppen und unzähliger Glastüren standen wir nun vor einer schweren Holztür. Durch das Schild an der Wand wusste ich, dass wir da waren. Niemand außer meinem Großvater bezeichnete sich selbst als Häuptling der Schule.

Die Frau klopfte an die Tür und nachdem sie kurz innehielt öffnete sie diese Schwungvoll. Ich ging zögerlich in den großen Raum und sah meinen Großvater an einem in meiner Sicht viel zu kleinem Schreibtisch. Ich hörte, wie die Tür langsam ins Schloss fiel.

still breathing in secretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt