Sie saßen zu sechst an einem runden Tisch im Kellerraum seiner Wohnung. Hinter ihnen flimmerte der Fernseher und helles Neonlicht ließ seine Haut vom Schweiß glänzen. Matthew drehte den Zahnstocher zwischen seinen Zähnen hin und her. Er hatte seinen Blick auf die Anwesenden gerichtet, wartete auf eine Reaktion von ihnen. Die Anhänger der Eliminators, wie sich die Gruppe bestehend aus Kriminellen nannte, starrten angewidert und erschrocken auf den Fernseher. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Matthew fuhr sich schmunzelnd durch die Haare, welche er sich hatte bis zu den Schultern wachsen lassen, um nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. "Ist nicht die gleiche Liga, in welcher ihr spielt, was?", lachte er amüsiert. Dann drückte er auf die Fernbedienung und das Standbild des toten Dans verschwand. Der Film spulte weiter.
Es erklangen verzweifelte Schreie, das Geräusch, welches entstand, wenn eine Klinge Muskeln durchtrennte und seine tiefe Bassstimme, die Matthew die Fäuste ballen ließ. Es war die Stimme eines Mörders, nein, des Mörders seiner Familie. Er hasste Knoxs Stimme mehr als alles andere in seinem Leben. Auch wenn er den Fernseher im Rücken hatte, wusste er ganz genau, welche Szene nun spielte. Sie zeigte den Serienkiller dabei, wie er Studenten der Harvarduniversität ohne zu zögern niedermetzelte. "Meine Studenten..." Megans Gesicht erschien vor seinem inneren Auge. Der metallische Geruch ihres Blutes schien ihm immer noch in der Nase zu liegen. Er wollte sich nicht eingestehen, dass er sie vermisste. Mit ihr hatte er seine Frau betrogen und anfangs hatte ihre Beziehung allein auf der Tatsache basiert, wie oft sie miteinander schliefen. Doch Megan war für ihn irgendwann mehr geworden als ein lüsterner Zeitvertreib. Er hatte tiefgründige Gefühle für sie entwickelt. Und dann kam Knox, spielte sein sadistisches Spiel mit ihnen und brachte sie vor seinen Augen um. Doch als wäre das nicht genug gewesen. Denn als Matthew aus seiner Ohnmacht aufwachte, welche die Schläge des Killers hervorgerufen hatte und nach Hause kam, musste er mit ansehen, wie Knox seine Familie tötete. Und so hatte er an einem Tag alle verloren, die ihm wichtig waren.
Er spürte die fragenden Blicke der Eliminators auf sich, woraufhin er den Kopf hob. Erst jetzt bemerkte er, dass er die kleine Fernbedienung in seiner Hand zerdrückt hatte. "Schlechtes Material. Scheiß Ding." Sie landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Holztisch. Matthew warf einen Seitenblick nach hinten. Das Standbild zeigte eine verstümmelte Leiche. Die Leiche eines Kindes, welche neben einem Fluss lag. Sophia Diaz, soweit er sich an ihren Namen entsinnen konnte. "Jetzt seht ihr, was Knox mit euch macht, wenn er euch findet. Ihr werdet einen grausamen und qualvollen Tod sterben. Wollt ihr das?" Die Männer in den schwarzen Klamotten schüttelten zeitgleich den Kopf. "Warum habt ihr dann den Auftrag heute Morgen nicht korrekt ausgeführt?! Julius hat sich eine verdammte Kugel in den Kopf gejagt und Knox hat ihn gefunden! Es wird nicht lange dauern, da wird er auch uns finden!" Matthew war aufgesprungen und stand nun bebend vor den fünf Männern. Der Kopf der Bande, ein breitschultriger Mann mit einem Irokesenschnitt und Ziegenbart namens Sicario, war der einzige, der eine unbekümmerte Miene aufgesetzt hatte. Argwöhnisch hatte er seinen Silberblick nach vorne gerichtet. Die blauen Augen wirkten trüb und feine Fältchen zogen sich um Sicarios Augen. Matthew schätzte ihn auf Anfang vierzig. Er würde weder eine Rechtfertigung noch eine Entschuldigung zu hören bekommen, doch das wollte er auch gar nicht. Sonst würde es nur unnötig Tote geben.
"Was ist dein Plan, Fled?", fragte Sicario angespannt und reckte herausfordernd das Kinn. "Knox hat einen Sohn. Eure Aufgabe ist es, ihn ausfindig zu machen und zu entführen. Nur so zwingen wir ihn zum nächsten Zug. Und so wie ich ihn kenne, zerbricht er bereits an seiner Schmerzsucht. Er wird alles tun, um seinen Kleinen zu retten - und um den Qualen zu entfliehen." Matthew ließ die Hand von seinem Zahnstocher sinken und drückte kräftig auf die Tasten der kleinen Fernbedienung. Sie reagierte noch und binnen einer Minute erschien ein kleiner, siebenjähriger Junge auf dem großen Flachbildschirm. Er saß auf einer grünen Wiese und hatte ein Spielzeugauto in der Hand. Die schwarzen Haare hingen ihm wirr in der Stirn und die stahlgrauen funkelten in Richtung Kamera. Alles an ihm wirkte makellos. Die Zähne, das Gesicht... Doch brachte der Kleine Matthew zum Würgen. Er glich Knox bis aufs Haar, war wie sein jüngeres Ich. Es ließ ihn die Stirn im blinden Eifer runzeln. "Ihr habt zwei Tage Zeit, um das Versagen von Julius wieder gut zu machen. Und wehe, ihr scheitert." Mit einem hörbaren Knacken zerbrach der Zahnstocher. Matthew spuckte die beiden Teile auf den Tisch und nickte den Eliminators zu. Dann wandte er sich ab.
Als er sich ungestört glaubte, trank er einen großen Schluck des Rodniks Absinth, welchen er sich hatte besorgen lassen. Der Alkohol brannte in seinem Hals und ließ ihn husten. Er richtete seinen Blick auf den Fernseher und ballte die Hände zu Fäusten. "Hoffentlich wirst du bald genauso abscheulich wie dein Vater." Matthew hegte einen Groll gegen alles, was mit Knox zu tun hatte. Er wollte dessen Welt brennen sehen, so wie er seine hatte brennen lassen. Dank Dan und eigener Nachforschungen wusste er alles über den Killer, was es Wissenswertes über diesen zu wissen gab. Und es gab zwei Dinge, mit denen man ihn sich gefügig machen konnte: seine Freundin und sein Sohn. Durch das Unterdrücken seiner Schmerzsucht war Knox gezwungen, sich andere Katalysatoren zu suchen und somit war er psychisch labil. Hätte er die Möglichkeit, einen Menschen zu töten und leiden zu lassen, würde er es tun. Doch dadurch, dass er nun beim BKA arbeitete, war es ihm untersagt.
"Fled." Er zuckte zusammen und dreht sich um. Sicario stand in der Tür, die Augen auf den Fernseher gerichtet. In seinem Blick lag Begierde. Und Matthew wusste auch, wieso. Der Hüne war ein perverser Pädophiler. Jedes Mitglied der Eliminators hatte seine ganz eigene, spezielle Macke. Und die Liste der Vergewaltigungen des Hünen war beachtlich lang. Für Matthew war er ein Unmensch, jedoch waren er und seine Kumpanen gute Komplizen. Und noch dazu eine sehr erfolgreiche Truppe, auch wenn sie ihr Können bis jetzt noch nicht unter Beweis gestellte hatten. Julius, einer der Mitglieder, war durch Nachsicht gestorben, welche dessen Angst geschürt hatte. Letzten Endes hatte der Mann nur noch die Erlösung durch die Kugel gesehen - und war Knox in die Falle gerannt. Nicht nur die Existenz der Eliminators war nun bedroht, sondern auch seine Eigene.
"Wie bist du damals den Cops entkommen?" Sicario sprach zu ihm, ohne den Blick von dem Kleinen zu nehmen. Matthew stellte den Absinth ab. "Sie dachten, ich sei Tod, dabei war ich nur bewusstlos. Ich hatte mir mit Knox einen Schlagabtausch geliefert, damals in der Wüste. Er schlug mich ohnmächtig, doch als er mich geschultert hat, bin ich wieder zu mir gekommen. Du musst wissen, dass ich nicht der Gesuchte war, sondern Dan. Vielleicht sagt dir der Name Defiler mehr?" Er blickte Sicario abwartend an, doch dieser schüttelte nur unwissend den Kopf. "Wie bedauerlich. Dan hat sich immer gewünscht, in Erinnerung gehalten zu werden. Wie dem auch sei. Als jeder mit Knoxs Tod beschäftigt war, hab ich mich aus dem Staub gemacht. Dabei habe ich jedoch einen Preis zahlen müssen." Präsentierend hob er seine linke Hand, welche von Einschusswunden verstümmelt worden war. Er konnte sie nicht mehr benutzen, denn sie war wie ein nutzloses Ding aus Haut und Knochen, was ebenso nutzlos an seinem Arm herunter hing. "Einer der Cops hat mich gesehen und sofort das Feuer eröffnet, aber das war mir egal. Wäre ich stehen geblieben, wäre ich jetzt tot. Und hätte er mich nicht gesehen, wüsste niemand, dass ich existiere, geschweige denn, dass ich in diese Sache involviert war. Doch jetzt bin ich ein Staatsfeind." Nun wandte Sicario sich ihm doch zu. "Du sagtest tot. Wie hat Knox dann..?" Matthew winkte ab. "Ein wahrer Meister verrät nie all seine Geheimnisse. Wir sehen uns, Sicario." Er zwinkerte dem Hünen zu. Dieser verließ daraufhin stirnrunzelnd den Kellerraum.
Die Welt dachte, der Killer sei tot, gestorben durch die Hand eines Agenten. Was aber kaum einer wusste, war, dass diese Tat nur als Alibi gedient hatte. Als Tarnung für den Mann, der Schuld am Tod von unzähligen Menschen war. Der Killer hatte seinen Tod vortäuschen müssen, um untertauchen zu können. Noch ein Grund mehr, wieso er nicht mehr töten durfte. Matthews Mundwinkel zuckten zu einem zynischen Grinsen nach oben. Er würde seinem Leben wieder einen Sinn geben - das hatte er sich geschworen. Und der Sinn würde Knoxs endgültiger Tod sein.
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Serial Killer - Der Auftrag (Pausiert)
Mystery / Thriller!Band II der Serial Killer - Reihe! Kennst du mich noch? Den einsamen Jäger? Ich war das Phantom der Nacht, der Killer, welcher reuelos tötete und von seinen Dämonen beherrscht wurde. Ich konnte niemals Schwäche zeigen, es war so, als ob mich nieman...