Prolog

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Madoc parkte seinen schwarzen Cadillac auf einer Lichtung im Frankfurter Stadtwald. Es war eine wolkenlose Nacht und der Vollmond stand hoch am Himmel. Er ließ den Wagen verstummen und stieg aus. Eigentlich war er hier, um Brians Mittelsmann aufzusuchen, da der Kriminalbeamte keine Zeit hatte, um es selbst zu tun, doch er gestattete sich einen kurzen Moment der Ruhe. Er liebte die Nacht. In ihr fand er Zuflucht, denn sie schenkte ihm etwas Vertrautes. Vertraute Dunkelheit und Gnadenlosigkeit. Als er jung war, hatte er sie gefürchtet. Mehr als alles andere auf der Welt. Doch heute war sie ein willkommener Teil von ihm. Er konnte schlichtweg nicht mehr ohne sie leben.

Mit einem müden Lächeln auf den Lippen lehnte er sich auf die Motorhaube und hob den Kopf. Kalte Abendluft wehte ihm entgegen und würziger Kiefernduft machte sich in seiner Nase breit. Seufzend schloss er die Augen und lauschte den Geräuschen um ihn herum. Grillenzirpen, das Rascheln der Blätter, der pfeifende Wind.. All das brachte Ruhe in seine wirren Gedanken. Seitdem er vor einem Jahr seinen Tod vorgetäuscht hatte, hatte sich einiges geändert. Er arbeitete nun zusammen mit Brian beim BKA. Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, all jene zu eliminieren, die sich nicht regelkonform verhielten. Es schloss Mörder natürlich mit ein. Zugegeben war es eine große Umstellung für ihn gewesen, nicht mehr alleine auf die Jagd zu gehen, aber zumindest hatte er eine bekannte Seele an seiner Seite.

Sein Handy vibrierte in seiner Hosentasche. Er holte es heraus und starrte auf das helle Display. Es war Brian. "Hab schon gedacht, du würdest gar nicht mehr anrufen", witzelte er. Am Ende der Leitung ertönte ein empörtes Geräusch. "Ich bin erstaunt, dass du es ohne meine Hilfe gefunden hast", lachte Brian bellend. "So schwer war das nicht." Er ließ aufmerksam den Blick schweifen, als er ein Knacken im Unterholz wahrnahm, doch konnte er nichts Auffälliges erkennen. "Du bist so resigniert, Madoc. Denkst du, du schaffst das?" Sein Magen zog sich zusammen. Nein, natürlich würde er es nicht schaffen. "Sicher doch. Mach dir um mich keine Sorgen." Währenddem die Worte seinen Mund verließen, flüsterte sein Gewissen in seinem Kopf nachdrücklich "Sag es ihm", doch tat er es nicht. Madoc biss die Zähne aufeinander. "Wie finde ich ihn?" Brian seufzte, da er wieder einmal dessen Frage ausgewichen war. "Halte nach einer weißen Lilie Ausschau und folge ihr." Er lachte und stieß sich von seinem Wagen ab. "Die Lilie als ikonografisches Symbol für Jungfräulichkeit? Wie paradox." Beiläufig löste er seine Glock aus dem Holster und checkte das Magazin. "Madoc, ich...", setzte Brian an, doch brach er kurz darauf ab. Madoc konnte sich ihn sehr gut bildlich vorstellen. Wie er in seinem Büro auf dem kaputten schwarzen Stuhl saß und unbehaglich auf seiner Unterlippe kaute, den Kopf auf die Hand gestützt und die braunen Haare im Gesicht hängend. Seine Brille saß wahrscheinlich schief und schmutzig von Fingerabdrücken auf seiner Nase und seine Klamotten waren vom Schweiß dunkel verfärbt. So wie jede Nacht, wenn Brian sich überarbeitete. "Es wird kein Blutvergießen geben. Und ich würde dir nahelegen, für heute Schluss zu machen, Brian. Ich melde mich, sobald ich die Informationen habe." Dann legte er ohne Umschweife auf, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen.

Langsam setzte er sich in Bewegung. Seine Glock steckte er wieder zurück ins Holster. Er würde sie nicht brauchen. So hoffte er zumindest. Mit gleitenden Schritten schlich er durch den Wald und lief verschlungene Pfade entlang, bis er an einer Böschung ankam. Madoc grub seine Sohlen in den weichen Boden und schlitterte hinunter. Die Blätter raschelten unter seinem Gewicht. Es war bereits Oktober und somit kroch ihm die Kälte in die Glieder. Mit prüfendem Blick spähte er nach vorne. Hinter einer Baumgruppe flackerte ein Licht, auf welches er zielstrebig zulief. Es kostete ihn beinahe keinerlei Anstrengung, durch den Wald zu hechten wie ein Wolf, der ein Reh verfolgte. Sein Tempo behielt er immerzu gleichmäßig bei. An der Baumgruppe angekommen runzelte er verwundert die Stirn. "Manchmal Frage ich mich wirklich, mit was für Leuten sich Brian damals rumgetrieben hat." Unter ihm befand sich ein pechschwarzer Bungalow, aus dessen inneren warmes Licht strahlte. Musik dröhnte ihm entgegen und vor der Tür standen zwei nackte Frauen und rauchten einen Joint. "Auch das noch." Die drängenden Stimmen in seinem Kopf wurden lauter und sein Verlangen versuchte sich gegen die eisernen Ketten der Willensstärke zu befreien. Noch hielten sie stand, doch Madoc wusste nicht, wie lange noch. Er fing vor Mordlust an zu zittern und das Verlangen nach Schmerzen stieg ins Unermessliche.

Serial Killer - Der Auftrag (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt