Das Zuschlagen der Haustür ließ mich verschlafen die Augen öffnen. Ich blieb wie angewurzelt liegen und lauschte in die Dunkelheit. Mein Herzschlag beschleunigte sich merklich, auch wenn ich nichts zu befürchten haben sollte. "Madoc?", fragte ich schlaftrunken, setzte mich auf und versuchte, etwas im Flur zu erkennen, doch auch dieser war gehüllt in Dunkelheit. Draußen donnerte es und Regen prasselte ans Fenster, was unzähligen Trommelschlägen glich. Es war mittlerweile ein Jahr vergangen, seitdem das mit Dan passiert war und es hatte sich einiges geändert. Zu meiner Mutter pflegte ich so gut wie keinen Kontakt mehr und war auf Madocs Wunsch bei ihm eingezogen. Meine Mum liebte mich, aber sie kam nicht damit klar, dass ich, ihre 17-jährige Prinzessin, eine Beziehung mit dem gefürchtetsten Serienmörder der Welt führte. Vielleicht würden unsere Wege ja irgendwann wieder zusammenführen. Immerhin stand Lace mir beiseite.
Gerade als ich ein Bein aus dem Bett schwingen wollte, zuckte ein Blitz am Himmel entlang und erhellte die Wohnung. Für eine Sekunde sah ich die Person, welche in der Schlafzimmertür stand und mir entgegensah. Erschrocken schrie ich auf und griff unter das Kopfkissen, wo Madocs Feldmesser lag. Mit zitternder Hand hielt ich es ausgestreckt vor mir, so als ob es mich beschützen konnte, falls sich ein Schuss löste. "Keine Angst, ich bin's nur." Madocs tiefe Baritonstimme waberte durch den Raum. Er lallte hörbar und sprach bedacht langsam. “Nicht schon wieder.” Zögernd ließ ich das Messer sinken und knipste die kleine Nachttischlampe an. Erneut donnerte und blitzte es. Als ich Madoc genauer ins Auge fasste, hätte ich am Liebsten fassungslos den Mund geöffnet. Er hatte seinen Anzug in der Hand und lehnte benommen im Türrahmen. Seine Augen waren blutunterlaufen und er hatte offensichtlich Mühe, die Augen offen zu halten. Auf seinem nackten Oberkörper glänzte der Schweiß und ich sah die unzähligen neuen Wunden, welche er sich zugefügt hatte. Sie gingen bis tief ins Fleisch. Wie er mir immer sagte: Er bekämpfte Schmerzen mit Schmerzen.
"Oh Madoc", seufzte ich und stand auf, doch er winkte ab. "Mir ist nur warm. Kommt vom Alkohol." Nein, das stimmte nicht. Es kam nicht nur vom Alkohol. Immer wenn er sich unbeobachtet fühlte, nahm er Sedativa zu sich, im verzweifelten Versuch, seine Dämonen und somit auch sein Verlangen ruhig stellen zu können. Ich hatte die Tabletten jedoch schon längst entdeckt. Und ich wusste, dass er den Kampf von Tag zu Tag mehr verlor. Genauso wie ich wusste, dass er irgendwann mehr brauchte, als sich selbst zu verletzen. "Du warst doch im Einsatz, wie hast du es geschafft, dich so abzuschießen?" Er machte ein zerknirschtes Gesicht. "Beim Autofahren." Dann torkelte er auf mich zu und zog mich an sich. Der beißende Geruch des Alkohols stieg mir in die Nase und ich musste würgen. Ich hasste dieses Zeug. “Sagst du mir, was los ist?” Er brummte etwas Unverständliches und küsste mich daraufhin. Ich musste wirklich an mich halten, um meinem Würgereflex nicht nachzugehen, da er den Geschmack des Alkohols auf seinen Lippen trug. “Dann halt eben wieder auf diese Weise.” Zögernd machte ich mich von ihm los und atmete tief durch, ehe ich mein T-Shirt mitsamt meiner Shorts gen Boden schickte. Nun war ich nackt. Und wie ich es erwartet hatte, blitze in Madocs Augen ungezügeltes Verlangen auf. Es war weder Zuneigung, Liebe noch Erregung. Er betrachtete mich so, wie seine unzähligen Begleiterinnen aus vergangenen Tagen. Ich konnte mittlerweile so gut in seinem Gesicht lesen, dass ich auf so ziemlich alles vorbereitet war. Bloß nicht auf das, was bei meinem Anblick in seinem Kopf vorging. Madoc schluckte schwer und suchte meinen Blick. “Du weißt, dass ich dich am Liebsten Ficken würde”, raunte er gepresst. Natürlich wusste ich das. Er benutzte diesen Begriff nur, wenn er auch genau das vorhatte. Es war noch nicht einmal hemmungsloser Sex, denn selbst da waren Gefühle im Spiel. Aber wenn Madoc jemanden fickte, wie er es so unverblümt beschrieb, dann geschah das gänzlich ohne Gefühle und war nur darauf ausgerichtet, seine Schmerzsucht zu befriedigen. Oh, wie ich es hasste, wenn er mich so ansah.
“Du verletzt mich, Madoc. Ich hoffe, dass du das weißt.” Er verzog das Gesicht. “Tue ich das?”, fragte er ironisch, fing plötzlich an, hysterisch zu lachen und trat von mir zurück. "Weißt du was? Ich kann dich gerne noch mehr verletzen. Auf dem Einsatz, da hab’ ich Brians Mittelsmann geküsst! Ist das zu fassen? Einen schwulen Mann! Und es war zugegeben recht amüsant." Er lallte so stark, dass ich ihn kaum verstand. Mit dem irren Lachen erinnerte er mich an eine Figur aus dem Fernsehen. Es dauerte etwas, bis ich verstanden hatte, was er mir da gerade an den Kopf geworfen hatte. Madoc schmunzelte verträumt und ließ kopfschüttelnd sein Sakko mitsamt Hemd fallen. "Sag mir nicht, du hast mit ihm geschlafen”, stieß ich aufgebracht hervor und war bemüht, ihm keine zu verpassen. Seit Luciás Tod hatte er sich kontinuierlich verändert. Ob es daran lag, dass er seinen Verlangen nicht nachgehen durfte, wusste ich nicht. Aber was ich wusste, war, dass mir seine Veränderung nicht gefiel. "Hätte ich denn sollen?" Sein Grinsen wurde breiter und er fiel erneut in hysterisches Lachen. "Okay, das reicht."
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Serial Killer - Der Auftrag (Pausiert)
Mystery / Thriller!Band II der Serial Killer - Reihe! Kennst du mich noch? Den einsamen Jäger? Ich war das Phantom der Nacht, der Killer, welcher reuelos tötete und von seinen Dämonen beherrscht wurde. Ich konnte niemals Schwäche zeigen, es war so, als ob mich nieman...