‚Once bitten and twice shy
I keep my distance
But you still catch my eye'(Last Christmas – Wham!)
Ruby nahm das Lametta und ging damit in das kleine Wäschezimmer, das sie sich eingerichtet hatte, als sie erfuhren, dass Roger keine Kinder zeugen konnte. Wofür ein Kinderzimmer leer stehen lassen, wenn dort niemals ein Kinderlachen ertönen würde?
Traurig sah Ruby zu dem Plätzchen unter dem kleinen Fenster hinüber. Es wäre so schön und der perfekte Platz gewesen für eine kleine Wiege. Stattdessen stand da jetzt das Bügelbrett. Ruby wischte die trüben Gedanken hinfort und blickte auf das Lametta in ihrer Hand. Heute war kein Tag, um über Dinge zu trauern, die sie nicht mehr ändern konnte.
Mit flinken Bewegungen glitt das Bügeleisen über den Stoff, denn Ruby über die feinen Lamettastreifen gelegt hatte. Der Baum musste dieses Jahr besonders schön aussehen. Vielleicht würde Ruby sogar ein Foto von Roger und sich vor dem Weihnachtsbaum machen und es Tante Abby schicken. Die alte und äußerst betagte Dame wollte einfach nicht sterben. Vielleicht würde ihr ein Foto des diesjährigen Weihnachtsfestes den Rest geben.
Als Ruby mit dem geglätteten Lametta zurückkam und freudig ‚Jingle Bells' anstimmte, zuckte Roger regelrecht zusammen: „Hab ich dich erschreckt, Liebling?"
Ruby lächelte ihrem Ehemann zu, als sie mit dem wehenden roten Stoff ihres neuen Kleides an ihm vorbei lief. Sie schnappte sich die Fernbedienung, schaltete die Sportsendung aus, und drehte das Radio mit den scheppernden Weihnachtsliedern lauter. Summend warf sie das Lametta auf die Äste, trat ein Stück zurück und betrachtete ihr Werk. Hier und da nahm sie etwas Lametta von den Zweigen und platzierte es an einer anderen Stelle. Sie wiederholte die Prozedur so lange, bis sie endlich zufrieden war.
„Gibs zu, es gefällt dir", sagte sie zu ihrem Ehemann, der nur kurz aufstöhnte und den Kopf zurücklegte.
Sie nahm die ersten Ornamente aus ihren Schachteln und hielt sie ins Licht: „Sie sind noch genauso schön, wie damals, als wir sie von deiner Mutter geerbt haben. Das war mit Abstand das Beste an ihrem erbärmlichen Tod." Ruby lachte auf und blickte auf ihren Ehemann, der sie schockiert ansah: „Sie würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, dass diese hübschen Kugeln nun mir gehören."
Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen platzierte Ruby eine Kugel nach der anderen auf den schönen Ästen des Weihnachtsbaumes. Sie erinnerte sich daran, wie sie als Kind immer von so einem Baum geträumt hatte, doch ihre Eltern sich nie die Mühe gemacht hatten, einen aufzustellen. Sie waren sehr arm gewesen und auch wenn sie sich ein paar Zweige hätten leisten können, hatten sie sich nie die Mühe gemacht. Rubys Vater versoff viel lieber das ganze Geld, das seine Frau in der Fabrik verdiente, statt seinen sieben Kindern ein Weihnachtsfest zu bescheren.
Sieben Kinder – Ruby dachte daran, was aus ihren Geschwistern geworden war. Sie selbst war die Jüngste gewesen, der Nachzügler, der eher unerwünscht gewesen war. Die Lieblingstochter ihrer Eltern, hatte letztes Jahr der Krebs dahingerafft und auch wenn Ruby sich innerlich darüber gefreut hatte, dass dieses Miststück nun Geschichte war, hatte sie es nach außen nie gezeigt. Einer ihrer Brüder dagegen saß im Knast, während der andere schon zum dritten Mal auf Entzug war. Von den anderen drei Geschwistern hatte sie nie mehr gehört, als diese das Elternhaus verlassen hatten.
Ruby nahm es ihren Geschwistern nicht übel. Sie selbst hatte die Flucht in die Ehe mit Roger ergriffen und auf ein besseres Leben gehofft. Besser war es allemal gewesen, wenn auch nicht annähernd so, wie sie es sich erträumt hatte. Doch es war keine Zeit, um über verschwendete Lebenszeit nachzudenken.
Plötzlich rutschte Ruby eine Kugel aus der Hand und flog, wie in Zeitlupe, in Richtung Boden. Mit einem klirrenden Scheppern traf die Kugel auf dem Boden auf und zersprang in klitzekleine rote und goldene Scherben. Erschrocken fuhr Roger in seinem Sessel zusammen, während Ruby das Schauspiel mit großen Augen betrachtete.
„Ach herrje", rief sie aus und trat einen Schritt zurück, „Die schöne Kugel."
Sie kniete sich auf den Boden und sammelte die größeren Scherben auf und legte sie in die Handfläche. Als eines der Scherben in ihre zerschundenen Hände eindrang und sich ein kleines Rinnsal ihres eigenen Blutes sammelte, sah Ruby fasziniert zu und lächelte. Ganz langsam umschlossen ihre Finger die feinen Teile der zerborstenen Kugel und drückten langsam zu. Sie ignorierte den stechenden Schmerz und betrachtete den roten Tropfen, der an ihrem Unterarm entlang lief.
Erst das Räuspern von Roger, ließ sie aus ihrer Trance erwachen. Kurz schüttelte sie ihre Verwirrtheit ab und lief mit der blutenden Hand zum Spülbecken. Das Wasser lief über ihre Hand und verfärbte sich in ein helles Rot, während sie die feinen Splitter aus ihrer Haut zog. Was war nur in sie gefahren? Als sie die letzte Scherbe entfernt hatte, wickelte sie sich ein Geschirrtuch um die Hand und ging zurück zu Roger und ihrem Weihnachtsbaum. Der Baum war fast perfekt.
Als Ruby alle Kugeln auf den Ästen verteilt und die kleinen Kerzen angebracht hatte, fehlte schließlich nur noch der Stern an der Spitze, den sie nun aus dem Karton nahm und betrachtete. Das Gold glitzerte im Kerzenlicht vor sich hin und Ruby entschloss sich, diesen Akt für nach dem Essen aufzuheben.
„Ich glaube, ich seh mal nach dem Weihnachtsbraten. Ich hoffe, du bist schon hungrig, Liebling?"
Ruby lief in ihren hohen Schuhen zum Ofen. Ihre Schuhe klackerten auf den harten Holzdielen wieder und das lockige Haar wehte regelrecht um ihre Ohren. Mit den Ofenhandschuhen öffnete sie das Bratenrohr und betrachtete das braungebrannte Stück Fleisch, das bereits knusprig gebacken vor ihr lag. Sie war einfach perfekt geworden und sie freute sich schon auf Rogers Blick, wenn sie das Weihnachtsessen servieren würde.
Stück für Stück richtete Ruby die Zutaten auf den Tellern an, schnitte den Braten an und legte die Scheiben neben den Kartoffeln und Erbsen auf den Teller. Sie schmeckte die Soße ab, verfeinerte sie mit Preiselbeeren und löffelte sie über die Kartoffel. Es war einfach perfekt, fast schon zu perfekt.
Als sie die Teller schließlich an ihren Platz stellte und die Kristallgläser mit dem teuren Rotwein eingoß, blickte sie schließlich zum Ohrensessel, wo Roger noch immer schwitzend vor dem Kamin saß. Wie sollte sie ihn nur in die Küche bewegen?
Langsamen Schrittes ging sie auf ihren Ehemann zu, überlegte und dann kam ihr schließlich die perfekte Lösung für das Problem.
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Last Christmas
Short Story!!! AB 18 JAHRE !!! Dieses Jahr wird alles anders. Dieses Jahr wird Weihnachten zu etwas ganz Besonderem. Dieses Jahr wird das Letzte dieser Art. Denn dieses Jahr hat Ruby eine ganz besondere Überraschung für ihren Ehemann Roger. (Beitrag zum Wint...