Teil 3

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‚Tell me, baby
Do you recognize me?'

(Last Christmas – Wham!)

Ruby nahm die Teller in die eine Hand und die Gläser in die andere. Sie hatte gelernt, so viele Teller wie möglich zu balancieren, als sie im Diner die Straße runter ausgeholfen hatte. Das kam ihr nun zu gute.

Strahlend trat sie vor Roger, der müde zu ihr hinaufblickte, stellte die Teller auf den kleinen Beistelltisch und nahm ihrem Ehemann gegenüber Platz. Dieser sah sie noch immer mit leeren Augen an, während Ruby einen Schluck von dem guten Rotwein nahm. Der rote Saft lief über ihre Zunge, erwärmte ihren Geist und hinterließ ein Lächeln auf ihren Lippen: „Weißt du Roger, dass du nicht halb so attraktiv aussiehst, wie du immer denkst?"

Roger sah sie missbilligend an und atmete tief ein. Wenn Blicke töten könnten, wäre Ruby wohl sofort umgefallen. Doch er war nicht in der Position, ihr weh zu tun. Sie strich über die Delle des kleinen Beistelltischchens, an dem sie sich einst den Kopf angeschlagen hatte, als er sie wieder einmal windelweich geprügelt hatte, weil sein Hemd nicht gebügelt, oder das Essen nicht salzig genug gewesen war. Es war nur eines der vielen Ausbrüche von körperlicher Gewalt ihres Mannes gewesen.

Doch die psychische Gewalt, der sie in den letzten Jahren ausgesetzt gewesen war, war weitaus schlimmer. Doch jetzt lächelte Ruby nur müde darüber. Sie hatte diesen Mann einst wirklich geliebt und sich eine strahlende Zukunft mit ihm ausgemalt. Doch schon kurze Zeit nach der Hochzeit, hatte er das erste Mal die Hand gegen sie erhoben. Seine Mutter war dabei am Esstisch gesessen und hatte böse grinsend das Schauspiel beobachtet. Sie hatte ihn zu dem Schläger gemacht, der er heute war.

Doch Ruby hatte sich an ihr gerächt. Als das Arsen durch ihren Körper floss, war sie diejenige gewesen, die gelächelt hatte und mitangesehen hatte, wie sie krampfend von ihrem Stuhl fiel und an ihrem eigenen Erbrochenen erstickte. Die alte Dame hatte ihr das Leben zur Hölle gemacht. Ihr Tod war wie eine Erlösung für Ruby gewesen und am Ende war sie es gewesen, die böse grinste.

Vorsichtig verringerte Ruby den Abstand zu ihrem Mann und sah in seine trüben Augen. Nein, schön war er schon lange nicht mehr. Sein schütteres Haar hing ihm fettig über die Stirn, während sein Bierbauch nur von dem schmuddeligen Unterhemd verdeckt war. Dennoch hatte er es geschafft, die junge Maddie aus dem Versand zu vögeln. Das Mädchen war dumm und hatte gedacht, sie würde damit davon kommen.

Mit ihren dünnen Fingern zog sie Roger den Knebel aus dem Mund, der sogleich zu husten begann und dann ächzend ausstieß: „Was soll der Scheiß, Ruby?"

„Na, na, na. Was sind das denn für schmutzige Worte aus deinem Mund?" Ruby lächelte und nahm eines der Teller zur Hand. Der Braten roch köstlich und Ruby freute sich schon darauf. Sie nahm einen großen Bissen und stöhnte regelrecht, beim Geschmack des zarten Fleisches. Seit Roger ihr die hinteren Backenzähne ausgeschlagen hatte, hatte sie Mühe, überhaupt Fleisch zu genießen, doch das Stück zerfiel regelrecht in ihrem Mund.

„Willst du auch mal probieren?", fragte sie ihren Ehemann und hielt ihm eine Gabel mit dem köstlichen Fleisch vor die Nase.

„Ich will, dass du mich verdammt nochmal losmachst!", keifte er sie an und rüttelte an seinen Fesseln, mit denen Ruby ihn an dem Ohrensessel festgemacht hatte.

„Halt die Schnauze, du launischer Idiot. Hier iss!", befahl Ruby und stopfte ihm das Stück Braten in den Mund.

Doch statt zu kauen, spuckte Roger das Stück im hohen Bogen aus. Es landete auf Rubys neuem Kleid und hinterließ einen großen fettigen Fleck. Schockiert sah sie auf und blickte in das spöttische Gesicht ihres Mannes, der sagte: „Du kleine Schlampe, konntest noch nie kochen. Du bist zu nichts nutze."

Ruby legte den Kopf schief, betrachtete den Mann ihr gegenüber und noch, bevor dieser reagieren konnte, ließ sie die Gabel mit äußerster Brutalität in seinem Schenkel versinken. Die spitzen Zinken bohrten sich in das Fleisch des Mannes, der vor Schmerz aufheulte und den Kopf nach hinten riss. Sie hatte ihn eiskalt erwischt, doch nun wusste er wenigstens, dass sie nicht scherzte.

 Sie hatte ihn eiskalt erwischt, doch nun wusste er wenigstens, dass sie nicht scherzte

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