2.Advent

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Ich sehe ihm dabei zu, wie er an sich selbst herunter sieht und auch seine schmutzigen Hände betrachtet. "Naja, ich hab eben ein Auto repariert." erklärt er und ich zucke mit den Schultern. "Aha." erwidere ich nur und er verzieht das Gesicht. "Brauchst du nun Hilfe oder nicht?" fragt er dann und ich sehe zwischen ihm und dem Gepäck hin und her.

"Sorry, aber ich steh nicht so auf Öl auf meinem Koffer." antworte ich und greife selbst danach. "Ist nur etwas Schmiere." murmelt er aber ich gehe nicht darauf ein. "Grüß deine Schwester von mir. Vielleicht sehe ich sie ja während ich hier bin." sage ich dann und er schüttelt den Kopf. "Izzy ist nicht mehr in Mooresville. Sie lebt in Los Angeles." erwidert er und ich nicke. "Verstehe. Noch eine, die es hier herausgeschafft hat in die große Welt." sage ich spitz und er zieht die Augenbrauen hoch. "Hey, ich lebe gerne hier." motzt er und ich muss lachen. "Ja, klar. Sowas dachte ich mir schon." grinse ich und lasse ihn stehen, um endlich das Gepäck reinzutragen. "Das mit deinem Onkel tut mir sehr leid. Er war ein guter Mann." ruft er noch aber ich ignoriere ihn.

"War das der kleine Alec?" fragt mich meine Mutter, die neugierig durch das Fenster gesehen hat und wieder muss ich lachen. "Klein? Er ist mindestens einen Meter neunzig groß." antworte ich und stelle unsere Taschen in der Vorhalle ab. "Kann sein. Er sieht gut aus." murmelt sie abwesend und ich nicke. "Er ist dreckig." sage ich und sie sieht mich mit großen Augen an. "Dreckig, ja. Magnus, wo willst du übernachten? Bei Marty in der Wohnung oder willst du lieber eines der Hotelzimmer?" fragt sie dann und ich denke keine Sekunde darüber nach. "Ich nehme eines der Zimmer, wenn es dir Recht ist."

Nach einer sehr unruhigen Nacht, in der ich hätte weinen können, weil hier das Internet scheinbar nicht vorhanden ist, schlurfe ich die Treppen hinunter, in der Hoffnung einen Kaffee bei Mrs. Herondale zu bekommen. "Magnus, hast du gut geschlafen?" begrüßt sie mich in der Küche und ich zucke mit den Schultern. "Geht so. Sagen Sie, gibt es hier keine vernünftige Internetleitung?" brumme ich und sie lächelt. "Sag doch bitte endlich Celine zu mir. Mrs. Herondale klingt so förmlich und ich habe dir als Baby die Windeln gewechselt." lacht sie und ich muss mich zusammenreißen nicht mit den Augen zu rollen.

"Okay, Celine. Was ist jetzt mit dem Internet?" frage ich erneut. "Naja, hier draußen bei uns funktionieren die Leitungen nicht so gut. Manchmal muss man ein paar Schritte die Straße hochgehen. Brauchst du denn so dringend Internet?" antwortet sie und ich öffne den Mund, um etwas zu erwidern. "Oh, Magnus arbeitet permanent und ohne Internet ist er vollkommen aufgeschmissen." ertönt da die müde Stimme meiner Mutter und ich drehe mich zu ihr. Sie ist ganz in schwarz gekleidet und ihre Augen sind gerötet. Leise seufze ich auf und gehe zu ihr, um sie schnell zu umarmen. "Du siehst nicht aus, als hättest du viel geschlafen, Mum." sage ich leise und sie nickt. "Ich habe die alten Fotos durchgesehen. So viele Erinnerungen." Eine Träne läuft ihr über die Wange und hilflos sehe ich zu Celine herüber, die sofort zu uns eilt und einen Arm um die Schultern ihrer Freundin legt.

"Meine Liebe, jetzt trinkst du erstmal einen starken Kaffee und ich mache euch beiden ein kleines Frühstück. Nachher gehen wir gemeinsam zur Beerdigung, okay?" sagt sie sanft und meine Mutter nickt schwach. "Klingt prima. Übrigens Magnus, nach der Beisetzung findet direkt im Anschluß die Testamentseröffnung statt." Ich reisse die Augen auf. "Muss ich dabei sein?" murre ich und fange mir einen ersten Blick von Celine ein. "Ja, musst du." erwidert meine Mutter fest und ich ergebe mich meinem Schicksal.

Ich hasse Beerdigungen und gefühlt ist die ganze Stadt anwesend. Der Pfarrer spricht ein paar leere Worte und dann lasse ich noch die Reden einiger enger Freunde über mich ergehen. Die Hand meiner Mutter halte ich die ganze Zeit fest und immer wieder reiche ich ihr ein Taschentuch, dass sie dankend annimmt.
Ich bin mehr als dankbar, als es vorbei ist und ich mich nur innerlich von meinem Onkel verabschieden konnte. Große Reden liegen mir nicht und schon mal gar nicht, vor lauter Menschen, die ich kaum kenne. Zig Hände muss ich schütteln, ich nehme geduldig Beileidsbekundungen an, lächel verkrampft und mir wird gefühlte hundert Mal auf die Schulter geklopft. Im Gegensatz zu meiner Mutter, begnüge ich mich damit knappe Worte zu antworten und bin mehr als froh, als wir wieder Richtung Hotel gehen.

"Geht es, Mum?" frage ich meine Mutter, die sich bei Celine untergeharkt hat und betrachte sie besorgt. "Ja. Es hat geholfen, all die lieben Worte über Marty zu hören. Er war ein großartiger Mensch und die Leute hier haben ihn geliebt. Das macht es etwas besser, dass ich so lange nicht mehr hier war." schnieft sie leise und ich nehme es schweigend hin.
Dann fällt es mir ein und ich richte erneut das Wort an die beiden Frauen. "Hattet ihr nicht gesagt, dass die Testamentseröffnung stattfindet?" frage ich und meine Mutter nickt. "Es findet im Hotel satt." murmelt sie und ich ziehe die Augenbrauen hoch. "Im Hotel." wiederhole ich und meine Mutter bleibt stehen. "Ja Magnus. Im Hotel. Es war der Mittelpunkt seines Lebens und er hat verfügt, dass es dort stattfinden soll. Nimm es so hin." motzt sie los und ich zucke zusammen. "Entschuldige." murmel ich aber sie schweigt.

Als wir zurück sind, gehen wir gemeinsam in den großen Speisesaal und ich bleibe wie angewurzelt stehen. "Was machst du denn hier?" frage ich den dreckigen Alec, der allerdings gerade nicht dreckig ist, sondern in einem schwarzen Anzug und Krawatte auf einem der Stühle sitzt. Als er uns entdeckt, springt er auf und geht auf meine Mutter zu. Er ergreift ihre Hand und schüttelt sie. "Mrs. Bane, Ihr Verlust tut mir so unendlich leid. Marty war ein so toller Mensch und er fehlt uns allen sehr." begrüßt er sie und meine Mutter sieht ihn an. "Danke Alec. Das ist sehr lieb von dir." Sie sehen sich einen Moment an und schließlich räuspert Alec sich lautstark.

"Sollen wir dann anfangen?" murmelt er nervös und ich hebe die Hand. "Anfangen womit und was hat das alles mit dir zu tun?" frage ich aufgebracht und starre ihn an. "Magnus, was soll denn das? Alec verliest Das Testament. Er ist Anwalt." sagt meine Mutter und ihr Ton duldet keinen Widerspruch, also belasse ich es dabei und setzte mich.

Eine halbe Stunde später stürme ich wütend auf die Straße und versuche mich zu beruhigen. "Magnus?" Als ich mich umdrehe, sehe ich Alec und rolle mit den Augen. "Ich hoffe, du bist hier um mir zu sagen, das alles ist ein Irrtum." knurre ich und seufze theatralisch auf, als er den Kopf schüttelt. "Was zum Teufel hat er sich dabei gedacht?" frage ich verzweifelt und Alec lächelt. "Er wird sich bestimmt etwas  dabei gedacht haben, dass Hotel an dich zu vererben. Marty war kein Mann, der voreilig Dinge entschieden hat, also wird auch das seinen Grund haben." antwortet er ruhig und ich funkel ihn an.

"Was soll ich denn damit? Ich gehöre nicht hierher. Mein Leben findet nunmal in New York statt und nicht in dieser Kleinstadt." knurre ich und Alec zuckt mit den Schultern. "So schlimm ist es hier nicht und als du klein warst, warst du immer gerne hier, oder nicht?" Genervt sehe ich ihn an. "Das ist über zwanzig Jahre her, Alexander. Damals war ich klein und wusste nichts von der Welt da draußen. Ich bin Broker und kein Hotelier. Mein Leben findet an der Börse statt, ich handel mit Aktien und muss mir keine Sorgen machen, ob ich ausgebucht bin oder was Celine meinen Gästen als Frühstück anbietet." schreie ich los aber zu meinem Erstaunen bleibt Alec ganz ruhig.

"Darüber müsstest du dir nie Sorgen machen. Ausgebucht ist das Hotel immer und Celine ist die beste Köchin in der Stadt. Außerdem steht Weihnachten vor der Tür und alle Zimmer sind belegt. Die Leute lieben es an den Feiertagen hier zu sein. Es ist der Zauber von Weihnachten, Magnus. Erinnerst du dich nicht mehr daran?"

Fassungslos sehe ich ihn an. "Zauber von Weihnachten? Drehst du jetzt durch oder was? So etwas gibt es nicht." behaupte ich und er grinst. "Schrei nicht so laut. Denk an die Geister." Ich bin davon überzeugt Alec Lightwood hat komplett seinen Verstand verloren und ich tippe mir an die Stirn. "Hier spinnen doch alle. Ich verkaufe das Hotel und dann bin ich wieder weg." werfe ich ihm an den Kopf und gehe zurück ins Hotel.

Snowing InnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt