Tag 3

30 11 4
                                    

Der Schützengraben ist überfüllt. Überfüllt mit Leichen, Männern, Frauen und Kindern. Jeden Tag kommen neue dazu und jeden Tag fragt er sich erneut, was genau sein Feind eigentlich erreichen will. Ihm Angst machen? Ihn brechen? Vielleicht behauptet er, niemand hätte eine Chance, vielleicht wollen seine Kumpanen, diese grauen Mauern an jeder Seite des Raumes, ihn nur entmutigen, indem sie ihn jeden scheißverdammten Tag hier verspotten, doch dann lacht er zurück. Und es ist egal, egal wie oft er noch gegen die Wände treten und schlagen muss, egal wie lange er noch schreien wird, egal wie oft er es noch wagt durch das Loch in dem großen grauen Ungeheuer zu schauen und egal wie weit ihn das Dämmerungsgrau dahinter noch bekommt, er verlässt sein Nest nicht. Auch nicht wenn andere Vögel kommen. Er wirft lediglich Stöcker nach ihnen, oder schreit selten sogar ein schallendes Lied, wenn er jetzt durch das Loch zwischen den Ästen blickt:

"Naaa, Annisha ? Ist dein Leben endlich wieder kompliziert geworden? HAHAHAHA! "

"Anisha. Mein Name wurde schon genug verstümmelt. Du musst es nicht auch noch tun, Jardy."

"Ooh... Anisha wird fuchtig, da kriegt man ja richtig Angst! Pass lieber auf, dass du dir nicht noch andere Dinge verstümmelst, Mädelchen. Denn wenn du das Verstümmelung nennst, kann ich davon ausgehen, dass du noch nie zuvor in den Dreck gefallen bist."

"Das kannst du nicht wissen."

"Stimmt. Das weiß ja immerhin nur der Dreck. Nicht wahr?"

"Genau. Nur der Dreck..."

"Aaah, ich erinnere mich der versuchte Tümpel war ja auch nur noch ein paar Schritte weiter..."

"Ein paar Schritte weiter steht ein Tisch. Ohne Blumen."

"Hahahaha... Blumen? Wozu brauchst du denn Blumen, Blumenmädchen? Mach dir bloß nicht unnötig Hoffnung! HAHAHA! Was dachtest du denn Mädchen? Dass deine Entführer dich auf eine wunderschöne Blumenwiese legen, auf der du wie eine Prinzessin gebettet seelenruhig dein Leben lang träumen kannst!? Unser Spiel ist noch lange nicht beendet. Ich verschwende Zeit, mit dir Prinzesschen und deinem schief sitzenden jämmerlichen Krönchen, was du jeden Tag auf's neue zu richten versuchst, jedoch auch jeden Abend kurz davor ist deinen Kopf gänzlich zu verlassen. Dieses kleine Krönchen der Hoffnung, welches von Tag zu Tag immer mehr an Wert verliert... Dein Feind spielt gegen dich, meine Liebe. Und inzwischen solltest du wissen, Prinzesschen, Mädelchen, Blumenmädchen oder sollte ich eher Annisha  zu dir sagen, dass ich in diesem Spiel nicht mit dir spiele. Hehehe... "

"Oh glaub mir, ich brauche dich auch gar nicht. Auf so ein arogantes Arschloch wie dich kann ich verzichten. Aber du kommst sicher nicht allein durch. Du kannst dieses Spiel, wie du es nennst, nicht allein spielen. Ich habe die Hoffnung und Hoffnung ist ein Mensch, der dir viel bedeutet, den du immer im Herzen trägst. Der einzige, der dir etwas bedeutest, bist du. Du bist allein. Du hast schon längst verloren, Jardy, König der Einsamkeit. Du bist tot."

"Schön, dass du es verstanden hast. Ich denke, so langsam verstehen wir uns, Annisha."

"Nein. Ich werde leben."

"HAHAHAHA... Dann ist es ja ein Glück, dass ich schon tot bin. Oder nicht?"

"Du sagst, du willst kämpfen, aber anstatt das zu tun, verspottest du mich die ganze Zeit."

"Mrpff... Ich setze meine Spielfiguren nicht gegen dich. Es wäre nackte Zeitverschwendung gegen dich zu kämpfen. Du bist jediglich mein... Übungsbrett."

"Wenn du schon nur bei der Übung so schlecht ablieferst..."

"Oooh, hohooo.... Das kleine Blumenprinzesschen wirft mit ihrer lächerlichen Hoffnungskrone... HAHAHAHA!"

"Jardy. Du kannst es nicht sehen, aber ich schüttel gerade den Kopf. Du bist wirklich komisch."

"Hahahaha! Annisha. 'Du kannst es vielleicht nicht sehen' , aber ich pisse gerade gegen deine beschissenen Wände...HAHAHAHA!"

"Das sind nicht meine Wände."

"Korrekt, Kleine. Es sind die deiner Feinde. Ich dachte, du hättest Hoffnung, hm? Ich dachte du hättest einen Plan? Warum kehrst du ihnen dann den Rücken zu und lässt dich in den Arsch treten?! Warum lässt du dir deine Zweige vor dem Schnabel wegschnappen, wo du sie doch noch nach ihnen hättest schmeißen können? Warum baust du ein Nest, Annisha, aber verschaffst dir trotzdem keine Ruhe vor dem Sturm?! Hmprf... Und warum sollte ich Hoffnung haben, Mädelchen, wenn ich doch am Ende sowieso wieder in der Hölle betteln muss?"

"Ich könnte die Zweige nach ihnen werfen. Aber das würde sie nicht besiegen. Ich wäre ihnen dann schutzlos ausgeliefert. Es bräuchte schon einen ganzen Baum, um sie zu bezwingen, Jardy. Und allein schaffe ich das nicht."

"SCHUTZLOS AUSGELIEFERT!? ICH BIN NIEMANDEM SCHUTZLOS AUSGELIEFERT!!! Was willst du?! Wozu brauchst du einen Baum, wenn du doch Flügel hast? Dich verstecken, aufgeben, sich ihnen auf die Streckbank werfen!? Und wozu willst du deine Flügel benutzen, deinen Schnabel?! 'Zwitscher, Zwitscher' wo ist das Vögelchen? HAHAHAHA! Ein blutiger Adler verteidigt sein heimisches Nest. Ich zu meinem Teil werde ihnen ihre eigenen gebrechlichen Schwingen brechen und sie hilflos auf den unbrechbaren Steinen zermatschen lassen. Ich zermalme ihr krüppeliges Nest, häute und zerfleische ihre fiependen Jungen, bevor ich sie... Mmhmmm... Vielleicht auch bei lebendigem Leibe einfach verschlingen werde. Und ihre hilflosen Kumpanen... Ihre Behilfigen zerquetsche ich an diesen elenden Mauern, an deiner Barriere, die dein einziger Schutz, deine einzige Verteidigung ist. Werde dich diese mit ihnen blutverschmierte Hoffnung mit so großen Freuden spüren lassen.

Du armes kleines Prinzesschen schaffst das alles nicht, alleine? Dann zerstöre es, unser langweiliges Spiel, unser reichlich beschmücktes Übungsbrett. Zeig es, tapfere Anisha, zeig deine kleinen Beißerchen. Gib auf und schau, wie lang sie dir noch gerade gewachsen sind."

"Du bist verrückt, Jardy."

Bernsteingrau -- PAUSIERTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt