𝐎𝐇, 𝐒𝐇𝐄 𝐂𝐀𝐍 𝐓𝐀𝐋𝐊

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01.09.1977

DER 1. SEPTEMBER WAR EIN SONNIGER FREITAG. Hunderte Menschen drängelten sich durch die große, aufgeheizte Bahnhofshalle.

Dabei schien keiner der normalen Pendler die mehr als merkwürdig aussehenden Gestalten in ebenso merkwürdig aussehenden Roben zu bemerken.

Als Claire am Gleis 9 ¾ ankam, hämmerte ihr Herz gegen ihre Brust. Sie umklammerte ihren Koffer mit beiden Händen und biss sich auf die Unterlippe.

Der Bahnsteig platzte aus allen Nähten. Überall rannten Kinder umher,  umarmten sich und sprachen über ihre Sommerferien.  Ab und an sah sie einige Schulkameraden auf sie zukommen, welche sie fröhlich grüßten.

Neben Claire stand ihr Bruder Raphael, die schwarzen Haare lässig nach hinten gekämmt und die Hände in den Taschen. Er hatte den gesamten Morgen nicht mit ihr gesprochen.

Er hatte den restlichen Sommer kaum mit ihr gesprochen.

Chloe Leblanc umarmte ihre Kinder und drückte ihnen, wenn auch widerwillig, einen Kuss auf die Wange. Es war eine Geste, die Verwunderung in Claire hervorrief.

Obgleich sie wusste, dass es nur dem Zweck diente, das Ansehen als glückliche Familie aufrechtzuerhalten.

Das schwere Parfum ihrer Mutter stach in ihrer Nase und erinnerte sie an den Nachmittag ihres Geburtstages. Der Tag, an dem die Lestranges aufgetaucht und ihr Leben durcheinander gebracht hatten.

Und sie hasste sie mit jeder Faser ihres Seins.

„Ich erwarte Höchstleistungen, mes bébés.", sagte Mrs Leblanc und schenkte ihren Kindern ein mattes Lächeln. Auch, wenn sich Claire sicher war, dass es nur ihrem Bruder galt.

„Enttäuscht euren Vater nicht.", fügte die Brünette hinzu.

Claire nickte schwach, verabschiedete sich von ihrer Mutter und nahm ihren hochpolierten Koffer.

Sie sah viele andere Kinder in ihrem Alter und älter, die mit ihren Familien am Gleis standen und weinten, als sie von ihren beschützenden Müttern umarmt und geküsst wurden.

Claire ignorierte das Stechen in ihrer Brust, als sie daran dachte, dass ihre Mutter sie nie so umarmt hatte.

Schließlich machte sie sich auf den Weg zum Gepäckabteil und passierte die einzelnen Waggons des Hogwarts-Expresses.

Der Zug selbst war riesig, prächtig und altmodisch. Sie mochte den Dampf und den Geruch von Ruß, den die Lok durch die Bahnhofshalle wabern ließ.

Sie atmete ein und genoss die Dinge, die sie an ihr zweites Zuhause erinnerten. Ihr Elternhaus war in den letzten Sommerwochen ein furchtbar trister und stiller Ort geworden.

Und so begrüßte Claire den Lärm, der sie in eine andere, bessere Welt entführte und ihre dunklen Gedanken vertrieb.

Am Gepäckabteil traf sie auf Isabella, welche ihr quiekend um den Hals fiel und sie mit Begrüßungen nur so überhäufte.

Claire hatte den Eindruck, dass ihre Freundin über die Sommerferien deutlich größer und brauner geworden war. Ihre Haut schimmerte golden, als sie ihre Arme zurückzog und Claire musterte.

„Wenn das nicht meine Lieblings-Claire ist!", rief sie und hievte ihren schweren Koffer ins bereits gefüllte Gepäckabteil.

Claire tat es ihr gleich und half ihr, den Koffer die Treppenstufen hinaufzutragen. Anschließend eilten sie zu den Waggons und verschwanden im Inneren des Zugs.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 17, 2022 ⏰

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𝐌𝐈𝐒𝐂𝐇𝐈𝐄𝐅 𝐌𝐀𝐍𝐀𝐆𝐄𝐃 | Rumtreiber Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt