Schlechtes Wetter und seine Folgen

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Hier das erste Kapitel einer Geschichte, die mir letzte Woche so in den Sinn kam. Warum sollte nicht auch der Held von Nebenan Angst vor etwas haben bzw. ein bisschen menschlich sein? Das kam dabei raus. Ich hoffe es gefällt und ihr habt Freude beim Lesen. Ich hoffe ich komme schnell mit Updates hinterher. Bis dahin, bleibt gesund!

"Norman Price, Sarah und James Jones stecken oberhalb des Bachbettes im Schlamm fest und können sich nicht mehr selbst befreien", erklang Steeles Stimme über den Lautsprecher und sofort sprangen alle auf und sammelten sich in der Fahrzeughalle.

"Ellie, Arnold, ihr fahrt in Venus. Penny, Elvis ihr kommt mit mir in Hydrus", wies ich alle an.

"Was ist mit Phönix, Sam?", wandte Penny ein, während wir uns die Bergrettungsuniformen anzogen.

"Es hat seit Tagen geregnet und die Wiesen sind alle aufgeweicht. Er und Jupiter sind zu schwer für das Gelände. Aber wir brauchen die Packtasche für Eisrettungen."

Wie immer funktionierte das Team reibungslos und wir stiegen schnell in die Fahrzeuge und rückten aus. Besorgt sah ich zum Himmel auf und musterte die dunklen Wolken, die wieder neuen Regen verhießen. Unsere Region war nicht grade die sonnenreichste Gegend der Welt, aber solche Tage lang anhaltende Starkregen waren ebenfalls eher eine Seltenheit. Das letzte Mal hatte ich das vor 20 Jahren erlebt.

"Sam, ist alles in Ordnung?", fragte Penny nun, die hinter mir saß und mir eine Hand auf die Schulter legte.

"Ja, klar, warum?"

"Du bist grade etwas...ruckelig gefahren Sam", wandte nun Elvis schräg hinter mir ein, der sich krampfhaft am Fahrzeugrahmen abstützte und ich musste unwillkürlich lächeln. So konnte nur er meinen Aussetzer verpacken.

Ich konzentrierte mich wieder aufs Fahren und suchte meinen Weg querfeldein, während ich allzu bewusst und wehmütig wahrnahm, wie Penny ihre Hand wieder wegzog. Ich mochte es, sie um mich zu haben und wenn ich eine Berührung von ihr geschenkt bekam, sei sie noch so unbewusst, gab es mir ein gewisses Maß an innerer Zufriedenheit. Ich liebte sie, doch ich konnte nicht erahnen, ob sie über unsere gute Freundschaft hinaus auch mehr für mich empfand. So schwieg ich über meine Gefühle, zum Teil weil ich Angst hatte, dass ich unsere Freundschaft und Zusammenarbeit damit gefährden könnte, zum anderen weil ich nicht einschätzen konnte, wie Steele zu Beziehungen unter Kollegen stand.

Wir fuhren an der Mühle vorbei, als erneut ein starker Regen einsetzte und ich beorderte Ellie und Arnold dort auf uns zu warten. Die Kinder konnten wir bereits sehen und ich atmete erleichtert auf, dass wir nicht noch weiter hinauf in den Taleinschnitt fahren mussten, ehe wir die letzten Meter im stark angestiegenen Bachbett bewältigten.

Ich stoppte neben James und Penny warf die Packtasche zwischen die Kinder, wo sie sich entfaltete und aufblies - es würde unser Gewicht besser verteilen und uns vor dem einsinken im Schlamm schützen. Ich sprang hinaus und merkte, wie jemand hinter mir meinem Beispiel folgte. Ich zog James aus dem Morast und reichte ihn zu Elvis in Hydrus hoch.

"Setz dich und schnall dich an James", sagte ich nur knapp und er nickte gehorsam. Er war ein guter Junge, ein besserer wie ich damals war. Ich musste, wollte hier weg; so schnell wie möglich.

Ich wandte mich um und sah Penny, die mir mit Sarah am Arm entgegen kam.

"Hey Onkel Sam", erwiderte sie schüchtern - sie erinnerte sich also, dass ich sie gewarnt hatte bei dem Wetter in die Berge zu gehen. Vermutlich hatte Norman sie wieder mitgerissen.

"Hey Sarah", erwiderte ich dennoch aufmunternd lächelnd und sah, wie sie mir erleichtert zu lächelte. Warum war es den Kindern nur immer so wichtig, dass ich nicht böse auf sie war? Das konnte ich doch sowieso nie sein. Vermutlich würde ich nie ein guter Vater sein, was das anging -Konsequent im Job, zu sentimental und nachgiebig im Umgang mit Kindern. "So Norman, jetzt du noch", wandte ich mich nun Norman zu, der erleichtert aufatmete und mir etwas von Treibsand erzählen wollte, in dem er grade versank - Norman hatte eine überschäumende Phantasie, da stellte ich öfter mal mein Gehör auf Durchzug, wie jetzt auch.

Er war größer und schwerer als die Zwillinge und vermutlich hatte er auch mehr herum gezappelt, denn er steckte bis weit über den Knien im Schlamm. Egal, wie sehr ich an ihm zog, der Schlamm gab ihn nicht frei und plötzlich stand Penny neben mir. Sie packte Norman unter einem Arm und ich ihn unter dem anderen. Wir nickten einander zu und zogen an ihm. Wirklich gab der Schlamm mit einem schmatzenden Geräusch nach, das mir die Nackenhaare zu Berge stehen ließ.

Ich packte Norman und reichte ihn ebenfalls zu Elvis hinauf, ehe ich mich Penny zuwandte, um ihr den Vortritt zu lassen. Sie kletterte hinauf und reichte mir lächelnd die Hand, doch als ich sie ergriff, spürte ich ein Beben unter mir und ein lautes Donnern und Dröhnen fuhr mir in Mark und Bein. Ich wandte den Blick hinauf in die Hügel und sah, wie in weiter Ferne ein Hügel seine Form veränderte, wie seine Oberfläche samt Bäumen und Büschen sich ablöste und in die Tiefe stürzte. Ich wusste, ich hatte noch etwas zu tun, aber mir fiel nicht ein, was es war. Mir wurde plötzlich eiskalt und die Brust eng. Alles rückte in die Ferne und Bilder flammten vor meinen inneren Augen hoch - Bilder aus lange zurück liegender Zeit, Bilder die ich eine gefühlte Ewigkeit versucht hatte, tief in meinem Kopf in einer Schublade unter Verschluss zu halten.

Dann hörte ich eine bezaubernde Stimme meinen Namen rufen und sah Penny ins Gesicht. Warum sah sie so verzweifelt aus? Es war doch alles in Ordnung. Es war plötzlich alles so still um uns herum.

Mein Blick folgte wieder dem Verlauf der Senke hinauf, an dessen tiefstem Punkt wir standen und in der Ferne sah ich eine Sturzflut sich ihren Weg bahnen, unbarmherzig und unaufhaltsam - genau auf uns zu.

"Ich komme, Dad", murmelte ich leise, als ich zu Boden gerissen wurde.  

Wenn dich die Angst beherrscht...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt