Schatten der Vergangenheit

411 11 2
                                    

Ich machte die Schublade auf, von der Sam gesprochen hatte, holte einen Schlüssel heraus und probierte ihn in der Tür - er passte. Besorgt schaute ich noch einmal die Treppe hinauf. Nur ungern ließ ich Sam in dem Zustand alleine. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Sam war stets ruhig und beherrscht, er war ein wahrer Fels in der Brandung, stark und unerschütterlich. Er wusste stets, was zu tun war und verlor nie den Kopf, niemals, bis heute. Was war es nur, was ihn so aus der Spur warf und vor allem, wie konnte man ihm helfen, das zu bewältigen?

Ich öffnete die Tür und verharrte, denn Schnuffi saß vor mir, legte den Kopf auf die Seite und winselte einmal leise.

"Na Schnuffi, du merkst wohl auch, dass es Sam grade nicht so gut geht, was?", raunte ich ihm zu, während ich mich hinhockte und ihn streichelte."Tu mir doch einen Gefallen und pass auf ihn auf, bis ich wieder komme, okay?", fragte ich ihn dann und er bellte einmal leise und ging an mir vorbei ins Haus."Guter Junge." Ich lächelte ein wenig beruhigter, als ich die Tür hinter mir zuzog.

"Hey Penny, ich hoffe Sam wird wieder", sagte Ellie nun, als ich die Fahrzeughalle betrat.

"Was er nur hat?", wunderte sich Arnold laut."Ach Penny, du sollst zu Steele ins Büro kommen, wenn du zurück bist", sagte er dann, als er keine Antwort von mir bekam. Was sollte ich auch sagen? Ich wusste ja auch nichts und Spekulationen waren nicht mein Ding.

"Okay, danke Arnold", erwiderte ich also nur und klopfte an Steeles Tür. Nachdem er mich hereingebeten hatte sah ich überrascht, dass Helen noch da war.

"Ah Penny, gut dass du da bist. Wie geht es Sam?"

"Nicht anders wie eben. Er ist erschöpft und ruht sich jetzt aus. Ich denke, es wird ihm morgen sicher wieder besser gehen", erwiderte ich und Helen schaute mich skeptisch an.

"Weißt du, wie Sams Vater ums Leben kam?", fragte sie mich dann.

"Nein, nur dass er früh gestorben ist, als Sam noch ein Kind war. Sollte ich es wissen?"

"Er wurde von einer Sturzflut mitgerissen", offenbarte mir Steele nun und ich verstand Sam ein wenig besser. Ich ahnte bereits, dass die Flut heute ein Trauma wachgerufen haben musste. Das war wirklich furchtbar."Wir haben ihn erst am nächsten Tag gefunden. Er trieb leblos im offenen Meer und sein Körper war übel zugerichtet. Das, was du heute für Sam getan hast, war sehr umsichtig und heldenhaft, Penny. Dafür werde ich dich für den höchsten Orden vorschlagen."

"Danke Sir, aber das ist nicht nötig. Mir ist es Dank genug zu wissen, dass mein Kollege noch lebt", erwiderte ich kleinlaut. Sie könnten mich mit tausend Orden überschütten, sie würden alle am Dachboden in einer Kiste verschwinden, genau wie die, die ich bereits hatte. Es ging mir heute einzig und allein um Sam, wie es mir immer nur um ihn ging."Ist es wirklich möglich, dass der Tod des Vaters einen so aus der Bahn werfen kann, dass man noch Jahrzehnte später solche Folgen davonträgt?", wandte ich mich nun an Helen.

"Bei Sam handelt es sich um eine akute Belastungsreaktion. Meist tritt sie auf, wenn man mit einer Situation konfrontiert wird, die einen zuvor schon traumatisiert hat. Durch den Anblick der Sturzflut heute ist seine Psyche kurzfristig vollkommen zusammengebrochen und hat ihn Handlungsunfähig gemacht."

"Woher wusste er, dass sein Vater einer Sturzflut zum Opfer fiel, wenn er auf hoher See gefunden wurde?"

"Er war damals dabei", sagte Steele nun und ich schluckte. Das musste furchtbar für Sam gewesen sein."Sein Vater hat ihm geholfen auf einen Vorsprung zu klettern, hatte ihm aber selbst nicht schnell genug folgen können."

"Er musste das alles hilflos mit ansehen?", erwiderte ich geschockt und kämpfte Tränen nieder, die sich bei dem Gedanken an Sam, wie er als kleiner Junge so etwas erleben hatte müssen, Bahn brechen wollten, als Steele nickte.

Wenn dich die Angst beherrscht...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt