Blick nach vorne

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Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es bereits nach zehn und ich fühlte mich besser wie nie zuvor. Meine Nacht war traumlos und erholsam gewesen und das hatte ich nur Penny zu verdanken. Schon während ich mir in der letzten Nacht alles von der Seele geredet hatte, war eine Last von mir abgefallen, die ich seit 20 Jahren mit mir herumgetragen hatte. Zu spüren, dass Penny mich für das, was passiert war, auch nicht hasste, hatte mich innerlich aufjubeln und in Freudentränen ausbrechen lassen, die sie sicher nicht zu deuten gewusst hatte. Ich begann mit der Vergangenheit meinen Frieden zu machen und das einzig und allein wegen ihr.

Außerdem wusste ich nun, dass ich sie schon viel länger liebte. Dass ich in ihr unbewusst, das kleine Mädchen wieder erkannt hatte, dass damals bereits mein Herz berührt hatte, noch ehe ich wusste, welchen Qualen sie ausgesetzt war. Vielleicht war es Schicksal und wir gehörten einfach zusammen? Ein schöner Gedanke und ich hoffte von Herzen, dass es wahr sei, während ich Penny im Arm hielt und ihr Duft und ihre Wärme mich umfingen.

Sie war in der letzten Nacht neben mir eingeschlafen und ich hatte sie vorsichtig hingelegt und zugedeckt, ehe ich mich neben sie gelegt und sie im Schein des Mondes, der durchs Fenster schien, beobachtet hatte. Auf ihrer linken Schläfe zeichnete sich eine Narbe ab, die sicher von den Schlägen ihres Vaters herrühren musste, von denen sie mir erzählt hatte. Was ihm widerfahren war, war noch zu wenig gewesen und dass Penny ihm vergeben hatte, hatte er nicht verdient, dennoch sprach es für Penny. Sie war ein makelloser und wundervoller Mensch - sie war nur mit einem Engel vergleichbar, sonst wurde ihr nichts gerecht.

Vorsichtig hatte ich ihr einen Kuss auf die Schläfe gegeben."Ich liebe dich Penny", war es mir dann leise heraus gerutscht und mir rutschte das Herz in die Hose, als sie sich zu mir umgewandt und sich an mich gekuschelt hatte.

"Ich dich auch, Sam", hatte sie leise gemurmelt und ich verharrte nur still, wartete ab. Aber ihre Atemzüge waren ruhig und gleichmäßig und ihre Augen geschlossen geblieben. Ein Grinsen war auf mein Gesicht getreten, als ich einen Arm um sie gelegt und mich an sie gekuschelt hatte. Nun würde alles noch wirklich gut werden, dachte ich noch, ehe auch ich schnell eingeschlafen war.

Genau so erwachten wir an diesem Morgen und ich wollte am liebsten mit ihr so liegen bleiben bis in alle Ewigkeit. Doch ein natürliches Bedürfnis forderte seinen Tribut und ich konnte es nicht mehr hinaus zögern. Leise und vorsichtig stahl ich mich aus dem Bett und ging ins Bad, ehe ich Schnuffi in den Garten ließ und in den Kühlschrank schaute, was der mir noch darbot. Es war nicht mehr viel, aber für ein kleines Frühstück würde es noch reichen und ich beschloss Penny damit zu überraschen. Sicher würde sie bald aufwachen. Penny war eine Powerfrau und immer früh auf den Beinen. Dass sie nun so lange schlief, sprach dafür, wie sehr sie der gestrige Tag erschöpft hatte...vor allem meine Rettung musste anstrengend für sie gewesen sein, von dem emotionalen Stress ganz zu schweigen, wenn man sich wissentlich einer Sturzflut entgegenstellte.

Wehmut kam wieder in mir hoch. Ich hatte sie im Stich gelassen und in Gefahr gebracht. Ich kannte Penny gut genug und wusste, dass sie mir nicht böse war deswegen. Doch ich war es auf mich selbst. Normans Video hatte mich bis ins Mark erschüttert. Nicht genug, dass ich so den Kopf verloren hatte, ich hatte mich ihr willentlich hingegeben, ohne Rücksicht auf die Menschen um mich herum, die sich auf mich verlassen hatten. Meine Kollegen hatten mal wieder bewiesen, dass die Menschen von Pontypandy sich auch auf sie verlassen konnten, dass ich nicht der einzige Held war, den sie hatten und dennoch...statt mich zurück zu lassen, hatte Penny ihr eigenes Leben riskiert, um mich zu retten und das machte mir die meiste Angst. Konnte ich sie diesem Risiko noch weiter aussetzen? Ich war auch nur ein Mensch, mir konnten jederzeit Fehler passieren, auch so gravierende wie gestern. Würde ich Penny einmal verlieren, weil sie mich retten musste? Vor allem: konnte ich sie wirklich guten Gewissens bitten, sich auf mich einzulassen, vielleicht eine Familie mit mir zu gründen, wenn ich so unzuverlässig war? Ich war doch sowieso viel zu oft zu voreilig und wagte Dinge, die weit ab der Dienstvorschriften waren, um Menschen ein wenig schneller retten zu können. Ich wäre kein guter Mann.

Wenn dich die Angst beherrscht...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt