In meiner „Bubble" also Meinungsblase ist vor allem ein Video vor ein paar Jahren viral gegangen. Dabei steht das Schulsystem vor (einem amerikanischen) Gericht. Es wird angeklagt, starrsinnig zu sein und sich in den letzten hundert Jahren kaum verändert zu haben.
Man kann einiges an diesen Aussagen kritisch betrachten, aber ich finde die Kernaussage ist im groben richtig. Eine Gesellschaft ist ständig im Wandel. Die Wirtschaft ist ständig im Wandel. Nur irgendwie funktioniert das mit dem Schulsystem nicht wirklich.
Wenn man sagt, ein Schulsystem muss verändert werden, weiß man gar nicht wo man anfangen soll.
Wir haben einen riesigen Lehrplan. Im Laufe meiner Schulzeit habe ich festgestellt, dass der Lehrplan eigentlich nicht das Problem ist. Werden die Klassen kleiner und kommen auf weniger Schüler mehr Lehrer, lässt sich ein solcher Lehrplan absolut entspannt erfüllen.
Deswegen wäre meine erste Idee: Kleinere Klassen. Ich weiß, dass ist ein finanzieller Aufwand. Und ich habe kleine Lerngruppen auch insofern nicht gemocht, dass ich nicht einfach abtauchen konnte. Aber im Prinzip ist es meiner Meinung nach das Beste, was man einem Schüler antun kann. Es fördert echte Teamfähigkeit, eine Kompetenz die zwar sehr oft verlangt aber eher selten gelehrt wird. Die eingesparte Zeit, sämtliche Übungsrunden sind sehr viel kürzer, kann wiederum anders eingesetzt werden, um etwa Lerninhalte zu vertiefen, Fragen zu klären oder sich mehr auf die Praxis zu beziehen. Bisher kann ich meistens nämlich nur mit Stolz verkünden: Ich weiß theoretisch wie das geht!
Ein Interdisziplinärer Unterricht. Ganz ehrlich, wie oft wird sich darüber aufgeregt, dass Menschen Dinge nicht im Kontext sehen, nur eine Sichtweise darauf haben etc. Ja, woher auch?
Gerade die sprachlich künstlerischen Fächer bilden so viel Potential in den Zusammenhang gesetzt zu werden. Und mein Gehirn zumindest lernt viel, wenn es besonders viel Kontext und Zusammenhänge hat. Und es wird ja teilweise schon so gemacht, zumindest in meinen Fächern. In Geschichte analysiere ich eine Rede und ein Bild, in Deutsch ist es ein Bild und ein Gedicht. Jetzt müsste es nur noch zusammengesetzt werden.
Auch die naturwissenschaftlichen Fächer werden meiner Meinung nach viel zu früh getrennt. Dabei gehen sie Hand in Hand und das eine kann ohne das andere nicht existieren. Vor allem hat das Wiederholungspotential. Nehmen wir beispielsweise den Schweredruck. Physik und Biologie. Und wo Biologie ist, ist auch meistens Chemie nicht weit.
Und zu guter Letzt: Die Fächer überdenken. Gut, ich habe an dem Tag in Geschichte nicht sonderlich aufgepasst, aber sollte es nicht irgendwie Ziel sein, Religion und Staat voneinander zu trennen? Natürlich, Religionen vermitteln ethische Werte, keine Frage. Aber wäre das nicht ein Wahlfach wert? Und die ethischen Werte die man unbedingt vermitteln möchte, ein Pflichtunterricht in Ethik? Denn es sollte jedem Menschen klar sein, dass man sich auch unabhängig von dem was einem ein (oder mehrere) Gott sagt oder nicht sagt, moralisch angemessen verhalten sollte.
Warum ist Informatik noch kein Pflichtfach geworden? Ich meine, es gibt kaum noch einen Beruf, in dem Kenntnisse in der Informatik nicht gefragt sind. Die jüngsten von uns gehen mittlerweile schon mit Handys um. Ist es nicht irgendwie sinnvoll, zu verstehen, was dort passiert? Wie es passiert?
Ich denke da verlieren wir nämlich aktuell in der Bildung am meisten an Boden. Wir waren mal das Land der Dichter und Denker, der großen Ingenieurskunst. Aber mittlerweile gehen die Ansprüche weit darüber hinaus, zu verstehen, wie ein Motor funktioniert oder wie eine Dampfmaschine betrieben wird.
Ein Ziel, von dem ich selbst nicht im Geringsten weiß wie man es umsetzen sollte, ist das anregen der kreativen Problemlösung. Das Erfindertum. Ich meine, Klausuren so schwer machen, dass man spicken möchte ist natürlich auch eine Möglichkeit solche klugen Köpfe zu Tage zu fördern, aber vielleicht nicht das, was wir unbedingt suchen.
Dann wäre da noch die Entwertung des Schulsystems allgemein. Mit einem Hauptschulabschluss gesellschaftlich einigermaßen anerkannt zu werden, ist schwierig. Der Realschulabschluss ist etwas, was gefühlt in der Gesellschaft nur leicht besser ist als ein Hauptschulabschluss. Erst mit einem Fachabitur oder Abitur fängt eine Gesellschaft an, einigermaßen von einer Art Bildung zu reden.
Es müssten also Inhalte vom Abitur in den Realschulabschluss bzw. dem Hauptschulabschluss gebracht werden, um diese beiden Möglichkeiten aufzuwerten. Dabei kann im Weiteren, auch das Abitur aufgewertet werden. Und zwar im vernünftigen Rahmen. Ich habe teilweise Fächer, bei denen ich mit Skripten aus Universitäten arbeite und teilweise Fächer, die gefühlt kaum Anspruch haben.
Bei jeden dieser Abschlüsse muss ich mich fragen: Was erwarte ich von diesem Menschen? Was soll er im Anschluss können? Das ist im Normalfall das Curriculum. Aber ganz ehrlich, so richtig funktionieren scheint das nicht:
Ich nehme dabei mal meine Klasse als Beispiel. Sie werden alle vermutlich ein Abitur machen.
Sie sind in ihrem Stand der Fähigkeiten extrem unterschiedlich. Es gibt die Überflieger, die den Unterricht viel schneller hinter sich bringen könnten, wenn sie dürften. Es gibt das weite Mittelfeld, ein bunter Mix aus allumfassend mittelmäßigen Schülern, oder Schülern die lediglich eine Art Inselbegabung besitzen. Und dann gibt es die Schüler, die mir Angst machen. Sie sind zwar gut, oder auch nicht, aber sie sind es nicht wirklich. Sie können nur extrem gut in dem System mitlaufen. Das sind die Schüler, die die Technik etwas auswendig zu lernen (und wieder zu vergessen) perfektioniert haben.
Mit einem meiner Lehrer habe ich das Abkommen, wenn mir langweilig ist an Abiturklausuren aus den letzten Jahren zu arbeiten. Daher kann ich sagen: Sie sind in Vergleich zu den Klausuren die wir während der Qualifikationsphase schreiben absolut einfach, zumindest einer meiner Leistungskurse. In Mathematik würden mir dagegen vermutlich die Augen aus dem Kopf fallen. Es wird also für kaum einen möglich sein, sein Abiturziel zu verfehlen.
Das nächste was ich zu kommentieren habe geht nicht unbedingt an das Schulsystem direkt. Sondern an Den Übergang zwischen Schule und Universitäten. Ich denke mittlerweile sind jedem die horrenden Numerus Clausus bekannt, die dafür sorgen sollen, dass die Nachfrage an den gewünschten Studienplätzen sinkt.
Ich frage mich, warum man nicht nach Fächerwahl sortiert. Als Arzt solltest du beispielsweise naturwissenschaftlich veranlagt sein, dir Zusammenhänge sehr gut erschließen können und dir eine Unmenge an Fakten in den Kopf schieben können. Wieso werden Zeugnisse, die ihre Prüfungen unter anderem in bspw. Religion oder Sport abgelegt haben gleich mit denen bewertet, die meinetwegen ihre Prüfung in Geschichte oder einem Naturwissenschaftlichen Grundkurs ablegen. Ich persönlich bekäme es mit der Angst zu tun, wenn ich wüsste, dass die besonders guten Fähigkeiten des Medizinstudenten darin liegen, die Evangelien miteinander zu vergleichen oder ein perfektes Handballspiel hinzulegen.
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Die Schule hat kein Corona
Non-FictionManche haben die Vorstellung, die Pandemie sei Schuld daran, dass aktuell deutschen Schulen nicht funktionieren. Spoiler: Nein. Nicht in dem Ausmaß. Eine Beobachtung eines Schulsystems von einer Schülerin aus der Oberstufe.