als das,
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Vielleicht war es der Restalkohol, in seinem Blut oder aber das brennende Verlangen in seinem Innern, welches ihn dazu verleitete, viel weiter zu gehen, als je zuvor. Taehyung schob es auf den Restalkohol. Noch immer fühlten seine Knochen sich bleiern an, sein Magen rebellierte und sein Kopf schmerzte.
Doch trotz allem weigerte Taehyung sich, sich diesen Schmerzen zu stellen. Ironischerweise, bemerkte man doch, was für eine schwache Person er eigentlich war.
„Weißt du, es ist absolut kein Problem für mich, dich bis zu deiner Wohnung zu bringen“, ertönte die samtig weiche Stimme des Fremden, „kann ja nicht wirklich weit sein, wenn du beschlossen hast dir hier die Kante zu geben.“ Samtig weich? Was denkst du nur Taehyung! Beschämt errötete Taehyung bei der trockenen Erwähnung seiner Sturzbesoffenheit.
„Nein, es ist tatsächlich nicht weit.“ Und mit diesen Worten nahm Taehyung die stille Einladung an. Seltsam war für ihn eher das kribbelige Gefühl in seinem Innern, welches sich allmählich ausbreitete. Es fühlte sich so gut an… fast kam er sich dabei wie ein verliebtes Schulmädchen- Oh Gott. Betroffen von sich selbst, schüttelte der Student errötend den Kopf. „Alles okay?“ Fast wäre Taehyung zusammengezuckt, riss sich aber gerade noch rechtzeitig zusammen.
Mittlerweile waren sie auf eine etwas belebtere Straße gekommen, auch die Beleuchtung war nun stärker, weswegen Taehyung es das erste Mal wagte, den Fremden wortwörtlich in den Augenschein zu nehmen. Die überraschend warmen Augen des Fremden blickten fragend zu ihm und auch sonst kam die äußerliche Erscheinung seinem Verhalten in keinster Weise nach. Stattdessen besaß er sanfte Gesichtszüge und eine süße Nase, die Taehyung nur zu gern einmal angestupst hätte. Dazu große Augen, die einen an ein unschuldiges Häschen erinnerte.
Auch die vollen Lippen wirkten nicht eher gefährlich, als der Rest. Voll und gepflegt. Vollkommen gefangen in seinem Starren bemerkte Taehyung nicht, wie die Augen des Fremden sich zusammenzogen und ihn nun ebenfalls musterten.
Wie ein Blitzeinschlag realisierte Taehyung zu spät wo er war und was er da eigentlich tat. Mit einem Räuspern wandte er sich wieder der Straße zu und betrachtete gespielt interessiert die flackernde Laterne links neben ihnen.
„Jeongguk.“
Fragend schoss Taehyungs Kopf zu dem Fremden. Erriet er gerade seinen Namen?
„Jeon Jeongguk.“
Taehyung unterdrückte ein Schmunzeln. Das war tatsächlich eine neue Art nach dem Namen zu fragen. „Nein, ich heiße Kim Taehyung. Wenn du meinen Namen wissen wolltest, hättest du einfach fragen können und nicht… du weißt schon.“ Es war schon süß von ihm, dass er zu schüchtern war, um direkt zu fragen. Etwas irritiert runzelte der Fremde kurz die Stirn bevor er lahm nickte.
„Gut.“
„Und?“
„Und was?“
Nun hielt Taehyung es nicht länger aus und kicherte. „Deinen Namen, wie heißt du. Willst du ihn mir nicht verraten?“ Begeistert starrte er in die rehbraunen Augen des Jungen. Sie funkelten so unschuldig, dass es Taehyung wie magisch anzog. Auch die wuscheligen Locken trugen nur mehr dazu bei.
Der Fremde grinste. „Beim nächsten Treffen.“ Empört schob Taehyung seine Unterlippe vor. Nahm ihn dieser Junge etwa nicht ernst? Dabei sah er nicht viel älter, als er selbst aus. Und wie kam es eigentlich dazu, dass beide die Höflichkeitsform weggelassen hatten? Jetzt wo Taehyung überlegte, fiel ihm auf, dass der Fremde von Beginn an informell mit ihm geredet hatte.
Zu seiner eigenen Verwirrung schien es ihn weder zu stören noch fühlte er sich unangenehm. Viel mehr kam er sich frei in der Gegenwart des Fremden vor. So frei, wie noch nie.
„Findest du nicht“, erschrocken erwachte Taehyung aus seinem Gedankenstrom, als er die samtige Stimme des Fremden gefährlich nah an seinem Ohr vernahm, „dass ich einen so hübschen Jungen wie dich wiedersehen werde?“ Der heiße Atem schlug gegen die weiche Haut an seinem Hals an und hinterließ eine willkommene Gänsehaut.
Es klang fast wie ein Versprechen.
Der Fremde lehnte sich wieder zurück und verzog verschmitzt die Mundwinkel zu einem schrägen Lächeln. Taehyung war unfähig zu antworten, er starrte ihn bloß mit großen Augen an. Alles was er vernahm war der unglaublich laute Herzschlag, der bis zu seinem Hals pochte. Ihm war trotz der nächtlichen Kälte plötzlich viel zu heiß. Benommen öffnete er seinen trockenen Mund, doch bevor er etwas unzusammenhängliches herausstammeln konnte, unterbrach ihn der Fremde.
„Ich glaube wir sind da.“
Tatsächlich befanden sie sich vor dem Grünen Gebäudekomplex, welches Taehyung für die nächsten Jahre sein zuhause nennen konnte.
„J-ja“, war alles was seine versagende Stimme zustande brachte.
„Es war schön mit dir ein wenig geplaudert zu haben, also dann.“ Er hob nur kurz die Hand bevor er in die Dunkelheit der Nacht verschwand. Fast melancholisch schaute Taehyung ihm hinterher, obwohl er ihn längst nicht mehr sehen konnte. Sie würden sich wiedersehen, ganz bestimmt. Es war ein Versprechen.
„Hey Bengel, was machst du um diese Uhrzeit noch draußen?“
Erschrocken zuckte Taehyung zusammen und drehte sich, um die schroffe Stimme ausfindig zu machen. Vor der Eingangstür stand ein großer Student etwa in seinem Alter. Seine tiefschwarzen (oder lag es daran, dass es Nacht war?) Haare lagen ihm unordentlich auf dem Kopf, welcher genervt schiefgelegt war. Seine dunklen Knopfaugen durchbohrten Taehyung, weshalb dieser schlucken musste.
„Uh, eh ich- also ich war a-auf dem Weg rein…?“, aus unerklärlichem Grund (Taehyung hatte höllische Angst), wurde seine Stimme immer leiser. Die dunklen Ringe unter den finsteren Augen verursachte in Taehyung ein mulmiges Gefühl. Der sah aus wie ein Gangster. „Du weißt, dass es gegen die Regeln hier verstößt und eigentlich muss ich dich jetzt melden“, fast schon erschöpft ließ der seltsame Typ seine Schultern sinken, „aber das ist scheiße viel Arbeit und ich bin hier kein angeheuerter Babysitter, also mach, dass du deinen Arsch in deine Wohnung bekommst.“ Das ließ sich Taehyung nicht zweimal sagen. Mit großen Schritten marschierte er auf die Tür zu, doch gerade, als er an dem Typen vorbeigehen wollte, wurde er grob von hinten zurückgehalten.
„Du kommst mir bekannt vor, kennen wir uns nicht?“ Argwöhnisch kam er dem schwitzenden Gesicht Taehyungs näher.
„I-ich denke das kann gut s-sein, wir leben ja im gleichen Gebäude..“, stammelte Taehyung panisch. Dieser seltsame Typ kam ihm eindeutig zu nah. Verärgert grunzte dieser einmal verneinend.
„Nein, ich bin mir sicher wir haben uns woanders–“ Mit einem Ruck riss sich Taehyung aus dem locker gewordenen Griff und flüchtete eilig ins Innere. Kein einziges Mal stoppte er, bis er nicht seine Wohnungstür fest hinter sich geschlossen hatte. Erschöpft lehnte er sich gegen diese und sank langsam zu Boden.
„Was für ein Tag…“, seufzte er leise. Sein Atem ging immer noch schnell von den vielen Stufen. Auch sein Angst, dass der schräge Student gleich in seiner Wohnung stehen würde, saß noch tief in ihm drin. Allmählich drangen die Erinnerungen der letzten Stunden in seine Gedanken. Taehyung musste an die Fürsorge, trotz des gegenteiligen Geschwafels des Fremden denken.
„Ich weiß immer noch nicht seinen Namen…“
Ob er ihn wirklich wiedersehen würde? Wie hoch standen die Chancen eine komplett fremde Person in Seoul ein zweites Mal zu treffen. Überrascht stellte Taehyung fest, dass er sich nach einer zweiten Begegnung sehnte. Dieses warme Gefühl in seinem Innern und wie sein Herz plötzlich zum Stillstand kam, wenn er nur an diese mysteriöse Person dachte.
Was war das nur…
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I'll be watching you.
FanfictionTaehyung findet sich selbst inmitten krankhafter Liebe, Verzweiflung und heilloser Obsession wieder. Dass ihm genau das zum Verhängnis wird, war vorherzusehen. Und doch weigert sich Taehyung aus dem Strudel zweier aufeinanderprallenden Welten auszus...