cHAPTER ONE - first time

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mich etwas

Wenn Taehyung sich eines bewusst war, dann dessen, dass wahre Liebe nicht für jeden bestimmt war. Er war sich dessen nicht nur bewusst, er war der festen Überzeugung davon, hatte der 19-jährige doch ein direktes Beispiel sein Leben lang vor Augen gehabt. Seine erste Wahrnehmung war die Unterteilung in zwei Welten. Die einen waren gut und die anderen böse. Schwarz und Weiß. Es gab kein mickriges Grau oder ein dreckiges Weiß.

Seine zweite Wahrnehmung war, dass es Menschen gab, die sich in Weiß kleideten und von innen verotteten.Und er begann die Farbe Weiß zu verabscheuen. Menschen, die er für gut hielt, lästerten gnadenlos hinter seinem Rücken über ihn ab. Menschen, die er für liebenswürdig hielt, verdeckten ihr wahres Gesicht hinter einer sauberen Maske. Es gab keine guten Menschen auf dieser weiten, eingegangenen Welt. Das war Taehyungs dritte Wahrnehmung.

Nun stand Taehyung inmitten von Seoul, der Stadt der Idole, der Stadt, mit der überhaupt fortgeschrittensten Technik. Hier stand der 19-jährige, etwas verloren, während gehetzt Menschen um ihn herum liefen, einige ihn anrempelten und ihm wütend hinterherriefen, während er regungslos dastand und alles in sich aufsaugte. Seoul, eine gewaltige Metropole. Taehyung selbst war erst einmal hiergewesen, mit seiner Klasse und er hatte es nicht genossen. Doch jetzt hierzustehen, ab heute hier zu wohnen, war etwas vollkommen neues. Etwas erfrischendes, was Taehyungs schales Leben einen Tritt in die richtige Richtung gab.

Endlich setzte er sich in Bewegung, schob sich durch die Menschenmenge voran, aus der Bahnhofsumgebung, raus auf die freien, breiten Straßen, die wie Kunstwerke ineinander verliefen. Von überall her hörte er Autos hupen und Motorgeräusche. Nach einigen Minuten Fußmarsch, seinen Koffer hinter sich her ziehend, erreichte er schließlich das Gebäude, zu welchem er seit Beginn des Tages wollte. Es war ein mehrstöckiger Wohnkomplex, was wirklich genau dem entsprach, was Taehyung sich abends in seinem Bett auf seinem Handy angestarrt hatte. Ab heute würde also in diesem Studentenheim leben. Er würde ganze fünf Jahre hier verbringen, mitten in Seoul. Unbändige Erleichterung packte ihn, während er weiter vordrang, die 14 Stufen erklomm und schließlich vor der dreckigen Glastür stand.

Während er einen kurzen Blick ins Innere warf, wobei er allerdings nicht viel erkennen konnte, außer ein Satz Stufen und einige Fahrräder unordentlich nebeneinander aufgereiht, nahm die stetige Nervosität langsam, aber sicher immer mehr Begriff von ihm. Bereits zum unzähligsten Mal betrachtete er kurz sein verschwommenes, transparentes Spiegelbild, richtete seine vom Wind zerzausten Locken etwas und stellte sicher, dass sein Gesicht frei von jeglichen Dreckpartikel war.

Es dauerte tatsächlich einige volle Minuten, bis Taehyungs nervenauftreibendes Warten ein abruptes Ende, durch das Auftauchen einer männlichen Person fand. „Kim Taehyung?“, begrüßte Besagter fragend den deutlich Jüngeren, als er mehrmals seinen Blick über den Platz schweifen ließ, jedoch keine so verloren wirkende Person, wie Taehyung finden konnte. Genannter nickte mehrere Male überschwänglich, seine mandelförmigen, dunklen Augen wurden dabei um einige Millimeter größer.

„R-richtig, und Sie müssen P-Park Seojoon sein…?“ Obwohl dies eine Feststellung sein sollte, stolperte es aus dem Mund des Redenden eher wie eine Frage raus, die seine unsichere Stimme noch einmal untermalte. Sofort nickte Seojoon, was in Taehyung eine unglaubliche Erleichterung hervorrief. Der Ältere mit auffällig hell gebleichten Haaren vergeudete keine Sekunde und erklärte dem baldigen Studenten einige Regeln des Wohnkomplex (was ein ausschließlicher Jungen-Wohnheim war) und überreichte ihm anschließend ein Schlüsselbund, woran zwei klimpernde Schlüssel und ein kleiner, laminierter Fetzen Papier hing.

Überschwänglich bedankte Taehyung sich mit mehreren Verbeugungen und nahm sofort, mit schwitzenden Händen den Bund entgegen. „Danke Seojoon-Hyung“, stolperten seine nächsten Worte nervös aus ihm, während sein Blick schüchtern zu Boden ging. Seojoon kratzte sich verlegen an seinem Hinterkopf und winkte mit einem gezwungen heiterem „Ach was!“ ab, bevor er sich kurz danach verabschiedete und schlussendlich verschwand. Taehyungs, wie festgewachsenes, Lächeln wollte nicht von seinen rosigen, fast plumpen Lippen verschwinden, als er sich umdrehte und voller Spannung den Code von dem Fetzen Papier abtippte.

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