pROLOG - Decision

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Ich weigere

Die Wände, getaucht in trostloses Weiß, strahlten nichts als Leere aus. Es war hell. Zu hell. Blendend hell. Vielleicht würde es nicht schaden, die Wände in eine dunklere Farbe einzutauchen. Eine, die nicht sich selbst widerspiegelte und ihre hässliche Wahrheit vor der Welt verbarg. Taehyung hasste die Farbe Weiß. Alles was sie tat, war das Helle widerzuspiegeln und sich selbst in Reinheit zu kleiden. Weiß war eine Lüge. Eine Lüge, die sich selbst glaubte und anderen so etwas vorspielte.

„Mr. Kim, hören Sie mir zu?“

Taehyung hatte ihr nicht zugehört. Das tat er nie und sie schien es nie zu bemerken. Zaghaft nickte er, um ihre Frage zu bestätigen. Sie musterte ihn kurz, ihre Stirn fragend in Falten gelegt, schien sie aus seinem Anblick schlau werden zu wollen. Als Bestätigung gab er ihr ein kleines Lächeln. Ihr besorgter Ausdruck legte sich und zufrieden blickte sie wieder auf das kleine Heftchen auf ihrem Schoß. „Sie haben um einiges mehr hinter sich, als ein Großteil der Menschen, Mr. Kim. Es ist völlig okay sich unsicher oder verängstigt zu fühlen, nach all dem was Sie erlebt haben…“, führte sie ihren Monolog fort, von dem Taehyung sich augenblicklich abschottete.

Stattdessen fuhren seine dunklen Augen ihre schlanken Arme herab zu ihren Fingern, die mit dem grauen Kugelschreiber herumspielten, ein deutlicher Beweis ihrer Nervosität, was wahrscheinlich davon herleitete, dass sie neu war. Ihre Art zu sprechen klang noch unglaublich hochgestochen und der Versuch dabei sanft zu wirken scheiterte kläglich. Ihre Haltung war noch gerade und formell, ihre Augen viel zu unerfahren, als dass sie ihm helfen könnte. Sie war blutjung. Vielleicht drei oder vier Jahre jünger, als er. Sie musste frisch ihr Studium beendet haben. Ihre vollen, schwarzen Haare fielen ihr in ordentlichen Locken hinter die schmalen Schultern. Sie trug eine helle, durchsichtige Bluse, darunter ein weißes Top und dazu einen schwarzen Bleistiftrock, der ihrer Figur deutlich schmeichelte.

Seine Pupillen wanderten weiter zu ihren schlanken Beinen, hinab zu ihren Füßen, die in zwei schwarze, einfache Pumps steckten. Da fiel ihm auf, dass es ruhig war. Zu ruhig. Sofort schnellte sein Blick zurück zu ihrem Gesicht. Ihre hellbraunen Augen durchbohrten ihn, ihre Wangen in einem nervösen rot bedeckt. Sie hatte sein Starren bemerkt. Ohne eine Wimper zu zucken erwiderte er stumm ihren Blick, so lange, bis sie verlegen ihr Gesicht abwandte.

„Mr. Kim“, fing sie schließlich stotternd an, ihre Stimme war weich und zart, vielleicht ein wenig zu hoch gelegt. Taehyung erwiderte nichts, sodass sie widerwillig erneut nach Worten griff. „Sehen Sie, ich kann mich nicht konzentrieren, wenn Sie mich so… anstarren. Ich weiß sehr zu schätzen, dass Sie offensichtlich Interesse zeig–“ Mit einem Ruck erhob sich Taehyung. Das Zurückfahren seines Stuhles auf dem hellen Laminatboden, erzeugte ein unangenehmes Quietschen in den Ohren beider. Verwundert stockte die junge Frau und starrte mit großen Augen zu dem Patienten herauf. In ihrem Gesicht lag bloße Verwirrung und ein Hauch von Panik. Taehyung fragte sich augenblicklich warum. Ohne jedoch ein Wort zu verlieren steuerte er den Ausgang an und verschwand aus der ebenfalls hellen Tür, die nach ihm krachend ins Schloss fiel.

Erst als die Tür hinter ihm zu war, stieß er erleichtert die Luft aus seinen Lungen, die er unbewusst viel zu lange behalten hatte. Das unangenehme Gefühl, welches sich kalt um ihn gelegt hatte, verschwand nur kriechend. Um ihn herum begann sich die Welt gefährlich zu drehen. Er musste hier weg. Gehetzt stieß er sich von der kalten Tür ab und schritt mit großen Schritten den langen Flur hinab. Sein Kopf dröhnte und der Schmerz, der schon seit Wochen da war, pochte unablässig gegen seine Schläfen. Immer und immer wieder hallte das Auftreten seiner Schuhe in den Gängen wider und Taehyung war froh, dass sich außer ihm niemand in den Fluren befand.

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