Hoffnung & Erwartung

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Es war so weit, der Tag der Ernte. Bereits die Tage zuvor hatte ich ungeduldig auf diesen Tag gewartet. Nicht aus Freude, aus Ehrfurcht. Ich hatte gesehen was die Spiele aus den Menschen machte, diesem Schicksal wollte ich entgehen.
Es war mein vorletztes Jahr, danach wäre ich sicher vor den Spielen. Nur diese zwei Jahre noch musste ich um mein Leben bangen. Und so stand ich nun zwischen den anderen Jungendlichen in meinem Alter. Ich als eine der älteren weiter vorne, als die jüngeren.
Eine blasse Frau mit einer blassrosa farbenen Hochsteckfrisur und ebenso rosafarbenen Kleid stand vorne auf der Bühne und freute sich bereits riesig darüber gleich die Tribute ziehen zu dürfen. „Willkommen zu den 70. Hungerspielen.", begrüßte sie die Bewohner von Distrikt 4, um dann in die Geschichte über den Krieg und den Beginn der Hungerspiele abzuschweifen.

Als sie endlich fertig war, schritt sie hinüber zu den Lostrommeln. Automatisch richtete sich die Aufmerksamkeit eines jeden wieder auf sie. Gleich würde sie das Schicksal zweier Menschen bestimmen. Zwei würden dazu verurteilt werden an den Spielen teilnehmen zu müssen und zwei würden in den Spielen vermutlich ihr Leben lassen. „Und wie jedes Jahr: Lady's First.", verkündete sie und begann in der ersten Lostrommel zu wühlen. Anspannung machte sich unter den Menschen breit. Niemand der bei Verstand war, wollte in diese Spiele. Als die Frau sich für ein Los entschieden hatte, zog sie es entschlossen heraus und öffnete es mit einem übertrieben breiten Lächeln, bevor sie mit feierlicher Stimme ins Mikrofon verkündete: „Cirilla Finney". Natürlich. Ich hatte bereits damit gerechnet aber gehofft hatte ich trotzdem das es anders kommen würde. Mit einem schüchternen Lächeln trat ich nach vorne. Nun stand ich dort, neben der Frau in rosa, während die anderen Menschen aus Distrikt 4 mich mit mitleidigenden Blicken anstarrten. Ich hasste ihn. Zu oft schon war ich ihm zu Teil geworden. Ich brauchte kein Mitleid. Ich hatte lange gebraucht um mir das Leben aufzubauen, dass ich jetzt führte. Ich hatte Ärztin werden wollen. Ich wollte Menschen helfen. Aber wenigstens war ich es die in die Spiele musste und nicht meine beste Freundin Xara, oder die kleine Fischerstochter Lupinia, von nebenan, auf die ich schon öfter aufgepasst hatte.
Es war einen Moment lang still, bevor sich die Frau der nächsten Loskugel zuwandte und ein erneutes Rascheln ertönte. Mit dem Los in der Hand schritt sie erneut zum Mikrofon, diesmal um den männlichen Tribut zu verkünden: „Ash Kinkade". Ein Junge, bestimmt nicht viel älter als ich, aber breit gebaut und mit dunklen Haaren, kam nach vorne. Er wirkte ziemlich selbstsicher aber ich war mir sicher das das nur eine Fassade war. Er hatte eine ruhige Ausstrahlung aber trotzdem war etwas an ihm das einem das Gefühl gab das man ihn nicht unterschätzen sollte. Er würde bestimmt schnell Verbündete beim trainieren finden. Menschen wie er fanden immer schnell andere mit denen sie sich verstanden. Seine Chancen in den Spielen schienen gut zu sein.

Da die Verlosung nun vorbei war,wurden wir nun ins Justizgebäude gebracht, wo sich unsere Familien von uns verabschieden konnten. Mein Vater würde nicht kommen, dessen war ich mir sicher. Aber Xara würde kommen, vielleicht die kleine Lupinia. Die einzigen Menschen die ich noch hatte.
Unruhig saß ich also in einem der Sessel, wartend. Licht schien durch die Fenster in den Raum und reflektierte sich an den Kristallelementen des Kronleuchters, welcher prachtvoll von der Decke hing. Das war er also gewesen, mein wahrscheinlicher letzter Tag in diesem Distrikt. Meine Gedanken wurden unterbrochen von der sich öffnenden Tür, durch die nun Xara schritt. In ihren Augen schimmerten Tränen aber sie versuchte sich zusammenzureißen. Ihr langen blonden Haare waren in einem Fischgrätenzopf zusammengebunden und ihre grünen Augen betrachteten mich sorgenvoll. „Du musst mir versprechen das du dein bestes gibst. Ich könnte nicht damit leben dich zu verlieren!", schluchzte sie, während sie mich in den Arm nahm. „Ich verspreche es.", erwiderte ich, nun selbst kurz davor zu weinen. „Du musst mir aber auch was versprechen. Pass auf dich auf. Du bist der beste Mensch dem ich je begegnet bin. Selbst wenn ich nicht überleben sollte, solltest zumindest du glücklich werden!"

Wenig später, nach der Verabschiedung, saß ich mit Ash, der Frau von der Ziehung und unseren beiden Mentoren im Zug zum Kapitol. Das Holz der Möbel was aus feinstem Mahagoni und mit Gold verziert. Die Stoff aus einem seidigen Blau. Wüsste ich nicht was auf mich zukommen würde, würde ich die Zugfahrt vermutlich sogar genießen.
Aber wir hatten wichtigeres zu tun. Gemeinsam sahen wir uns die Ziehungen der anderen Distrikte an. Die Tribute aus Distrikt 1 und 2 hatten sich freiwillig und einer aus Distrikt 5 hatte sich für seinen kleinen Bruder gemeldet. Der Rest war gezogen worden. Die beiden aus Distrikt 7 und das Mädchen aus 9 schienen auf dem ersten Blick gefährlich zu sein, aber genaueres konnten wir erst beim Training sehen. Wenn mir eins klar war, dann das der erste Eindruck häufig täuschen konnte.
„Wir sollten uns besprechen, bevor wir im Kapitol ankommen.", begann Finnick, einer unserer beiden Mentoren langsam. Mags, unsere andere Mentorin saß schweigsam daneben. Die Gewinnerin der 11. Hungerspiele redete nicht, sie hatte ihre eigene Art zu kommunizieren.„Sobald wir dort sind, könnt ihr niemandem vertrauen. Alles was ihr über euch preisgebt, wird von den anderen gegen euch verwendet werden. Ihr müsst euch im Klaren darüber sein, das es hier um Leben und Tod geht. Sie werden alle eurer Schwächen und Stärken herausfiltern um euch in der Arena schnellstmöglich zu erledigen. Wenn ihr auch nur eine Chance auf den Sieg haben wollte, müsst ihr strategisch denken und euch die richtigen Allianzen suchen.", erklärte er uns die Grundlagen. Auftreten war wichtig. Vor den Spielen um Sponsoren zu gewinnen, Allianzen zu bilden und die Bewohner des Kapitols auf deine Seite zu ziehen, sobald du in den Spielen bist, geht es nur noch ums überleben um jeden Preis.
„Könnt ihr kämpfen?", fragte er als Nächstes. „Oder habt ihr irgendwelche anderen Fähigkieten die euch beim Überleben behilflich sein könnten?" Ash äußerte sich zuerst: „Ich kann ganz gut mit nem Speer umgehen, schwimmen kann ich auch." „Sehr gut. Und du?", wandte er sich nun an mich. „Ich bin ganz passabel im Nahkampf.", gab ich schüchtern von mir, während ich ihm in die Augen sah. Das war das erste Mal seit unserem kennenlernen. Und Gott, mir war nicht aufgefallen wie blau diese Augen waren. Blau wie das Meer, wie passend. Er nickte. „Nun gut, da wir das geklärt haben, ihr solltet euch ausruhen. Es war ein langer Tag und der Tag morgen wird noch länger.", verabschiedete er sich, bevor er und Mags sich in einen anderen Wagon zurückzogen. Diese hatte uns kurz sanft zugelächelt sich sonst aber bisher zurückgehalten.

Es war bereits eine Weile dunkel bevor ich einschlafen konnte. Das Bett im Raum war so furchtbar weich, dass ich nach einer Weile aufgegeben hatte und mich mit Decke und Kissen auf dem Boden zusammenrollte.
Mit den ersten Sonnenstrahlen des nächsten Tages war ich allerdings bereits wieder auf den Beinen und genoss die warme Dusche, die einfach nur ein Traum war. Das lauwarme Wasser, welches mir durch meine dunkeln Haare, meinen Körper hinunterfloss, die nach Flieder riechende Seife, dessen Geruch den ganzen Raum einzunehmen schien. Ich hatte mich noch nie so entspannt gefühlt.
Nach einer kleinen Ewigkeit stieg ich schließlich aus der Dusche und betrachtete die mir bereitgestellten Klamotten. So viele prachtvolle Kleider hatte ich noch nie gesehen und ich hätte Stunden damit verbringen können, mir jedes einzelne ganz genau anzusehen. Letztendlich griff ich einfach nach einem blauen Kleid, welches mir bis zu den Knien reichte und unglaublich bequem war. Von Frisuren hatte ich nicht viel Ahnung, also ließ ich meine Haare einfach offen.

Endlich fertig trat ich in den Salon des Zuges, wo bereits Finnick und Mags warteten. Ash und die Frau, dessen Namen ich immer noch nicht wusste, schienen noch nicht wach zu sein. „Guten Morgen.", begrüßte mich Finnick. Mags lächelte mich kurz an bevor sie sich der Tasse Tee vor ihr widmete. „Morgen.", gab ich zurück und ließ mich neben ihm am Tisch nieder. Das Schweigen war äußerst angenehm und ließ mir etwas Zeit um richtig wach zu werden. Es dauerte nicht lange und die anderen beiden gesellten sich zu uns. Ash wirkte noch ziemlich verschlafen aber schien bei guter Laune zu sein. „Ihr solltet langsam essen, wir werden in etwa einer Stunde im Kapitol sein.", kommentierte die Frau. „Danke, Cynthia.", bedankte sich Ash. Das war also ihr Name. Das Frühstück verlief ziemlich ruhig, nur zwischendurch wagte es jemand für kurze Zeit die Stille zu brechen. Wir alle wussten, dass es bald ernst werden würde und das dies die letzten friedlichen Momente sein werden, da wollte keiner die Stimmung zerstören.

1.450 Wörter

Die Hungerspiele - Zwischen Manipulation und WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt