Piraten zu Weihnachten

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Vor einem Jahr

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          Julianna stand auf der Veranda und blies in ihre Finger, bis endlich wieder kribbelnd das Gefühl in sie zurückkehrte. Es war ein so kalter Abend wie schon lange nicht mehr auf Clevem. Sie hatten sogar die großen Türen des Ballsaals geschlossen, auch wenn das Licht aus ihnen herausströmte.

Hunderte Leute standen darin in Grüppchen zusammen und tranken aus kleinen Tassen ihren Punsch. Ihr Gemurmel war greifbar in der beißenden Nachtluft. Sie alle trugen teure Gewänder in winterlichen Farben. Man hatte extra einen Teppich zu den Türen ausgelegt, damit niemand über den gefrorenen Rasen laufen musste.

Über ihnen hingen kunstvolle Girlanden, die sich in der Mitte über dem riesigen Kronleuchtern trafen. Und darunter, in der Mitte des Tanzfläche, stand ein einziger großer Flügel. Riden und eine Gruppe seiner Freunde standen ihm am nächsten. Sie lachten und stießen wiederholt an.

Julianna seufzte. Königin Dinah hatte ihr ein Kleid für diesen Anlass ausgeliehen, brillant rot und wunderschön. Aber für sie fühlte es sich wie ein Schild an, das jeden der ankommenden Gäste darauf hinwies, dass sie nicht hierhergehörte. Von der Empore spielten Musiker eine Melodie, die sie nicht kannte und sie sehnte sich danach, zu ihr zu tanzen. Aber das hier war nicht der Trainingsplatz. Callis war nicht da und all ihre Freunde aus der Wache feierten entweder mit ihrem Familien in der Stadt oder in den Kasernen.

Gerade, als sie sich von der Scheibe zurückziehen wollte, drehte Riden sich um. Er musste ihren Blick gespürt haben, denn seine Augen fanden ihre und er winkte. Noch nicht einmal unfreundlich oder gehässig. Auffordernd hob er sein Glas und Julianna machte sich klein.

Eine Gruppe Mädchen näherte sich schnatternd aus dem Garten. Sie trugen Umhänge über ihren Kleidern und drängten sich dicht aneinander. Die Erste, die sie entdeckte, kannte Julianna noch nicht einmal, doch sie hörte die geflüsterten Worte.
„Uh. Schau dir an, wie sie ihn anschmachtet. Was soll das werden? Sie ist nicht einmal adelig."

Ihre Freundin, ein Mädchen im Nachtblauen Mantel nickte ernst.
„Richtig unheimlich."

Sie waren inzwischen direkt vor der Tür angekommen und reichten einem der bereitstehenden Diener ihre Umhänge. Lakira war dabei, doch sie schenkte Julianna nicht einmal einen Blick.

„Hör auf zu spannen!", rief eine ihrer Freundinnen Julianna zu, einen kichernden Chor hinter sich, der jäh verstummte, als Riden von innen die Tür öffnete. Eine nach der anderen knicksten sie, die Augen niedergeschlagen, die Köpfe gesenkt. Sie waren Ebenbilder der Eleganz.

„Meine Damen", nickte ihnen der Kronprinz zu und reichte Lakira die Hand. Doch bevor diese sich freuen konnte, ließ er sie stehen und lief durch den frostigen Rasen zu Julianna hinüber.

Hektisch sah Julianna sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Es war schon eine Weile her, dass sie sich alleine unterhalten hatten und sie wollte keine dieser Streitigkeiten vor den Schnattermäulern des Palasts ausleben.

Doch Riden blieb vor ihr stehen, die Arme entspannt hinter seinem Rücken gekreuzt und grinste, als wären die letzten zwei Jahre nie gewesen.
„Ich hoffe das sind nicht deine neuen besten Freunde", nickte er zurück zu den lauernden Mädchen, „Gefährliche Gesellschaft."

Ein überraschter Laut entkam Julianna. Warum redete er mit ihr?
„Harmlos für mich. Ich glaube jede von ihnen würde eher De ihre linke Hand spenden, als sich meine Freundin zu nennen. Aber deine Wenigkeit..." Sie sandte ihm einen vielsagenden Blick.

Riden grinste sie von oben herab an.
„...wird von dir gegen sie beschützt?"

Ungewollt lachte sie auf. Etwas in ihr erwärmte und entspannte sich. Sie sah zurück zu dem Winterfest. Es war wunderschön. Also warum war er nicht bei seinen Freunden im Warmen?
Kritisch musterte sie sein unbeschwertes Gesicht.
„Du bist heute sehr... freundlich."

(Keine) Geheimnisse zu WeihnachtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt