4- Wie man vor dem eigenen Chaos wegläuft.

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          Lerran brachte Julianna zurück in ihre Zelle und informierte den Senat über ihren kleinen Zwischenfall mit Riden. Es war noch der glimpflichste Verlauf der Situation, den Julianna hatte noch zwei Mal versucht ihm das Schwert zu stehlen, oder ihn anders zu verletzten.

„Viel schlimmer war eigentlich nur, dass sie kein Wort mehr mit mir gesprochen hat", sagte Riden abends zu seinem besten Freund, Callis, „Und sie hat mich gebissen! Zwei Mal!" Sie hatten sich gemeinsam in das Musikzimmer zurückgezogen und Tee getrunken, als die Fanfahren für königlichen Besuch ertönten.

„Können nicht meine Eltern sein", winkte Riden ab, als Callis instinktiv aus seinem Stuhl hochfuhr, „Mein Vater zwingt die Wachen eine bestimmte Melodie zu spielen, wenn meine Mutter heimkehrt. Frühwarnsystem."

Callis setzte sich wieder, doch sein Blick wanderte unablässig zu den Fenstern zurück.
„Du kannst es ihr nicht wirklich übelnehmen", nahm er den Faden ihres vorigen Gesprächs wieder auf, „Sie ist nicht mehr freiwillig hier. Da würde ich dich auch beißen."

Riden rümpfte die Nase. Er wusste, dass sein Freund recht hatte, aber seine Stirn schmerzte immer noch von der Attacke zuvor. Außerdem hatte er irgendwie gehofft, dass Julianna sich in dem Jahr ihrer Abwesenheit wieder ein bisschen beruhigt hätte.

Die beiden jungen Männer saßen noch eine Weile länger im Stillen zusammen. Nur das Teegeschirr klapperte und leise Schritte huschten vor der Zimmertür über den Gang. Riden war in Gedanken bereits auf einer anderen Insel, als Callis seine Tasse abstellte.
„Sag mal... willst du nicht nachsehen wer uns besuchen kom-..."

Sein Satz wurde abgerissen durch das lautstarke Aufschlagen der Zimmertür und dem Auftreten einer imposanten, schwer beladenen Frau. Beide Jungen fuhren in die Höhe bei dem Turm aus Mänteln, den sie sich übergeworfen hatte, der erschlagenden Menge an riesigen Edelsteinen und der thronenden Höhe ihrer Perücke. Sie war Eleganz zur Extreme gebracht, beeindruckend und gleichzeitig noch in der Lage sich würdevoll zu bewegen.
„Oh, es ist so wundervoll mal wieder auf Clevem zu sein!", donnerte sie in den Raum hinein.

Beide Jungen waren kurzzeitig Schock-erstarrt. Riden öffnete den Mund, doch ihm fiel nicht mehr ein wozu. Gäste hatte er keine erwartet-...

Ihr folgte eine schmale Brünette, die energisch einen Reisehut von ihrem Kopf zerrte.
Wundervoll mein Fuß", grummelte sie vor sich hin, ehe sie den Raum in Augenschein nahm, den sie gerade betreten hatte.
„Riden!", schnappte sie nach dem Kronprinzen, kaum da sie ihn gefunden hatte, „Sag mir, dass ihr sie gefasst habt!"

Callis machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Miss Lakira, die zuletzt ein halbes Jahr auf ihre Heimatinsel zurückgekehrt war, gehörte nicht unbedingt zu seinen Freunden. Wie Riden auch, hatte er den Großteil seiner Kindheit mit ihr verbracht und relativ schnell gelernt, dass ihr zartes, gepflegtes Aussehen so trügerisch wie Constantins Ruhe war.

„Meine Liebe, du vergisst deine Manieren. Das hier ist noch nicht dein zuhause. Ich erwarte mehr Respekt", schalt ihre Mutter sie großzügig und übergab einen ihrer Mäntel einer bereitstehenden Magd, die viel zu hastig wieder aus dem Zimmer verschwand.

„Dieses Miststück hat unser Schiff überfallen! Nicht viel und wir wären genau wie sie gegen Clevem gekracht!", fauchte ihre Tochter zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch. Es waren fast vier Tage seit dem Vorfall vergangen und wenn sie sich seither nicht beruhigt hatte, blieb es unwahrscheinlich, dass sie es demnächst tun würde.

„Lakira!", ereiferte sich ihre Mutter erneut, „Wir werden noch genug Zeit haben, um über diesen schrecklichen Vorfall zu sprechen. Lass uns erst einmal ankommen."

(Keine) Geheimnisse zu WeihnachtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt