Kapitel 24

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Daichi hatte anscheinend genug von dem Theater.

"Jetzt reiß euch mal zusammen. Bis zu den Klausuren ist noch genug Zeit. Glaubt ihr etwa ohne euch hätten wir eine Chance? Natürlich nicht!" Vermutlich sollte das irgendwie motivierend sein, es erreichte aber eher einen ernüchternden Effekt. 

"Freut mich zwar zu hören, ist aber irgendwie traurig." Tanaka und Noya schauten Daichi ausdruckslos an, während Hinata versucht den halbtoten Kageyama mittels schütteln wieder ins Leben zurück zu holen. Ist dabei aber nicht wirklich erfolgreich. 

"Wir kriegen das hin. Und dann heißt es ab ins Trainingscamp!" Daichis Blick hat etwas bedrohliches. Bin gespannt, was sein Plan ist.

"Hey Rikka!" Herr Takeda hatte mich, trotz meines Anfalls, bis jetzt anscheinend noch nicht bemerkt. Fröhlich grüßte ich ihn, bemerkte aber seinen nachdenklichen Blick. Und ganz ehrlich, ich hatte ein schlechtes Gefühl.

"Sag mal Ukai, hattest du mir nicht erzählt, dass Rikka Mathematik studiert?" Sofort versuchte ich das gesagte mit einem zischen zu übertönen und hoffte, dass es niemand mitbekommen hat. Leider machte mir Hinata einen Strich durch die Rechnung.

"WAS? Rikka du studierst Mathe? Oh bitte, bitte, bitte kannst du uns helfen? Bitteeeeeeeeeeeeeeee!" Er stand nun vor mir und krallte sich an meinen Ärmeln fest und war wahrscheinlich kurz davor mich genau so zu schütteln, wie Kageyama vorhin. Apropos wo hat Hinata ihn denn eigentlich hingeschmissen?

Ich suchte mit meinem Blick die Halle nach Kageyama ab und überlegte, wie ich aus dieser Situation wieder heraus komme. Ich als Lehrerersatz?  Als Trainer ja, aber als Lehrer? Keine gute Idee.

Dem Anschein nach haben es alle mitbekommen, denn sie schauten mich an. Die Meisten lachten mich still aus. Daichi und Suga sahen erst sich und dann mich an, so als ob sie schon einen Plan hätten und Tsukishima grinste hämisch, genauso wie mein Bruder, der, nachdem er meinen Blick sah, ganz schnell wieder aufhörte und den Abstand zwischen uns vergrößerte. 

Mittlerweile habe ich auch Kageyama gefunden, der anscheinend wieder unter den Lebenden weilt und sich zu Noya und Tanaka gesellt hat. Alle drei sahen mich mit Hoffnung in den Augen an. Scheiße...ich glaube ich komme aus der Nummer nicht mehr raus. Mit einem Blick wieder zu Hinata wurde meine Annahme bestätigt. Er hat gleich den kompletten Hundeblick ausgepackt. Ich seufzte. So ein Mist.

"Meinetwegen. Aber nur Mathe, für die anderen Fächer sucht ihr euch gefälligst ein anderes Opfer." Jubel brach unter den Vieren aus.

"Aber glaubt ja nicht, dass es so angenehm wird." Ich grinste und die vier wurden wieder still. 

"Also gut, das wars für heute. Räumt auf und zieht euch um. Wir sehen uns morgen." Keishin beendete das Training und die Jungs machten alles fertig. Wir unterhielten uns noch kurz mit Herrn Takeda und machten uns dann auf dem Weg nach Hause. Keishin versuchte währenddessen immer einen Sicherheitsabstand zu wahren. Aber der wird ihm nichts nützen. Er weiß ganz genau, dass er nicht ungeschoren davon kommt. Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander. Natürlich mit Sicherheitsabstand.

"Ach Bruderherz, warum denn so ein Abstand?" Mein unschuldiges Grinsen machte es für ihn wohl nicht besser.

"Ähm...naja..."

"Ach komm schon. Ich werde dich deswegen schon nicht schlagen." Er schaute mich mit einem "Das-soll-ich-dir-glauben"-Blick an.

"Was denkst du von mir. Ich schlage doch nicht meinen eigenen Bruder. Also wirklich." Ich ließ es extra so klingen, als ob ich beleidigt wäre. Er schaute mich weiter skeptisch an, entschied sich dann aber mir zu glauben und näher zu kommen. Ein Fehler.

"Ich würde ihn zu Tode kitzeln." Kurze Pause, stehen bleiben, Zeit zum realisieren lassen uuuuund losrennen. Wie letztens begann nun eine Jagd auf Leben und Tod. Nur dieses Mal war ich der Jäger. Wir kamen, wie letztes Mal auch, ziemlich schnell zuhause an. Keishin war bereits an der Tür und versuchte sie gehetzt zu öffnen. Mit der Erwartung, dass er die Tür aufbekommt, lief ich mit voller Geschwindigkeit die Treppe hinauf. Leider schaffte er es nicht und ich knallte ungebremst gegen ihn, danach er gegen die Tür und die Tür hatte kein Bock auf unser Theater und riss aus den Angeln. Zusammen stürzten wir in die Wohnung. Zu meinem Glück hatte ich eine weiche Landung, aber Keishin landete mit dem Gesicht auf dem Boden und man hörte ein leises Knacken. 

"Oh shit, Keishin!" Schnell rollte ich von ihm runter. Mit einem stöhnen richtete er sich auf und sah mich an. Bei seinem Anblick wusste ich nicht, ob ich lachen oder entsetzt sein sollte. Seine Nase stand in einem unnatürlichen Winkel ab, was echt lustig aussah, aber sie blutete wie sau.

"Was ist?" Keishin sah mich fragend an.

"Ähm...ich glaube wir sollten mal eben ins Krankenhaus fahren." Ich half ihm auf uns stellte ihn vor unserem Flurspiegel, dann holte ich die Autoschlüssel. 

"MEINE NASE!" Sein Schrei ließ mich kurz zusammen zucken. Nachdem ich die Schlüssel gefunden hatte, schleifte ich Keishin hinter mir her zu seinem "Auto" und fuhr mit ihm zur Notaufnahme. 

Zusammen saßen wir nun im Wartebereich des Krankenhauses und warteten darauf an die Reihe zu kommen. Mein Bruder mit einem Haufen Tücher vor der Nase und ich mit dem Anmeldeformular.

"So langsam wird es wohl zur Gewohnheit, dass sich einer von uns irgendwie verletzt, was?" Ich versuchte die Situation ein bisschen auf zu lockern. Ganz langsam schaute Keishin mich an.

"Du meinst wohl, dass ich mich immer verletze. Letztes mal war es eine blutende Nase und ein blaues Auge."

"Aber es war ja nicht mit Absicht. Beide Male nicht."

"Trotzdem kriege ICH es immer ab!" Das ließ mich verstummen. Da hat er leider recht.

"Tut mir leid..." Wir waren wieder eine Zeit lang still. Keishin seufzte.

"Du bist ja nicht schuld daran. Das passiert nun Mal. Vor allem bei uns beiden. Es ist nur echt scheiße, dass es mich immer trifft." Keishin zog einen Schmollmund und ich musste lachen. 

"Keishin Ukai?" Mein Bruder wurde aufgerufen und wir folgten der Krankenschwester. 

Wie eigentlich schon vorher zu sehen, war die Diagnose gebrochene Nase. Sie musste gerichtet werden. Das ging recht schnell von statten, war aber anscheinend schmerzhaft. Am Ende bekam Keishin noch ein dickes, weißes Pflaster auf die Nase geklebt und ein Schmerzmittel verabreicht. 

Nach nicht einmal zwanzig Minuten konnten wir wieder aus dem Raum raus und uns auf dem Weg nach hause machen. Keishin war die ganze Zeit am jammern, was ich versuchte mit Musik zu übertönen, und ich versuchte mir schon einmal eine Erklärung für morgen zu überlegen.

Mein Leben, oder wie sich dieses Chaos nenntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt