Harte, spitze Steine stachen in Quynhs rechten Knie, als sie vor dem Schattenmeister sich fallen lies. Den Kopf tief hängend - wie Azir es befohlen hatte. Sie wagte es kaum nach oben zu blicken. Zu beschämend wäre der Anblick ihres Meisters gewesen - diese Enttäuschung und Wut in den Augen zu lesen. Stattdessen starrte sie auf den Pflastersteinboden. Sie stützte sich mit beiden Händen ab. Die Finger weit gespreizt. Blut tropfte von ihrer gebrochenen Nase auf den Boden, die anschliessend zwischen den Steinrillen haften blieben.
„Jämmerlich. Einfach nur jämmerlich", ertönte es aus Azirs Mund. Sie spürte förmlich die brennenden Blicke der Assassinen um ihr herum, auf ihrer entblössten Haut. Nur ein Stofffetzen vermag ihren geschundenen Körper zu schützen. Sie verkrampfte sich, als sie hörte, wie Azir die Stufen hinabstieg. Langsam. Quälend langsam. Als wollte er die Strafe hinauszögern, doch sie wusste es besser.
Dieser Mistkerl genoss jede Sekunde davon, wie sie blutend und verletzt vor ihm kniete. „Sieh mich an, Quynh." Sie biss die Zähne zusammen. Dann hob sie ihren Kopf und blickte ihren Meister geradewegs in die tiefblauen Augen. Götter, hatte sie die Augen geliebt. Einst strahlten die Augen voller Wärme und Liebe. Jetzt sah sie nur noch Hass und Verbitterung.
Sein Blick taxierte sie. Wies sie ihren Platz hin. Die wohlgeformten Lippen, die sie nur zu gut kannte, verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Die haselnussbraunen Haare betonten seine Augen und die ausgeprägten Wangenknochen machten ihn nur noch attraktiver. Er hatte viele Liebhaber und Liebhaberinnen. Doch keiner oder keine war so lange an seiner Seite gewesen wie sie. Quynh. Sie wusste nicht, was er in ihr gesehen hatte, doch sie genoss seine Aufmerksamkeit und manchmal auch die Privilegien. Deshalb mochten sie viele der Mitschüler nicht. Azir trainierte sie oft selbst und nach und nach stieg sie zu einen der ranghöchsten Assassinen in seinem Orden auf.
Ein Schauer durchfuhr ihren Körper, als er seine schlanken Finger grob ihr Kinn umfasste und sie an sein Gesicht zog, bis sie die grünen Sprenkeln in seinen Augen sehen konnte. „Erzähl mir alles", flüsterte er. Quynh presste die Lippen zu einer geraden Linie zusammen. Die Unterlippe ist aufgeplatzt, als Azir ihr eine Ohrfeige verpasst hatte, bevor er sie knien liess. Sein Lächeln schwand leicht.
„Du wirst mir alles erzählen was dein Bruder vorhatte, sonst bringe ich ihn um." Zorn packte sie und spuckte dann ihn ins schöne Gesicht. „Fahr zur Hölle." Wut flammte in Azirs Augen auf. Die Finger gruben sich in ihre Wangenknochen und langsam begann sogar ihr rechtes Knie an zu pochen. „Du hast mir besser gefallen, als du noch brav wie ein Hund gehorcht hast", knurrte er und stiess sie zurück. Quynh strauchelte, doch sie fing sich gerade noch und wollte gerade auf ihn losgehen, als zwei Wachen sie von der Seite packten und ihr Angriff aufhielten. Sie fauchte und strampelte mit den Beinen und legte ihr ganzes Gewicht nach vorne, sodass sie den stämmigen Mann zu ihrer Rechten aus dem Gleichgewicht bringen konnte und verpasste ihm einen Tritt zwischen die Beine. Er jaulte, aber fasste sich gleich wieder.
Sie hatte geschwächt keine Chance gegen die Wachen und selbst wenn, standen um sie herum immer noch zahlreiche Assassinen die schon lange darauf gewartet hatten, ihr die Hölle heiss zu machen. Sie war gut, aber nicht dumm. Mit so vielen könnte sie es nie im Leben aufnehmen. Also liess sie sich wieder vom Mann ergreifen, dem sie einen Tritt verpasst hatte. Azirs Lache dröhnte durch den Tempel.
Steinerne Säulen zu ihrer Rechten und Linken reihten sich auf mit eingravierten Runen. Heilige Runen, die in ganz Runeterra verbreitet waren. Die wolkenlose Nacht scheint der einzige Trost für Quynh zu sein, der ihr ein wenig Dunkelheit spendete, als sie verzweifelt nach oben blickte. Wie konnte es so weit kommen? „Werft sie ins Verlies und legt sie in Ketten", bellte er. Er sagte noch etwas doch sie hörte es kaum.
Blut rauschte ihr durch die Ohren. Macht erwachte, die tief in ihrem Inneren geschlummert hatte. Azir hatte ihr beigebracht die Kräfte zu kontrollieren und zu beherrschen. Es wurde gemunkelt, dass solche Art von Magie ursprünglich den Göttern gehört haben soll. Nun haben die Fae ihre Magie geerbt und regierten über Länder von Runeterra. So auch Azir über den Orden. Sie war dumm zu glauben, dass diese Fae-Gemeinsamkeit ihren Meister etwas bedeutet hatte. Ihr Bruder Xander hatte keinerlei Magie in seinen Adern, obwohl er ein reinrassiger Fae war. Xander war dafür ein meisterhafter Schwertkämpfer und einer der Besten Assassinen gewesen, die Runeterra je gesehen hatte.
Sie zügelte ihre aufkeimende Magie. Die Wachen schleiften sie weg und stiegen irgendwo eine Treppe hinab, tief hinunter im Gebirge namens Targon - auf dem der Orden lebte. Targon ist der höchste Gipfel in ganz Runeterra und liegt westlich von der Sonnenscheibe, die angrenzend an diesem Berg ist. Targons felsige Höhen wandten sich in langen Bögen hinauf und viele sagten, dass Mächte, die weit über das Verständnis blosser Sterblicher hinausgingen, ihn gen Himmel gezogen hatten. Die Erklimmung des Gebirges stellte sich als Herausforderung dar und so begann die Aufnahmeprüfung des Ordens. Wenn man innerhalb einer Woche den Berg überwinden und sich der Kälte stellen konnte, begann man die Ausbildung zu einer Assassinen für den Orden des Schattenmeisters Azir.
Der steter Kampf eines höheren Ranges war der Ansporn jeder Assassinen. Um die Faust des Schattens zu werden - den ranghöchsten und angesehensten Titel - muss man von Azir höchstpersönlich gekrönt werden. Die Faust des Schattens erledigt Tötungsaufträge, die sonst keiner erledigte. Diesen Titel tragen zu dürfen, war eine Ehre, die wahrhaftig als unerreichbar erschien. Für alle. Und doch war sie so verdammt nah dran gewesen. Ihre Krönung war schon angesagt worden. Sie hatte hart dafür gearbeitet, trainiert und gekämpft, bis ihr Bruder - ihr Fleisch und Blut - ihren Traum zunichte machen musste.
Sein Egoismus hat sie ins Verderben gezogen. Und jetzt musste sie für seine Sünden büssen.
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Die Nacht so dunkel
FantasyQuynh wurde wegen Xander, ihren Bruder, dessen Verrat den Schattenmeister verärgert hat, in Rechenschaft gezogen. Nun plant sie ihre Flucht und ihre einzige Hoffnung bleibt der Zugang zu den Schatteninseln. Doch als sie Ace, den berüchtigten Blutbän...