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Azir hob den goldenen Kelch mit einer dunkelroten Flüssigkeit an seine Lippen und nippte daran. Die anderen folgten seinen Beispiel.

Ein schlaksiger, junger Mann erhob sich vom Platz und breitete die Karte von Runeterra aus. „Ich konnte den Prinzen genau hier", er tippte auf das Wort Shurima - unser Nachbarland, indem die Sonnenscheibe liegt - und umfährt das Gebiet mit dem Zeigefinger, „besichtigen. Prinz Eirlys ist schon viel zu nah an Targon, Meister Azir."

Quynh lehnte sich nun an die Wand und wurde von den Schatten beinahe vollkommen verschluckt und runzelte die Stirn. Prinz Eirlys? Er regierte über die Schatteninseln - über die Toten. Also was, bei den Solaris, tut er so nah an den Grenzen des Targons?

Sie konnte den braunen Haarschopf ihres Meisters ausmachen, der über den Stuhl ragte und hörte ihn sagen: „Dieser Mistkerl wird nicht bei uns eindringen können."

„Verzeihung, Meister", unterbrach Sama'el ihn, „aber wäre es nicht klüger, dem Prinzen eine Falle auf dem Weg des Gebirges zu legen, damit wir ihn einfangen können?" Den Prinzen einfangen? Nie im Leben. Er soll so mächtig sein wie zwanzig Assassine auf einmal - und das nur mit seinen Schwertkampftechniken. Hingegen war seine Eiskraft viel mächtiger. Das Wetter selbst hätte er unter Kontrolle. Starke Schneestürme, die über sein feindliches Land wüteten, waren schon Beweis genug.

Ein älterer Mann mit einem langen, weissen Bart begann zu lachen. Quynh verkrampfte sich, zeigte aber keinerlei Regung. Lachte er gerade die Rechte Hand des Meisters aus? „Und wie wollen Sie das anstellen? Er ist kein Tier." Er zeigte mit seinem knorrigen Finger auf Sama'el und höhnte weiter: „Sie sind zu jung, um etwas über Schlachten zu verstehen." Dann fielen die anderen auch in sein Lachen ein.

Sama'el lehnte sich im Stuhl zurück und starrte den bärtigen, alten Mann an. Das Lachen erstarb und der Mann hüstelte nervös, als er den Blick bemerkte. Quynh beobachtete das Geschehene Aufmerksam. Azir schien das Schauspiel zu geniessen, denn er nippte immer wieder an seinen Kelch, mit einem kleinen Lächeln an seinen Lippen. Die kalten Augen fest auf den Mann gerichtet.

„Bei allem Respekt", krächzte der Mann nun, „dieser Plan ist lächerlich." Die anderen waren schlauer als der Mann. Sie blieben Stumm. Aber die Stimmung war so aufgeladen und angespannt, dass sie beinahe daran greifen konnte. Eine Ader an der Schläfe des alten Mannes trat hervor und Schweissperlen bildeten sich. Ekelhafter Mistkerl. Sie musste herausfinden, für wen er arbeitete und was er überhaupt hier verloren hat. Er schien neu zu sein, denn ihn hat sie noch nie gesehen und keiner wäre so dumm gewesen, Sama'el zu widersprechen. Indirekt dem Schattenmeister.

Sama'el lächelte immer breiter, doch es erreichte seine Augen nicht. Oh, nein. Sie glühten - sprühten beinahe Funken. Als würde ein lodernes Feuer in seinen Augen erwachen und jeden niederbrennen, der nur eine falsche Bewegung tat. „Oh, ich habe schon einen Plan und sie sind ausgezeichnet für einen Testlauf, Lord... wer sind Sie nochmal?" Sama'els ruhige Stimme schien die angespannte Stimmung zu durchschneiden. Der Lord fasste sich an seinen Bart und zwirbelte nervös daran, als er merkte, dass er direkt zu ihm sprach. „L-Lord Ashton", stotterte er. Diesen Namen. Sie hatte diesen Titel schon einmal gehört, aber woher?

„Lord Ashton", murmelte Sama'el mehr vor sich hin und runzelte die Stirn. „Wissen Sie, wer ich bin?", fragte er dann den Mann. Eine gefährliche Frage. Das wusste selbst der einfältige Lord von wo auch immer. Quynh lehnte sich wieder an die Wand und kreuzte lässig ihre Beine. Ihre Arme immer noch verschränkt. Alle warteten gespannt auf die Antwort.

„Natürlich", antwortete Lord Ashton gepresst. „Natürlich weiss ich das." Sama'els Augenbrauen wanderten nach oben. Er beugte sich dann interessiert nach vorne und stütze seinen Kinn auf die rechte Hand ab. „Wenn Sie wüssten, wer ich bin", begann er, „oder was", Lord Ashton schnappte hörbar nach Luft, „dann ist Ihnen sicherlich bewusst, dass ich viel...", er legte eine Pause ein. Sie konnte förmlich den Herzschlag des Lords hören, so still wurde es im Raum, „älter bin." Die Augen des Lords weiteten sich und er sprang vom Stuhl auf. „Meister, das ist ein Fae! Sie sind gefährliche Wesen und diese Monster haben unser Land verwüstet!", schrie er. Er spuckte beinahe und Azir verzog angewidert sein Gesicht, während Sama'el immer noch grinste wie ein Raubtier.

Quynh spürte, dass die Temperatur im Raum anstieg. Eine kleine Machtdemonstration von Sama'el. Als Beweis, dass er nicht scherzte. Aufgebracht fuchtelte Lord Ashton mit seinen Armen und stiess dabei den Stuhl um. Krachend fiel der zu Boden. „Warum tut denn niemand etwas? Steckt ihr denn alle unter einer Decke?" Niemand antwortete.

Azir liess seinen Kelch langsam Kreisen und trommelte mit der anderen Hand auf den Holztisch. „Es reicht", sagte er ruhig. Lord Ashton verstummte sofort. „Wenn Sie nicht damit zufrieden sind, dass wir mit Fae arbeiten", er nickte kurz zum Ausgang, „da ist die Tür."

Lord Ashton hob beschwichtigend die Hände, als wolle er sich ergeben. „Ich bin zufrieden. Kein Problem." Dann stellte er den Stuhl wieder auf und setzte sich hin. „Also, wo sind wir stehen geblieben?", fragte Azir und alle entspannten sich wieder. Sama'el erläuterte seinen Plan und es wurde aufmerksam darüber debattiert. Quynh hörte nur mit einem Ohr zu, denn ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Lord.

Verstohlen blickte er sich im Raum um und als er merkte, dass sie ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, schaute er beschämend weg und tat so, als hätte er sie gar nicht bemerkt.

· • ☾ • ·

Quynhs Aufmerksamkeit galt die ganze Besprechung durch dem Lord. Als der kleine Rat sich auflöste, verschwand sie schnell aus dem Raum, in der Hoffnung, in ihrem Gemach ungestört recherchieren zu können. Glücklicherweise wurde sie von niemanden aufgehalten.

Sie liess sich auf ihr weiches Bett fallen. Die Bettlaken waren aus edlem Stoff, von Kaufleuten, die durch die Länder reisten um nur die schönsten und edelsten Seiden zu ergattern. Links vom Bett waren Fenstern, die bis zur Decke reichten und mit durchsichtigen Vorhängen geschmückt waren. Ein grosser Balkon führte hinaus und man konnte den atemberaubenden Sonnenauf- und Untergang jedesmal bewundern.

Ein kleiner Tisch aus weissem Holz und mit Spiegel, stand gegenüber vom Bett und gleich rechts davon, befand sich ihr eigenes Badezimmer hinter der Tür versteckt. Rechts vom Bett wurde ein begehbarer Kleiderschrank eingebaut. Sie liebte diesen Schrank.

Es klopfte an der Tür und schnell setzte sie sich aufrecht hin. Azir trat hinein mit einer ernsten Miene. „Finde alles über Lord Ashton heraus", sagte er nur. Und wollte gleich die Tür wieder aufmachen um zu gehen, als Quynh sagte: „Er arbeitet für Prinz Eirlys." Langsam drehte der Meister sich um. „Und ich werde ihm heute Nacht einen Besuch erstatten."

Das böse Lächeln, das auf seinem Gesicht ausbreitete, widerspiegelte ihren Gesichtsausdruck. Ohne ein weiteres Wort, verschwand Azir aus dem Zimmer und liess sie allein.

Die Nacht so dunkelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt