chapter one

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"I often think that the night

is more alive and more richly colored

than the day."


Damian

Dumpfe Schreie, das Surren der Lampen an der Decke und schwere Schritte auf dem Gang. Das waren die Geräusche, die mich jeden Morgen aus dem Schlaf rissen. Einem Schlaf, der alles andere als entspannend wirkte.

Seufzend rieb ich mir die Augen und schwang meine Beine aus dem unbequemen Einzelbett. Wie lange war ich jetzt schon hier? Sechs Monate? Acht Monate? Jedenfalls hatte ich mich immer noch nicht an dieses Zimmer gewohnt. Es fühlte sich nach Krankenhaus an und es roch auch danach. Trotzdem war es schlimmer als das. Ich konnte dieses grelle Weiß kaum noch ertragen und dennoch blieb mir nichts anderes übrig. Also tat ich das, was ich jeden Morgen tat. Ich streckte mich, machte meine Liegestütze und Sit-Ups auf dem kalten Fliesenboden und ging anschließend in das kleine Bad, das an mein Zimmer angrenzte.

Mein Spiegelbild verriet mir, dass ich schon viel zu lange hier war. Mit einer Hand fuhr ich über den Bart in meinem Gesicht, der dort eindeutig schon länger als drei Tage existierte. Ich nahm mir vor, demnächst nach einem Rasierer zu fragen.

Meine Augenringe glichen jedem tiefen Krater, an den ich denken konnte, und meine Haare brauchten auch mal wieder einen Schnitt. Im Großen und Ganzen sah ich einfach beschissen aus. Was hatte ich auch erwartet?

Beide Arme auf dem Waschbeckenrand abgestützt, atmete ich vier Mal tief ein und aus. Ich spürte bereits, wie sich die Erinnerungen an zwei ganz bestimmte Gesichter vor mein inneres Auge schleichen wollten, doch ich ignorierte sie. Dafür hatte ich hier keine Zeit und auch keine Nerven.

Das Gesicht zu keiner Miene verzogen, schlüpfte ich in eine dunkle Jeans und warf mir ein schlichtes weißes Shirt über. Die Schnürsenkel meiner Schuhe band ich unordentlich zusammen und öffnete dann die Tür, die erst seit wenigen Wochen nicht mehr verschlossen war.

Schluckend betrat ich den Gang. Man sollte meinen, dass ich mich nach dieser langen Zeit endlich an das Gebäude gewohnt hatte. Dem war aber nichts so. Mich überkamen immer noch die gleiche Gänsehaut und dieselbe Wut.

„Hey Dashwood!"

Eine tiefe Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich den Kopf heben.

„Gut geschlafen?", warf der Kerl hinterher und versuchte nicht einmal sein Grinsen zu verbergen. Seine Finger lagen um den Griff einer Waffe, die Uniform saß perfekt und es war eindeutig, dass er das hier genoss.

Unbeeindruckt hob ich die Brauen und setzte mich in Bewegung. Als ich an ihm vorbeilief, stieß ich absichtlich gegen seine Schulter. „Wie ein Baby", beantwortete ich seine Frage und blendete damit jeden weiteren Kommentar von ihm aus.

Geübt stieg ich in den Aufzug und zählte die Sekunden, bis die Türen sich vor mir schlossen, erleichtert, dass sich sonst niemand zu mir gesellte. Hier mit seinen Gedanken alleine zu sein, war vielleicht keine gute Idee, aber alles andere erschien mir auch nicht besser zu sein.

Der Aufzug beförderte mich ein paar Stockwerke nach oben und als sich die Türen wieder aufschoben, war ich schon etwas ruhiger. Das hielt jedoch nicht lange an, als ich den Gang entlang lief, der mich in das Foyer führte. Es war noch zu früh, um hier viele Menschen anzutreffen, dennoch begegneten mir zwei junge Mädchen, die den Kopf senkten, als sie an mir vorbeieilten.

Plötzlich schlichen sich wieder Cathys Worte in meine Ohren.

In Rang eins bis du wissend. Du weißt, dass dort schreckliche Dinge vor sich gehen und du verstehst nicht, weshalb alle so aussehen, als wären sie freiwillig dort.

Condition - BedingungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt