6.
„Infernum Partheo!", schrie sie aus vollem Herzen und brachte mit der Wucht der Magie, der sie damit ihren Lauf ließ, das Schlachtfeld zum erbeben.
Dichte Rauchschwaden stiegen aus den stinkenden Überresten der explodierten Lurtinen herauf und kreierten im Einklang mit der vorangegangenen Verwüstung eine verstörende Szenerie aus Tod und Unheil, dessen apokalyptischer Anblick selbst Keir einen kalten Schauer über den Rücken trieben.
Die Hitze von Keirs Flammen, die noch immer den Schauplatz in flackerndes Licht hüllten, erreichte einen neuen Höhepunkt und ließ den anwesenden Unsterblichen den Schweiss an Gesicht und Körper hinablaufen und sich in unerträglicher Wärme winden.
Keir spürte, wie ihre Fähigkeiten sich ausweiteten und ihre Kraft zusammen mit den Flammen an Intensität gewannen, während sich die Ankunft ihres Inferi näherte. Der Rausch der Energie, der sie dabei überkam war überwältigend.
Narkotisch.
Fast konnte sie vergessen, welche verheerenden Wunden ein wildes Zeugnis der vorangegangenen Strapazen auf ihrem Körper ablegten und wie unnachgiebig der Griff des Werwolfes, der sich nun hinter ihr versteifte, noch immer war.
Trotz der ominösen Bedrohung, die sich vor seinen Augen manifestierte, bemerkte Keir wiederwillig, das der Krieger hinter ihr nicht einen Schritt von seiner Beute abwich, um die Distanz zwischen sich und dem, was zweifellos auf ihn zu kam zu vergrößern.
Aberwitziger weise schien es Keir sogar, als trete er mit seinem massigen Körper unbeabsichtigt zwischen sie und die Gefahr, die sich ihm stellte. So, als triebe ihn ein innerer Instinkt unwillkürlich dazu, eine Frau vor dem abzuschirmen, was auch immer gleich aus dem Rauch hinaus ins Freie treten würde. Auch wenn er selbst wenig Nachsicht in ihrem vorherigen Handgemenge gezeigt hatte.
Doch nicht Keir war es, die sich vor dem fürchten sollte oder musste, was sich nun schemenhaft im Innern des Nebels offenbarte.
Vor den angespannten Blicken ihrer verbliebenen Feinde, schoss die lodernde Kralle ihres Inferi hervor und brach damit die dichten Nebelschwaden in zwei, die seine Ritual gleiche Beschwörung begleitet hatten, bevor auch der Rest seiner glühenden Feuergestalt folgte und sich in blindwütiger Raserei auf die unsterblichen Krieger stürzte, die nur knapp einem vernichtenden Hieb ihres neuen Gegners entkamen.
Blitzschnell warf sich der blonde Wolf zur Seite und riss Keir in seinem hektischen Sprung gleich mit sich aus der Schusslinie.
Er konnte nicht ahnen, das Keir durch den ruchlosen Inferi, der sich in reissender Tobsucht auf die unsterblichen Kämpfer stürzte, nicht in der Lage war die Hexe zu verletzten, die einst einen lebenslangen Pakt mit diesem Feuergeist eingegangen und so zu einem Teil seiner selbst geworden war.
Mordlüsternes Geheul traf auf herausforderndes Knurren, als die beiden Wölfe aufhörten sich in die benachteiligte Defensive drängen zu lassen und sich der tödlichen Gewalt ihres neuen Feindes offen entgegen stellten.
Inmitten der schleimigen Fetzten der Lurtinen, dessen beissender Gestank in der ansteigenden Hitze nur umso unerträglicher wurde, schleuderte sich der Wolf, der sich vorhin noch Keir hatte vorknöpfen wollen, mit einem entschlossenen Gebrüll auf ihren Inferi und schlug mit seiner ausgestreckten Klaue nach der glühenden Kehle des Feuergeschöpfs.
Sie konnte das siegessichere Glitzern in den Augen des Wolfes sehen, als seine Spitzen Krallen glatt durch die erhitzte Haut seines gegenüber schnitten, bevor der Schock der Erkenntnis sein Gesicht zu einer ungläubigen Maske verzerrte, als reissende Flammen aus dem Körper des Inferi schlugen und sich wie ein Parasit in das Fleisch des Wolfes gruben. Genau dort, wo der vernichtende Hieb des Wolfes hatte landen sollen.
Zischend versengte die Feuerfaust des Inferi Schicht für Schicht des ausgestreckten Armes seines Gegenüber. Der markerschütternde Aufschrei des Wolfes, der daraufhin folgte, ließ Keir schuldbewusst die Zähne aufeinander beissen, während die flammenden Gliedmassen des Inferi sich auf den Rest des unsterblichen Kriegers stürzten und ihn schließlich lichterloh brennen ließen.
Noch immer vom Feuer umschlossen, löste ihr Inferi endlich seinen vernichtenden Griff von dem lodernden Leib des Wolfes, der daraufhin scheinbar leblos in sich zusammen sackte.
Der üble Geruch nach verkohltem Fleisch und versengtem Haar trieb nicht nur Keir die Tränen in die Augen.
Keir war sich sicher, hätte sie nicht gewusst, das Unsterbliche nicht durch Verbrennung sterben konnten, hätte sie, in Anbetracht der ungefilterten Darstellung dieser ignoranten Skrupellosigkeit ihres Inferi, das blanke Entsetzen gepackt und sie hätte nie auch nur in Erwägung gezogen ihren Feuergeist innerhalb dieser Höhle loszulassen.
So aber schluckte sie das kurze Gefühl der Reue hinunter und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was sie inmitten dieses Chaos überhaupt hatte erreichen wollen.
Das rachsüchtige Knurren, das hinter ihr erklang, gab ihr die letzte Motivation die sie brauchte, um sich von dem grausamen Massaker abzuwenden, das sie innerhalb dieser Höhlengänge auf die unglücklichen Unsterblichen hatte niederregnen lassen, die sich ihr dummerweise in den Weg hatten stellen müssen.
Sie sah das goldene Leuchten in den Augen des blonden Wolfes, das Kier signalisierte, das die schäumende Wut, die den Krieger vor ihr überwältigte, die animalische Seite des Mannes hervorrief, die sich in Form einer wölfischen Bestie den anderen Spezies der Schattenwelt zeigte und einst von Hekate mit einem Fluch an seinesgleichen gebunden wurde.
Keir schluckte nervös, als sie sah, wie sich die schweren Muskeln des Kriegers weiteten und den elastischen Stoff seines Hemdes bis zum äussersten dehnten, während seine menschlichen Züge von seiner wölfischen Natur überlagert wurden und sich krampflos tief im innern seiner wachsenden Statur zurückzogen, bis sie für seinen Gegenüber vollkommen verblassten.
Von der Bestie in seinem innern dominiert, sah Keir entsetzt das erste Mal dabei zu, was der unbrechbare Fluch Hekates tatsächlich für einen Schattenwanderer der Werwolfspezies zu bedeuteten hatte.
Sehnen und Adern, die unter den massigen Armen des Wolfes pulsierten, pumpten Adrenalin und Stärke durch das Blut des Schattenwanderers vor ihren Augen und ließen ihn bedrohlicher erscheinen als alles, was Keir bisher in ihrem Leben hatte mitansehen müssen.
Scharfe Reisszähne blitzen unter dem bösartigen Grinsen auf, das der Werwolf seinem Feind zuwarf und durch das grelle Leuchten seiner stechenden Augen noch grausamer erschien, während ein großer Schatten den Rest seines riesigen Körpers umschloss und im Schein der Flammen des Inferis, die Silhouette eines gewaltigen Monsters an die verschmierten Höhlenwände projizierte.
Zitternd kam Keir auf die Füße, ohne den schockierten Blick von dem überwältigenden Abbild des Kriegers abwenden zu können, der verhängnisvoll vor ihrer winzigen Gestalt aufragte und seinen neuen Gegner wachsam taxierte.
Vorsichtig drängte sie ihren gebeugten Körper entlang der erhitzten Wände. Fort von der Angriffslust der beiden Gestalten, die sich nur wenige Meter entfernt gegenüber standen und sich schon bald in Fetzten reissen würden.
Keir hatte wenig Lust, als hilfloser Spielball zwischen diese beiden tödlichen Kreaturen zu geraten.
Sie hatte keinen Zweifel daran, das sie bei diesem Spiel den kürzesten ziehen und als kleinen Bonus noch mit ihrem Leben eins drauf setzten würde.
Sie genoss zwar den Nervenkitzel eines guten Kampfes, doch war sie nicht blöd genug, sich Hals über Kopf in ein aussichtsloses Unterfangen zu stürzen, wenn sie eine andere Wahl hatte.
Anders als sie konnte ihr Inferi nicht sterben, also genügte es, wenn er den Werwolf so lange ablenkte, bis Keir in die letzte Kammer schlüpfen und mitsamt den Schätzen zurück zum Portal gelangen konnte, das sie zuvor in diesen Teil des Amazonas gebracht hatte.
„Muss ich mich zurückhalten?", hörte sie die tiefe Stimme ihres Feuerinferi fragen, als sie sich gerade um die Ecke schleichen wollte und brachte Keir damit dazu, sich zu dem sarkastischen Tonfall umzudrehen, den sie nur selten zu hören bekam, wenn sie diesen Zauber sprach.
Noch immer umkreisten sich die beiden Geschöpfe aufmerksam. Keir wusste nicht, worauf sie warteten.
„Also?", wiederholte er gelangweilt und neigte mit einem spöttischen Lächeln den Kopf zur Seite. Ohne den Werwolf aus den Augen zu lassen oder seine Lippen zu bewegen.
Hin-und hergerissen überlegte Keir, ob sie sich sehr schlecht fühlen würde, wenn sie Secquiel grünes Licht für eine totale Verwüstung geben würde, die, wie sie ihn mittlerweile kannte, nicht gerade bescheiden ausfallen würde.
Doch als sich Keir ansah, welches Chaos sie bereits in dieser Höhle angerichtet hatte und sie sich noch einmal der fatalen Kraft ihres Feindes bewusst wurde, entschied Keir, das in diesem Fall nicht ratsam war Rücksicht walten zu lassen. Besonders, wenn sie daran dachte, das sie später durch genau den selben Gang zurück müsste, um zu ihrem Portal zu gelangen.
Sie bezweifelte, das sie selber einen Kampf mit dieser Bestie durchhalten würde.
Seufzend schüttelte Keir den Kopf.
Ohne in Frage zu stellen, ob der Inferi ihre Antwort mitbekam, drehte sich Keir um und sah gerade noch aus dem Augenwinkel, wie sich Secquiels Lächeln vertiefte und ein Wasserfall aus siedenden Flammen aus seinen glühenden Handflächen spie.
Als wäre ihre Zustimmung das letzte gewesen, das die beiden Kreaturen davon abgehalten hätte über einander herzufallen, hörte Keir schon in der nächsten Sekunde, wie Werwolf und Inferi gnadenlos auf einander stürzten.
Sie konnte nur hoffen, das diese Höhlenwände aushielten, was sie gleich zu ertragen hatten.
Die Zerstörungswut ihres Inferi war sogar noch größer als Keirs unerklärliche Abenteuerlust.
Er hatte Freude daran, seinen Gegnern im wahrsten Sinne des Wortes Feuer unter dem Hintern zu machen und seinen Kräften freien Lauf zu lassen, selbst wenn er den Kampf verlor.
Keir konnte sich seine waghalsige Ungezähmtheit nur damit erklären, das er sich nach endlosen Jahrtausenden eines immer gleichen Daseins nach etwas sehnte, das ihn forderte und Abwechslung brachte.
Bisher hatte Keir ihrem Inferi nur einmal die Erlaubnis erteilt, seinem Durst nach vollkommener Agonie zu stillen und hatte es noch Jahre später bitter bereut. Sie betete, das er sich dieses mal selber zügeln würde und verhinderte, das samt und sonders jeder Unsterbliche, einschließlich ihrer selbst, innerhalb dieser Tunnel unter einer Steinlawine begraben wurde.
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HYBRIDS Soul - Bhreac&Keir
FantasyIn der Welt der Unsterblichen gibt es nur eine Spezies, die mehr verabscheut wird als die fleischfressenden Ghule, die Nachts ihr Unwesen treiben; die Hybriden. Als Hybrid geboren zu werden gilt als Todesurteil. Seit 100.000 Jahren ist es Unsterblic...