2.
„Stagno teronem", kaum hatten diese Worte ihre Lippen verlassen, verblassten die Runen und die Wand begann zu zittern.
„Interium morum", mit einem weiteren Zauber zersplitterte die Barriere und Keirs Weg war frei.
Leicht verzog Keir das Gesicht, als sie an die bevorstehende Standpauke dachte, die ihr nach dieser Tat schon bald von Moira, ihrer Hexenältestin, bevorstand.
Es war streng verboten, als Zirkelhexe unerlaubt einen aktiven Zauber eines anderen Covenmitglieds außer Kraft zu setzen. Besonders dann, wenn dieser Vertraglich dem Schutz des Eigentums einer anderen Spezies zustand.
Doch seit vier Jahren tat Keir auf ihrer unstillbaren Jagd nach kostbaren Schätzen nichts anderes. Wann immer ihr ein Zauber den Weg versperrte, dachte Keir in ihrem Goldrausch nicht zweimal nach und bahnte sich ihren Pfad unbeirrt mitten durch die Barrieren.
Und jedes mal wurde Moira fuchsteufelswild, wenn einer der Unsterblichen Gruppierungen in seiner Wut über fehlende Schutzrunen und viel schlimmer einen fehlenden Schatz, beinahe ihretwegen einen Krieg anzettelte.
Leider war es mittlerweile nicht einmal mehr ein Geheimnis, wer für die zahlreichen aufgelösten Zauber verantwortlich war.
In der ganzen Unterwelt, war Keir inzwischen als die Bannbrechende Hexe bekannt und seit einiger Zeit gab es sogar Unsterbliche, die nach einer von ihren Finten, explizit nach einer Barriere forderten, die nicht nur Untweltler im Allgemeinen sondern eine Hexe im speziellen davor bewahrte, ihre Schätze zu stehlen.
Zugegeben, was sie tat mochte unrecht sein, doch was konnte Keir dafür, wenn ihre Coven Mitglieder solch miserable Schutzrunen anbrachten?
In den letzten Jahren existierten nur ein Bruchteil an Bannen, Flüchen und Barrieren, derer Zerstörung es mehr bedurfte, als eine besonders trickreiche und geübte Hexe, die nicht einmal vollständig in der Unsterblichkeit erstarrt war.
Und im Gegensatz zu Moira und den restlichen Zirkelmitgliedern, die seither einen unausgesprochenen Gräuel gegen Keir hegten, sah sie selbst was sie wirklich tat.
Sie brachte die anderen Hexen dazu an sich zu wachsen und bessere, mächtigere Zauber zu kreieren. Nicht nur für die Unterwelt, sondern vor allem und in erster Linie für den Schutz der Hexen. Natürlich war es für Hexen, die die selben Sprüche und Zauber lernten, um Blockaden zu errichten, ein leichtes eben diese auch zum Einsturz zu bringen, dennoch war Keir davon überzeugt, das all ihre Regelbrüche auf lange Sicht nur zum Besten für ihren Coven sein würde.
Während Keir über die Splitter der Barriere hinweg trat, legte ihr Offenbarungszauber eine weitere Falle frei.
Der weisse Nebel schlich die uralten Wandmalereien entlang und legte sich unterhalb ihrer magischen Flammen, in auf den Boden gerichtete Öffnungen nieder, die mit dem bloßen Auge beinahe nicht erkennbar waren.
Noch bevor Keir einen weiteren Schritt machen konnte, hörte sie bereits das hohe Pfeifen eines Pfeils, der durch die Luft direkt auf sie zu schnellte.
Ohne die enorme Schnelligkeit mit der eine Harpyie diesem Geschoss mühelos ausgewichen wäre, konnten Keirs hexen Reflexe sie im Gegensatz dazu nur geradeso davor bewahren, einen lebensbedrohlichen Treffer einzustecken. Stattdessen spürte Keir wie sich die Pfeilspitze tief in ihre Schulter bohrte und ein stechender Schmerz ihre rechte Körperhälfte durchzog.
Die Flammen an den Wänden explodierten in Folge einer Reflexion ihres Schmerzes und regneten in einem splitternden Feuerregen auf den Höhlenboden nieder, wo sie schließlich erloschen.
Zurück in der Dunkelheit griff Keir an ihre Schulter und ertastete mit zitternden Fingern das Geschoss, das durch ihren Umhang in ihre Haut gedrungen war.
Den Schmerz ignorierend, rief sie die Flammen erneut herbei und machte sich daran unter dem Feuerschein die Wunde zu begutachten.
Etwas klebriges quoll zusammen mit ihrem Blut aus dem Eintrittsloch heraus, das vom Pfeil bedeckt war und begann sich auf unverkennbare Art durch ihre Haut und ihre Kleidung zu ätzen.
„Verfluchter Mist", stieß Keir erschrocken hervor, während sie den Schaft des Pfeils packte und gewaltsam herauszog.
Sie fühlte bereits, wie sich das Gift der Chimäre in ihrem Körper ausbreite und ihr Inneres zerfrass.
Mit einer Hand auf die Wunde gepresst, richtete Keir einen verzweifelten Zauber auf die angegriffene Stelle ihres Körpers.
„Venom obstructo", brachte sie hervor, bevor ihre Knie nachgaben und sie nach Atem ringend auf dem Boden sackte.
Sie wusste, das dieser Zauberspruch nicht ewig halten und das Gift nur vorübergehend an einer Ausbreitung hindern würde. Es war mehr nötig als ein Obstruierungszauber, um sie vollständig zu heilen. Das Toxin der Chimäre war tückisch, selten und nicht so einfach zu überlisten. In der Unterwelt hatten nicht viele Zugang dazu. War man nicht gerade eine Hexe und in der Lage eine Ausbreitung zu blockieren, breitete sich das Gift innerhalb weniger Minuten im ganzen Körper aus und zerfraß die Haut des Betroffenen solange, bis er unter unvorstellbaren Qualen zu Tode kam. Selbst wahre Unsterbliche konnten Tage oder auch Wochen brauchen, um sich von einem solchen Angriff zu erholen.
Sobald sich Keirs Herzschlag beruhigt hatte, ballte sie ihre rechte Hand zur Faust und streckte ihren Arm in lockernden Kreisen von sich, um ihre Bewegungsfreiheit zu überprüfen.
Sie biss unter dem anhaltenden Schmerz die Zähne zusammen, wobei sie genervt vor sich hin brummte und kramte in ihrem Kopf nach einem Betäubungszauber.
„Anesthia", hauchte sie auf ihre Verletzung und merkte noch im selben Augenblick, wie die konzentrierte Wirkung des Giftes soweit abebbte, das nur noch ein gedämpftes Kribbeln auf ihrer Haut zurückblieb und Keir sich wieder aufrichten konnte.
Während sie ihrem Offenbarungszauber folgte, zog sich Keir ihren schwarzen Tarnumhang dichter um Gesicht und Körper und sah dabei zu, wie die weisse Wolke um eine Ecke herum verschwand.
Mit einer einfachen Handbewegung sandte Keir ihre Flammen hinterher und schaute sich in dem neuen Gang um, der sich vor ihr auftat.
Weitere Wandzeichnung zierten die ansonsten kahlen Steinwände und zeigten einen wölfischen Krieger, der mit geschlossenen Pranken vor einer einfachen Kiste kniete, die in mitten von Unmengen an Gold und Edelsteinen thronte. Diese Szene war ähnlich und doch in vielerlei Hinsicht anders als die, die Keir noch vor wenigen Momenten bewundert hatte.
Eine einzige Sequenz zog sich, von der Decke bis zum Boden in Lebensgröße bis zum ende des Ganges über die beleuchteten Steine und zogen Keir wie magisch in ihren Bann, als ihre Augen auf die Statur des Werwolfes fielen, der sich stolz vor ihr zeigte.
Sein hochgewachsener Körper war von unzähligen Narben gezeichnet, die ihn wie mehr als einen typischen unsterblichen Kämpfer aussehen ließen. Breite Schultern und kräftige Arme ließen ihn trotz seiner gebeugten Haltung mächtig erscheinen.
Sein ehrfürchtiger Blick war gebannt auf eine weibliche Silhouette gerichtet, die sich mit dem Rücken zu ihm gerichtet, auf der anderen Seite der Kiste befand. Anders als die Gesichtslose Frau, vor der er sich niederließ und bei der Keir nicht einmal ihre Spezies genau hätte ausmachen können, hatte der Wolf definierte Gesichtszüge. Volle Lippen verdeckten die spitzen Reiszähne und lenkten beinahe von der schwarzen Lockenpracht ab, die seine animalischen Züge umrahmten.
Sein intensiver Blick wurde von seinen dominanten Augen auf eine solch lebendige Weise verstärkt, das es Keir auf eine vollkommen andere Art den Atem raubte, als der Schmerz des Pfeils, der sie vorhin getroffen hatte. Trotz oder gerade wegen des schwachen Lichtscheins, der durch die magischen Flammen über die Malereien leckte, konnte Keir die unbändige Leidenschaft, die dieser Wolf der Frau vor ihm entgegenbrachte, schon beinahe körperlich spüren.
Als Keir einen kleinen Faden entdeckte, der zwischen seinen großen Händen hervorlugte, trat sie so nahe an die Wand heran, das sie sie beinahe mit der Nase hätte berühren können.
Doch es war kein Faden, bemerkte sie bei genauerem hinsehen, es war eine Kette, schlicht und so viel dezenter als der übrige Schatz, der sich zu genüge zu seinen Knien befand und doch gab die Art, wie dieser kraftvolle Wolf sie mit aller Vorsicht in seinen Händen hielt, Keir das unleugbare Gefühl, als wäre diese einfache Kette kostbarer als alles andere, was sie in dieser Höhle würde finden können.
Keir konnte ihren Herzschlag in ihren Ohren Wiederhallen hören, als sie sich ausmalte diese Kette um ihren eigenen Hals zu tragen.
Sie war wegen Gold, Edelsteinen und einem seltenerem magischen Artefakt in diesen verlassenen Ort gekommen, doch nun konnte sie nur noch daran denken, diesen einen Schmuck zu besitzen, wie wertvoll dieser außerhalb dieser Steinernen Wände nun tatsächlich war oder nicht.
Es hatte fast etwas gewaltsames, als Keir sich zwang von der hypnotischen Wirkung dieser Malerei zurückzutreten und weiter in die Höhle vorzudringen.
Beinahe so stark wie der Wunsch nach dieser Kette, drängte sie auch das Kribbeln in ihrem Arm sie dazu, endlich die letzte Kammer zu erreichen.
Moira konnte das Chimären Gift aus ihrem Körper ziehen, sollte sie es schaffen, vor ende des Tages zum Coven zu gelangen, bevor Keirs Zauber nachließ und sich das Toxin weiter ausbreitete.
Danach würde sie zwar ein paar Tage brauchen, um sich zu erholen, doch sie würde es auch ohne ihre Unsterbliche Seite schaffen, diese Verletzung zu überleben.
Der Nervenkitzel würde nicht mehr der selbe sein, wenn sie erst einmal ihre übernatürliche Heilungskraft erweckt hätte, wurde ihr wieder bewusst und erinnerte sie daran, wieso sie sich gerade jetzt in dieser Situation befand.
Es war zwar waghalsig und leichtsinnig, doch dieses Gefühl und das Adrenalin, das ihren Körper auf der Suche ins Ungewisse durchflutete, machte für Keir einen Großteil dessen aus, was in ihr bei all ihren Jagden so viel Begeisterung hervorrief.
Sie sah der Wolke dabei zu, wie sie sich in einen kleinen Schlitz im Stein am Boden zurückzog und spurlos verschwand.
Es waren keine weiteren Fallen vorhanden; wem sie jetzt noch begegnen würde, wären ausschließlich Gegner aus Fleisch und Blut.
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HYBRIDS Soul - Bhreac&Keir
FantasyIn der Welt der Unsterblichen gibt es nur eine Spezies, die mehr verabscheut wird als die fleischfressenden Ghule, die Nachts ihr Unwesen treiben; die Hybriden. Als Hybrid geboren zu werden gilt als Todesurteil. Seit 100.000 Jahren ist es Unsterblic...