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Sie wusste zwar, das der dicke Tarnumhang, der sie seit Jahren auf ihren Streifzügen um die ganze Welt begleitet und den sie zusätzlich mit einem uralten Verhüllungszauber belegt hatte, weites gehend ihren Geruch und ihre Gestalt vor Unterweltlern und Menschen verbergen würde, sodass sie beinahe unsichtbar wirkte, doch hatte Keir ihn niemals in Gegenwart von Werwölfen und ihrem ausgeprägten Geruchssinn auf die Probe stellen können.
Obwohl sich alle Sinne eines Unsterblichen nach dem Erwachen im allgemeinen um ein Vielfaches verstärkten, existierten manche Spezies, dessen einzelne Wahrnehmungsfähigkeiten ausgeprägter waren als die anderer Arten.
Und es galt gemeinhin als ein schlecht gehütetes Geheimnis, das der eklatante Geruchssinn eines vollständig erwachten Werwolfes mit nichts vergleichbar war.
So hatten die wölfischen Beschützer ihre Ankunft vielleicht, dank ihres Umhangs noch nicht bemerkt, doch erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, Keir trotz ihrer Verhüllung riechen zu können, mit jedem Schritt den sie sich ihnen näherte, drastisch.
Kurz zögerte Keir, bevor sie sich auf den kühlen Boden hockte und die ausgestreckten Finger auf den harten Weg unter sich presste.
„Sonore tancturem", formte Keir lautlos mit ihren Lippen, ehe sie spüren konnte wie es in ihren Ohren für einen winzigen Augenblick rauschte und sie damit der Umgebung um sich herum für die nächsten Stunden jedes Geräusch entzog. Nur noch sie würde nun in der Lage sein, Töne und Laute, die innerhalb dieser Hallen erklingen würden, zu vernehmen. Für alle anderen wäre es, als hätte jemand ihre Ohren mit schalldichter Watte gefüllt.
Keir ahnte, das dieser Spruch sein ganz eigenes Risiko barg, da jeder, der von diesem Zauber betroffen und sich der Anwesenheit eines Feindes noch nicht bewusst war, sich sofort, ob seines fehlenden Gehörs, zum Kampf bereit machen würde.
Auch wenn Keir sich bewusst war, das sie auf der körperlichen Ebene niemals eine ernstzunehmende Parallele für einen Werwolf darstellen mochte und in einer fairen Auseinandersetzung nur Sekunden überleben würde, so hatte sie doch in den letzten Jahren einige Strategien und Täuschungen perfektionieren können, um jetzt eine reelle Chance zu sehen, die Wächter dieses Ortes wirkungsvoll überlisten zu können.
Deshalb traute sich Keir, als schlafende Unsterbliche, die Begegnung mit Wesen zu riskieren, denen sich in der Unterwelt niemand sonst freiwillig in den Weg stellen würde.
Denn sie musste nicht in der Lage sein sie zu töten, sagte sie sich noch einmal im Geiste, um die leise Beklemmung zu unterdrücken, die sich trotz aller Bemühungen sie zu ignorieren, flüsternd an ihren Verstand heranschlich und ihr Handeln mit rationalen Begründungen in Frage zu stellen versuchte. Nein, es reichte sie lediglich solange außer Gefecht zu setzten, damit sie selbst genug Zeit hatte, sich ihren Schatz zu schnappen und zurück zu dem Portal zu flüchten, das sie auf diese Plattform der Unterwelt gebracht hatte.
Überhaupt kein Problem, beruhigte sie ihre aufwirbelnden Gedanken, die in ihrem Kopf die Möglichkeit von viel Blut und schweren Verletzungen in ihre Planung mit einfließen ließen.
Sie straffte ihre Schultern und richtete sich auf, wobei sie sich bemühte sich nicht dem Teil in ihrem Innern bewusst zu werden, der sie an an Ort und Stelle zu halten versuchte.
Durch gleichmäßige Atmung ihren Herzschlag beruhigend, ging sie gleichzeitig im Geiste das wilde Repertoire an Waffen durch, das sie sich für diese Mission zugelegt hatte, während sie auf den Feind wartete, der ohne Zweifel kommen würde.
Sie hatte sich alles gegriffen, was ihr auch nur den geringsten Vorteil gegen die Wölfe oder sonstige Höhlenkreaturen verschaffen würde, denen sie hier begegnete.
So waren Betäubungspulver und kraftbindende Talismane nur wenige der magischen Hilfsmittel, auf die sie sich in diesem Kampf verlassen konnte; wenn auch nicht die mächtigsten unter ihnen.
Keir zweifelte daran, das die Angreifer mit dem rechnen würden, was sie noch in einem ihrer kleinen Leder Beutel für den Ernstfall bereit hielt.
Sie hatte zwar nicht viel Übung und so einige, nicht gerade triviale Schwierigkeiten im Umgang mit diesem rundum einzigartigen Werkzeug, doch Keir setzte dennoch all ihre Hoffnung in diesen einen Trumpf, sollte sie sich wirklich gezwungen sehen, ihn beschwören zu müssen.
Das lauter werdende Geräusch schmatzender Gliedmaßen, die sich durch die Höhlengänge auf sie zubewegten, lenkte Keir wirkungsvoll von der unausweichlichen Verwüstung ab, die sie wohl schon bald in diesen Gängen loslassen würde.
Keir hatte bereits vorausgesehen, das die Werwölfe nicht die einzigen Unsterblichen sein würden, die den Reichtum im Innern der letzten Kammer schützen würden, nachdem es nur so wenige andere Fallen und Barrieren gegeben hatte, die Außenstehende aufhalten sollten.
Noch während sie ihr Gewicht auf ihr hinteres Bein verlagerte und den linken Fuß in Kampfstellung nach vorne brachte, schossen drei grünlich schimmernde Kreaturen mit wild schimmernden Augen um die Ecke der Höhle und schnappten mit weit aufgerissenen Mäulern nach Keirs verhüllter Gestalt.
Ziellos und rasend schnellten ihre Krallen hervor, als sie versuchten ihren unsichtbaren Feind mit Zähnen und Pranken zu zerfleischen. Innerhalb weniger Sekunden hatten die Metergroßen Geschöpfe Keir umzingelt und in ihrer Mitte eingeschlossen. Von allen Seiten schlugen Klauen und Reißzähne in blinder Raserei auf sie ein und nahmen ihr trotz ihrer verschleierten Gestalt die Oberhand. In dem beengten Zwischenfeld ihrer Körper, wich Keir nur knapp ihren zügellosen Attacken aus und überließ sich dabei in ihren Bewegungen ganz ihrem Überlebensinstinkt.
Ihre Gedanken schalteten sich aus, während ihre Beine und Arme instinktiv ihrem Gegenüber auswichen.
Ein Lurtin brach aus dem Muster seiner Gefährten heraus, die weiterhin in brutaler Manier ihre Kiefer und Klauen nach Keir ausholten und warf seinen massigen Körper auf die scheinbar leere Stelle, auf die seine Brüder auch weiterhin erbarmungslos einschlugen.
Reflexartig griff sich Keir einen ihrer spitzen Dolche, die sie im Geschirr ihres Oberschenkels verborgen hielt und wirbelte, noch während sie sich zum Schlag bereit machte, zur Seite, um dem aggressiven Hieb, der frontal mit ihr zu kollidieren drohte, auszuweichen.
In blinder Angriffslust, wälzte sich das unsterbliche Wesen vom Boden ab und sprang in einem erneuten Versuch auf den unsichtbaren Eindringling zu, den es soeben verfehlt hatte.
Nur einen Millimeter entfernt flog der faulige Rücken des Egelartigen Tieres an ihr vorbei und traf mit einem platschenden Echo auf dem steinernen Grund zu ihrer linken auf. Mit einer einzigen Bewegung wand sich Keir um sich selbst und grub dabei die messerscharfe Klinge in die pulsierende Kehle ihres grotesken Angreifers, der sich nur eine Armeslänge von ihr entfernt befand, bevor dieser es schaffte, sich zu einem erneuten Sprung aufzuraffen.
Die Hand, die den Dolch umfasst hielt, sank mehrere Millimeter in die teigige Haut des schleimigen Ungeheuers und zerriss dabei brutal die gesamte Halsschlagader des brüllenden Tieres.
Eiterndes Blut spritze aus der klaffenden Wunde und hinterließ dort, wo es auftraf einen solch verwesenden Gestank, das es Keir die Tränen in die Augen trieb und ihre Sicht behinderte.
Von dem bestialischen Geruch benebelt, stolperte Keir zur Seite und riss bei ihrem Aufprall die Klinge aus dem Hals des zusammengesunkenen Lurtinen, der mit einem letzten Schrei leblos zusammenbrach. Mit den Handflächen voran versuchte Keir, ihren Sturz abzufangen und spürte wie sich die scharfen Kanten eines Steines in ihre Haut bohrten.
Gebadet im Blut des toten Feindes und auf allen vieren vor ihnen, sah sie wie sich die Nasenflügel der beiden überlebenden Lurtinen blähten und den penetranten Geruch, der an Keir klebte, in sich aufnahmen.
Binnen eines Wimpernschlages fixierten opalisierende Augen die Stelle, an der Keir zu ihren Körpern kniete und sie konnte spüren, wie ihr Herz für einen Moment in seinem Schlag erstarrte, als ihr bewusst wurde, das nicht mal ihr Verhüllungszauber im Stande war, eine solche Welle des Gestanks zu verbergen.
In letzter Sekunde schaffte es Keir sich in die winzige Ecke zu flüchten, die entstand als zwei gierige Mäuler sich im Einklang über sie herfielen.
Ohne nachdenken zu müssen, richtete Keir ihre zerkratzte Handfläche auf den knochenlosen Rumpf des größten Lurtinen und ließ mit einer einzigen Bewegung, ihre magischen Flammen auf ihn niederregnen.
Loderndes Feuer entzündete sich dort, wo die Flammen mit seiner Haut in Berührung kamen und verbreiteten eine unerträgliche Hitze in dem gefüllten Gang der Höhle.
Unter ohrenbetäubenden Gebrüll wand sich die Kreatur in unvorstellbaren Schmerzen.
Mit einer Hand packte Keir einen ihrer Talismane und sog mit aller Kraft, die Machtreserven, die er in sich trug in ihren Körper, um die Flammen auch ihren letzten Angreifer auf den Hals zu hetzten.
Wie die Köpfe einer Hydra spalteten sich Keirs Flammen und peitschten durch die Luft.
Schweiss tropfe von ihrer Stirn, als die Temperaturen des Feuers in die Höhe schossen und auch noch den letzten Lurtinen unter sich begruben.
Im Bruchteil eines Augenblicks erstarb das qualvolle Heulen, der leidenden Ungeheuer und ließ nichts als Asche und Staub von ihnen zurück, während die deckenhohe Glut auf ein winziges Flämmchen zusammenschrumpfte, die flackernde Schatten auf den erhitzen Boden warf.

HYBRIDS Soul - Bhreac&KeirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt