16. Die ersten Hürden

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"Wo lang müssen wir jetzt?" Luke flüsterte in das Funkgerät, vermutlich weil es stockdunkel war. "Biegt nach rechts ab", kam als Antwort. Ich nahm an, dass Luke nickte und folgte ihm langsam. Nach wie vor sah man nicht einmal die Hand vor Augen, sodass ich mich auf die Schritte und die Worte der Polizisten verlassen musste. "Halt, bleibt mal stehen", ertönte die Stimme aus dem Funkgerät. "Was ist los? Sind Creepypastas in der Nähe?", fragte ich leise, um in diesem Fall keine Aufmerksamkeit zu erregen. Es knackte kurz, bevor die Stimme des Mannes ertönte. "Ich bin mir nicht sicher, ich kann nicht einmal auf dem Monitor etwas erkennen... Das beunruhigt mich." Ich schluckte, für einen Moment war jeder von uns still, dann fiel mir plötzlich etwas ein. "Bekomme ich bitte mal die Taschenlampe?", fragte ich und kurz darauf legte mir jemand einen schweren Gegenstand in die Hand. Normalerweise wollten wir die Taschenlampen nicht benutzen, da dies, vor allem in sehr langen Gängen, möglicherweise Creepypastas anlocken konnte, doch nun brauchte ich sie. Ich holte das Papier aus meiner Hosentasche und faltete es auf. Danach knipste ich die Taschenlampe an und warf einen Blick auf die Karte. "Woher hast du die?", fragte mich der andere Polizist, auch Luke schien leicht verwirrt. Ich sah auf. "Nina und ich haben sie Jeff vor einem halben Jahr abgenommen. Ich habe sie mitgenommen, sozusagen als Ass im Ärmel." Ich lächelte leicht und nun grinsten auch die Beamten. Dann widmeten wir uns wieder alle der Karte. Plötzlich verzog der mir fremde Beamte das Gesicht. "Das sieht mir ziemlich verwirrend aus." Luke nickte. "Ja, ich kann auch nur etwas deuten... Nützt uns die Karte denn überhaupt etwas?" Ich nickte. "Das erste mal, wo ich die Karte sah, habe ich Nina und mich aus Versehen in einen Raum mit Säure gelotst. Damit das nicht nochmal passiert, habe ich, als ich wieder aus diesem Labyrinth draußen war, angefangen, die Karte zu studieren und... nun ja, ich müsste mich jetzt ganz gut auskennen." Mein Blick glitt wieder zu der Karte, ich hörte ein Murmeln, das wohl so viel wie "Das wollen wir mal hoffen" heißen sollte. Ich ignorierte es und richtete die Taschenlampe auf das Papier. "Hier befinden wir uns", teilte ich den anderen mit, "und hier wollen wir hin. Das heißt, dass wir durch diesen Gang und dann ein paar mal rechts abbiegen müssen. Dann müsste eine Treppe kommen und-" Ich hielt inne, legte meinen Finger auf ein Symbol, das in dem Gang, in dem wir uns befanden, eingezeichnet war. "Was ist das?" In diesem Moment leuchtete plötzlich ein grelles Licht auf. Ich kniff meine Augen zusammen und ließ aus Versehen die Taschenlampe fallen. Das Licht war so grell, dass ich meine Augen einige Zeit geschlossen halten musste, bis ich mich endlich an die Helligkeit gewöhnt hatte. "Seid wachsam. Laura, hast du noch dein Messer?", fragte Luke und ich schüttelte meinen Kopf. Ich hatte es beim Kampf gegen Bloody Painter verloren. Der andere Mann drückte mir eine lange Klinge in die Hand und ich nickte dankend. Kurz betrachtete ich die Waffe in meiner Hand; es war kein Messer, sondern ein Dolch. Ich löste meinen Blick, suchte den langen Gang nach irgendeiner Gefahr ab, doch es war rein gar nichts zu sehen. "Hier lauert wohl keine Gefahr", brach der Beamte die kleine Stille, er wollte schon weiterlaufen, doch Luke hielt ihn ab."Es könnte eine Falle sein", sprach ich das aus, was auch er sich vermutlich gedacht hatte. "Wie sollen wir vorgehen?", wandte ich mich an ihn. "Ich schlage vor, dass einer von uns vorläuft. Falls es eine Falle ist und derjenige angegriffen wird, kämen die anderen aus dem Hinterhalt, um ihm zu helfen." Ich nickte. "Und wer geht voraus?" Beide Beamten sahen mich an. Ich wollte widersprechen, merkte aber schnell, wie sinnlos das war. "Na gut. Hier, nehmen Sie die Karte, falls wir getrennt werden." Ich merkte, wie unwohl Luke bei dem Gedanken war, dennoch nickte er und nahm die Karte an sich. Ich hielt den Dolch fest umklammert und den Arm mit dem metallenen Schutz automatisch nach oben, um mögliche Angriffe abzuwehren. Dann lief ich langsam den Gang entlang, mein Tempo verschnellerte sich, bis ich schließlich sprintete. Ich blickte immer wieder die Wände an und sah an einer plötzlich kleine Spitzen, die herausragten. Ohne lange zu überlegen sprang ich, rollte mich ab und konnte so den herausschießenden Pfeilen ausweichen. Nach geschätzten 150 Metern kam ich am Ende an und lehnte mich an die Wand. Ich lugte vorsichtig um die Ecke. Ein weiterer, hell beleuchteter Gang war zu sehen, allerdings war dieser höchstens 5 Meter lang. Am Ende befand sich eine Tür. Nun blickte ich zu den Polizisten zurück, winkte sie zu mir her und zeigte noch einmal auf die Stelle mit den Pfeilen, um sie zu warnen. Ich sah, wie auch sie hersprinteten. Bei den Pfeilen blieben sie kurz stehen, um sich zu vergewissern, dass keine mehr herauskamen, dann liefen sie weiter. Doch plötzlich schossen erneut Pfeile heraus und ich hörte einen Schrei. Luke hatte es geschafft, auszuweichen und auch der andere Polizist schien auf den ersten Blick unverletzt, doch dann sah ich den Pfeil in seinem Bein. Ich wollte schon zu ihnen hinrennen, doch Luke bedeutete mir, stehen zu bleiben, stützte den anderen Polizisten und schaffte es, den restlichen Geschossen auszuweichen. Ich lief ihnen entgegen, nahm dem verletzten Polizisten den Rucksack ab und öffnete ihn. Luke sah den Beamten an. "Ich muss den Pfeil jetzt abbrechen, das wird vermutlich sehr wehtun." Der andere Mann nickte und biss die Zähne zuammen, als Luke den Pfeil mit einer Handbewegung abbrach. Ich holte einen Verband aus dem Rucksack und wickelte ihn um das Bein, mehr würden wir im Moment nicht tun können. "Lasst mich hier", sagte der Beamte plötzlich. "Mit mir seid ihr vielleicht nicht schnell genug, wenn es darauf ankäme." Luke schüttelte den Kopf. "Nein, wir werden hier niemanden zurücklassen." Er wandte sich an mich. "Du wirst den Rucksack weiterhin tragen, aber sei vorsichtig. Darin ist eine voll funktionstüchtige Bombe." Ich nickte und wollte etwas erwidern, als ein Dröhnen ertönte. Irgendetwas schoss von oben herab, es ging zu schnell, als dass ich es richtig hätte realisieren können. Luke war der einzige, der schneller reagierte und mich nach hinten schubste, dann senkte sich die Glasscheibe vollkommen zwischen uns. Ich starrte auf die andere Seite zu den Beamten und atmete automatisch schneller. Luke schien irgendetwas zu sagen, doch das Glas war zu dick und ich verstand kein Wort. Dann fiel ihm etwas ein und er holte sein Funkgerät heraus, ich tat es ihm gleich. "Laura, bleib jetzt ganz ruhig", ertönte seine Stimme kurz darauf. "Hast du deine Waffe, den Rucksack und die Karte?", fragte er weiter, als ich nichts erwiderte. "Die Karte habe ich Ihnen gegeben", antwortete ich. "Stimmt... Es nützt nichts, wir werden einen Weg finden müssen-" "Nein", erwiderte ich schnell. "Unsere Zeit ist sowieso schon begrenzt und ich weiß, wo ich lang muss. Bis zur Mitte sind es nur noch ein paar Gänge. Ich kann dort hingehen, die Bombe legen und wieder herkommen, vielleicht finde ich auch einen Weg, die Scheibe hier zu entfernen." Eine lange Stille entstand, dann antwortete er langsam:"Okay, aber sei vorsichtig. Wir bleiben per Funk in Kontakt." Ich nickte, drehte mich um und lief um die nächste Ecke.

Die Invasion der CreepypastasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt