vier.

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Am nächsten Tag gehe ich zum ersten Mal zur Uni in Oslo. Zugegebenermaßen bin ich ziemlich aufgeregt und gut geschlafen habe ich, wer hätte es gedacht, mal wieder nicht, was meine Aufregung auch nicht wirklich verbessert.

Ich stehe nun direkt vor dem Eingang der Uni. Mir ist ein wenig schlecht, denn es fühlt sich so an, als bestünde mein Inneres gerade aus einer Mischung von Angst und Nervosität, aber auch ein Gefühl von Gespanntsein keimt langsam aber sicher in mir auf.
Ich frage mich insgeheim, ob ich Freunde finden würde, aber das würde ich nie laut zugeben.
Ich weiß nämlich, dass ich sehr eigen und anstrengend sein kann.

Nachdem ich mir die äußeren Umrisse der Uni eingeprägt habe, welche übrigens ziemlich erstaunlich sind, trete ich durch den hohen Eingang.
Ich weiß nicht, wo sich der Saal meiner ersten Vorlesung befindet, deswegen sehr ich mich kurz um. Die Aula hat sich innerhalb weniger Sekunden so schnell geleert, dass ich mich innerlich ohrfeige, wieso ich nicht ein wenig früher losgegangen bin. In der Mitte der Aula lehnt sich ein Junge gegen einen der kleinen Tische.
Neben ihm steht ein großes Mädchen und sie scheinen sich aufgeregt über etwas zu unterhalten.
Kurz bleibe ich stehen und zögerte, ich frage mich, ob ich ihr Gespräch wirklich unterbrechen soll, aber dann gebe ich mir einen Ruck.

„Tschuldigung, wisst ihr zufällig, wo sich der Raum B1 befindet?", frage ich und setze mir das netteste Lächeln auf, das ich in diesem Moment zu Stande bringe.

Das Mädchen erwidert mein Lächeln sofort und scheint kurz zu überlegen.
„B1? Ach, dann bist du ja in meinem Biochemie-Kurs!", ruft sie dann überrascht.
Sie rammt dem Typen, der mich bis jetzt nicht einmal angeblickt hat, ihren Arm in die Seite.

„Kjer, wir können...", sie schaut mich fragend an.
„Svea", gebe ich kurz zurück.
„...Svea doch mitnehmen, wenn sie sowieso in unserem Kurs ist."
Der Typ - Kjer - wirft ihr einen genervten Blick zu, nickt aber schließlich.

„Ich...will euch nicht stören oder so...", murmele ich verunsichert.

Das Mädchen winkt hastig ab.
„Nein, nein. Du störst uns nicht. Mein Bruder ist immer so genervt, das liegt nicht an dir, echt."
Sie lächelt mich warmherzig an.
Jetzt, wo ich mir die beiden genauer ansehe, fällt mir ihre Ähnlichkeit sofort auf. Komisch, dass ich das vorher nicht erkannt habe, denn sie sehen sich echt verdammt ähnlich.

„Oh, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt", reißt sie mich aus meiner Starre.
„Mein Name ist Elviira, oder kurz Ela. Und das hier", sie stößt ihm noch einmal ihren Ellenbogen in die Rippen, was ihm ein schmerzvolles Stöhnen entlockt „ist Kjer."

Ich nicke..
„Freut mich."
„Mich auch. Also komm, ich zeig dir, wo's hingeht", höre ich sie noch sagen, und schon legt sich mir ein Arm um die Schultern und zieht mich den Gang entlang.

Ich verbringe den ganzen Tag mit Kjer und Ela, worüber ich sehr dankbar bin. Sogar beim Essen sitze ich mit ihnen an einem Tisch zusammen mit zwei anderen Freunden von den beiden, Yanik und Tom, die ebenfalls sehr nett zu sein scheinen. Nur in den Kursen, die Ich nicht mit Ela zusammen habe, sitze ich entweder alleine oder neben Kjer.
Ersteres ist mir ehrlich gesagt lieber. Ich weiß nicht, was ich von Kjer halten soll, denn wir reden nicht viel miteinander. Außerdem scheint er die ganze Zeit genervt von mir zu sein, weswegen ich gar nicht erst versuche, ein Gespräch anzufangen.

Ela ist eine, ich würde sagen, eher gewöhnungsbedürftige Person. Ich habe sie zwar sehr schnell ins Herz geschlossen, da sie einfach ein von Grund auf warmherziger und netter Mensch ist, das ist ganz offensichtlich, aber sie kann auch anstrengend sein. Sie labert mich die ganze Zeit über ihr Privatleben voll, was mich ehrlich gesagt erstaunt. Ich selbst würde niemals so schnell jemandem, den ich gerade erst kennengelernt habe, etwas derartig Persönliches über mich anvertrauen, was ich also auch nicht tue.
Mir tut es ein bisschen Leid, ihr nichts entgegen bringen zu können, aber ich hoffe, dass ich mit der Zeit vielleicht ein bisschen auftauen werde.
Es hat in meinem Leben noch nie viele Personen gegeben, denen ich voll und ganz vertrauen kann, und es fällt mir schwer, mich auf neue Bekanntschaften einzulassen.

Nach meiner letzten Vorlesung, die ich mit Kjer zusammen habe, verabschiede ich mich von ihm und mache noch schnell einen kurzen Abstecher im Büro, um mich für einen Norwegisch-Sprachkurs anzumelden. Kann ja nicht schaden, denke ich. Mein Norwegisch ist nicht schlecht, jedoch eben auch nicht gut.

Ich habe gerade die Tür hinter mir ins Schloss fallen lassen, da vibriert etwas an meinem Arsch. Hastig krame ich mein Handy aus meiner Hosentasche, wobei es mir fast aus der Hand gefallen ist, und drücke auf das grüne Telefon auf dem Display.

„Hallo?"

„Hey Svea, wie gehts dir?"
Ich erkenne Jannas Stimme am Ende der Leitung.

„Hey, ja ganz gut, dir? Wie läuft die Arbeit?", frage ich.

„Läuft ganz gut. Obwohl, naja. Ehrlich gesagt nicht. Arbeit ist genau der Grund wieso ich dich anrufe." Sie macht eine Pause.

„Also, pass auf. Ich glaube ich habe dir noch nicht davon erzählt, aber ich und die Firma vermarkten gerade ein Produkt, genau genommen ein neues biochemisches Analyse-Gerät. Wir wollen eine andere Firma davon überzeugen, uns dabei zu unterstützen und 30% der Kosten zu übernehmen."

„Janna, worauf willst du hinaus?"

„Okay, ich mache es kurz. Unser Biologe Schwarz hat gestern unerwartet gekündigt, dieses Arschloch...
Jedenfalls brauchen wir jemanden, der der Firma die genauen Abläufe des Geräts und den Zusammenhang mit den chemischen Prozessen erklärt. Und da dachte ich mir..."

„Du weißt schon, dass ich noch nicht fertig studiert habe, oder?", unterbreche ich sie sofort.

„Ja klar, ich...wir sind nur sehr verzweifelt. Wir treffen die Firma schon in 2 Tagen und wir haben alle keine Ahnung, woher wir so kurzfristig noch einen kompetenten Biologen herkriegen sollen. Wir würden dir natürlich auch etwas Zuschlag dafür geben."

Wieder unterbreche ich sie.
„Nein nein, das ist gar nicht nötig. Mir geht es nur darum, dass ich mir nicht sicher bin, ob die Firma mich ernst nehmen würde, verstehst du?"

„Ja ich weiß, wir müssen ihnen ja nicht zwingend sagen, dass du noch Student bist...Svea, ich weiß, Marketing ist normalerweise nicht das, was du am liebsten machen würdest, aber ..."

„Okay, ich mache es. Es ist zwar sehr kurzfristig und wie du schon gesagt hast, Marketing ist nicht so mein Ding, aber okay."

Ich höre ein erleichtertes Seufzen am Ende der Leitung.
„Danke, du bist die Beste! Morgen bringe ich dir das Gerät. Nochmals, danke!"
Bevor ich etwas erwidern kann, legt Janna auf, und ich war alleine mit dem Gedanken an das Treffen in zwei Tagen, was mich zugegeben jetzt schon zum Schwitzen bringt.

Wenn der Schnee fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt