Kurzgeschichten

Bella

Er ist eingeschlafen. Wie süss er dabei aussieht. Lächelnd beobachte ich ihn und streichle seine Wange. Ben sollte sich wieder mal rasieren, ich muss schmunzeln. Fürsorglich decke ich ihn zu und wende meinem Laptop wieder die Aufmerksamkeit zu. Ich bin Schriftstellerin. Naja, zumindest versuche ich es zu sein. Momentan ist dies nur ein Hobby. Ich arbeite als Assistentin des Chefs in einem Büro für Architektur. Vielleicht klingt dies alles andere als spannend, jedoch ist das meine grösste Leidenschaft. Mein Chef war ein toller Mann. Sowas wie ein Bruder für mich. Zumindest war er das. Aber um ihn geht es nicht.

Es geht um mein ein und alles, der in diesem Moment neben mir liegt. Vor einem guten Monat hätte ich niemals gedacht, dass er meins wird. Ben und ich kannten uns schon im Büro, und wir haben eine feste Regel dort: Keine Beziehungen zwischen Mitarbeitern. Für diese Regel war mein Chef zu seiner Ausbildungszeit noch verantwortlich. Er hat sich mit seiner Freundin, die Tochter des damaligen Chefs getrennt. Dies hat so viel Chaos ausgelöst, dass diese Regel schlussendlich aufgestellt wurde.

Aber wie bin ich mit Ben also zusammen gekommen, trotz dieser Regel? Nun. Dies werde ich euch erklären. Dafür müssen wir etwas in der Zeit zurück:

Drei Monate vorher,  Januar 2021 

Grinsend stelle ich die Tasse Kaffee auf Bens Tisch, der mir einen verwunderten Blick zuwirft. "Danke, aber wie habe ich den denn verdient?", er fängt an zu grinsen und nimmt einen Schluck. "Warum muss man sich dann immer alles verdienen? Ist einfach aus Freundlichkeit", grinse ich zurück und lehne mich an seinen Tisch. "Okay Caroline was willst du?", ich hasse es wenn er mich so nennt. "Bella", schnippe ich zurück. "Jaja, Bella. Also?", er schaut zu mir nach oben. Ich seufzte. "Wie gesagt", wiederhol ich mich, "das ist nur aus Freundlichkeit". Ich drehe ihm den Rücken zu und setze mich gegenüber von ihm, an meinen Schreibtisch.

"Ach Bella. So schnell beleidigt?", hackt er nach, bleibt jedoch sitzen. Ohne eine Antwort zu geben mache ich mit meiner Arbeit weiter. Ich habe bereits Gefühle für ihn entwickelt, aber der Gedanke daran die Regel zu missachten, gefällt mir gar nicht. 

Genau in diesem Augenblick spüre  ich eine kalte, ziemlich grosse Hand an meiner Schulter. "Guten Morgen", grinst Edward, mein Boss. Seine kalte Hand an meiner Schulter zu spüren, lässt mich automatisch erfrieren. Ich mag es überhaupt nicht, wenn man mich einfach anfasste. Und vor allem von ihm nicht. Wir hatten es sehr lange ziemlich gut miteinander. So dass wir auch privat uns näher kamen. Nicht so wie ihr denkt, er ist wie der Bruder für mich, den ich nie hatte. Er hat mir sehr viel geholfen.

Jedoch kommt es seit ein paar Wochen vor, dass er versucht mich anzufassen, wie jetzt zum Beispiel, oder Bemerkungen macht, die nicht angemessen sind. Schlimmer ist, dass ich das in der Vergangenheit schon mal durchmachen musste. Dies ging fast damit aus, dass ich mich um ein Haar in den Tod stürzte. Aber das weiss niemand.

Ich hatte damals einen Jungen aus meiner Uni im Auge. Er war, jedenfalls in meinen Augen damals perfekt. Jedoch merkte er schnell, dass ich Gefühle für ihn hatte und lockte mich auf ein "Date". Das dann aber so ablief, dass er mich anfasste, was ich nicht wollte und mich schlussendlich Missbrauchte.

So niedergeschlagen wie ich war und voller Angst jemandem etwas zu sagen, kam ich zwei Tage später in die Uni und sagte ich hätte irgend einen Infekt gehabt. Auf dem Gelände der Uni, direkt neben dem grossen Brunnen, haben sich plötzlich zwei Jungs geprügelt. Johannes und Jannik. Jannik war eben der, der mich Missbraucht hatte und Johannes sein bester Freund.

Es hat sich heraus gestellt, dass Johannes von nichts wusste und als er alles rausfand, Jannik an den Kragen wollte. Das hat er schlussendlich auch gewonnen und Jannik wurde weg gesperrt. Ich war kein Einzelfall. Jedoch habe ich, warum auch immer, Johannes damals gefallen. Mehr als die anderen Mädchen.