Kapitel 15 - Ein Nichts in der Schwärze

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Cale empfand diese Sorglosigkeit. Diese Sorglosigkeit, als Cease die Ellenbogen auf die Knie stützte, zuließ, dass er sanft mit dem Finger über die Haut ihrer Hand strich und dafür sorgte, dass die Kälte dieser verschwand. Doch auch, wenn er kurz diese Sorglosigkeit spürte, musste er sich daran erinnern, dass er Lieutenant der Großen Armee war, dass sie dort auf Belkadan saßen und es immer noch galt, Virai zu finden, ganz gleich ob er es wollte oder nicht. Jedenfalls sträubte sich sein Herz dagegen. Er hatte sich in Cease verliebt, schließlich hatte sie es ihm gesagt und die Hand seine Wange gelegt, und nun wusste er nicht wohin mit seinen Gefühlen. Sein Herz sollte aus Stahl sein, Gebrüll, die härteste Art von Demütigung und Folter während Trainingseinheiten, manches Mal auch im realen Geschehen, nur achselzuckend hinnehmen. Er konnte sich noch daran erinnern wie ihn sein Ausbilder durch die Trainingssimulationen gejagt hatte, wie er als Neunjähriger, seine wirklichen Jahre in der Galaxis, gefesselt an einem Pfahl saß und die härteste verbale Demütigung über sich ergehen ließ, was er zum Glück nicht das erste Mal tun musste. Mit acht Jahren hatte sein Ausbilder das erste Mal eine Schippe oben drauf gelegt und ihn während einem acht Stunden Marsch als Kanonenfutter bezeichnet, dass er als Klon so unbedeutend wäre wie ein einziges Nerf, das geschlachtet wird. Fast wäre er daran zerbrochen. Danach, im Körper eines Sechzehnjährigen, saß er in seiner Koje und dachte mit zerschmettertem Herzen darüber nach, ob sein Ausbilder richtig lag. War er wirklich so unbedeutend? Würde es irgendjemanden interessieren, wenn er plötzlich einen Kopfschuss erleiden und sterben würde? Diese Frage lag schwer auf der Seele eines Sechzehnjährigen und zum ersten Mal, als er dort mit Cease saß, ihre Hände haltend und ihren warmen Blick genießend, war er erleichtert, dass es nicht mehr jeder Seele gleichgültig sein würde, wenn er plötzlich nicht mehr existieren würde. Vielleicht würde es Cease bedauern oder sogar um ihn weinen. Jedenfalls wusste er, dass sein Herz endgültig gebrochen wäre, wenn sie plötzlich dem Tod als Opfer zufallen würde.
Cease' Hand löste sich langsam aus seinem Griff und legte sich an seinen Hals. Dann beugte sie sich erneut vor und gab ihm einen langen Kuss.
Plötzlich schmerzte der Gedanke, dass seine Überlebenschancen im Krieg so niedrig waren, dass er jeden Tag aufstand und sich gedanklich auf seinen Tod vorbereitete. Cale hatte keine Angst davor, denn zu oft war er schon etwas Unbekanntem begegnet und der Tod war nur der letzte Punkt auf seiner Liste der Dinge, die er zum ersten Mal erkundet hatte oder noch erkunden würde. Danach würde er nie mehr auf das Schlachtfeld gehen müssen, keine Schmerzen mehr erleiden, auch, wenn er sein Körper noch unter irgendwelchen Droiden vergraben lag. Doch er wollte so unglaublich sehr in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten, ja sogar Jahren, Cease bei sich haben. Irgendetwas in ihm stellte diesen Wunsch.
„Cease...", flüsterte er und umklammerte ihre andere Hand, die noch in seiner lag. Sie zog den Kopf ein wenig zurück, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. „Würdest du es bedauern, wenn ich sterbe?"
Einen Moment lang, wusste er nicht, was ihr Gesichtsausdruck bedeutete. Vielleicht war es Schock oder Traurigkeit, doch er konnte es nicht genau zuordnen. Doch dann lehnte sie ihre Stirn an seine, strich sanft durch sein Haar und drückte seine Hand.
„Oh Cale...", hauchte sie und er meinte kurz schimmernde Tränen in ihren Augen zu sehen.
Er fühlte sich plötzlich hilflos. Diese Frage belastete ihn schon so lange, dass er sie einfach stellen musste.
„Ich wäre traurig, wenn du von jetzt auf gleich nicht mehr existieren würdest. Ich... Ich denke, du würdest mir fehlen, Cease. Mein Ausbilder sagte einst, dass ich so unbedeutend wäre wie ein geschlachtetes Nerf. Vielleicht ist da was dran...", sagte er zu ihr und sah zu, wie sie ihm noch immer mit dem gleichen Gesichtsausdruck in die Augen sah und ihm zuhörte. Cale wollte doch nur, dass wenigstens sie einen Gedanken über seinen Tod verlor.
Schwer seufzend legte sie die Hand auf seine Brust.
„Allein der Gedanke, dass du tot sein könntest, als die Funkverbindung zu euch abgebrochen ist, hat mich fast umgebracht.", antwortete sie ihm und er umfasste das Gelenk ihrer Hand, die auf seiner Brust lag. „Dein Tod wäre alles andere als unbedeutend. Ich würde um dich weinen, Cale. Das würde ich..."
Erleichterung durchströmte ihn, er seufzte.
Cease schien es jedoch überhaupt nicht mehr gut zu gehen. Er sah, wie sie die Zähne zusammenbiss, wie sie steif neben ihm saß und vermutlich versuchte die Tränen zu unterdrücken. Cale mochte diesen Zustand von ihr nicht. Doch auch wusste er nicht, was er tun sollte, außer sie besorgt anzusehen und über ihre Hand zu streichen.
„Cease..."
„Als ich das erste Mal vor fast drei Jahren in die Nähe von euch Klonen kam, da spürte ich Kinder. Ich dachte zuerst, dass in der Nähe wirklich Kinder wären, doch es waren so viele... Dann fragte ich Drayk nach seinem Alter und er sagte mir, dass er zehn Jahre alt sei, in normale Jahre umgerechnet also zwanzig. Die Republik hat eine Armee aus Kindern erschaffen, auch wenn ihr körperlich keine Kinder mehr seid. Irgendwie seid ihr es schon. Doch als ich... dich zum ersten Mal gesehen habe, habe ich kein Kind gespürt. Du bist ein Mann, Cale, in ganzem Glanz. Und ich wäre unendlich traurig, wenn ich nicht mehr diesen Mann sehen würde.", sagte sie leise zu ihm, jedoch sah sie ihm erst am Ende ihrer Worte wieder in die Augen.
„Danke, Cease...", flüsterte Cale ihr zu und legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. Cease sah auf seine Hand.
„Du hast noch nie eine Frau geküsst, oder?", fragte sie ihn plötzlich und legte ihre Hand auf seine.
Er schnaubte lächelnd.
„Nun ja... Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Ich wünschte, dass ich es nicht getan hätte."
„Weshalb?"
„Es war, als ich Aven und ein paar andere meiner Brüder in die Bar begleitete. Eine Twi'lek hat mich ohne Vorwarnung geküsst, ihren Namen habe ich allerdings vergessen..  Irgendetwas wie Kira oder Kya. Ich... musste an dich denken. Am Ende war es so, dass sie... nun ja... sie wollte..."
„Sie wollte mit dir schlafen.", half ihm Cease auf die Sprünge, doch dabei bemerkte er, wie seine Wangen etwas wärmer wurden.
„Nun, eher die kürzere Variante, schätze ich."
Cease lachte auf.
„Also doch nicht so romantisch."
„Das Gegenteil."
„Was ist passiert? Hast du zugesagt?"
Jetzt färbten sich seine Wangen rot, das spürte er ganz genau. Und es brachte Cease nur noch mehr zum Grinsen.
„Nein, ich habe nicht zugesagt. Ich wollte nicht eine erste Erfahrung an so eine widerwärtige Frau verschwenden. Naja, ich habe gesagt, sie soll sich verziehen. In meinem Kopf warst die ganze Zeit nur du."
Kichernd legte sie den Kopf auf seiner Schulter ab, umklammerte seine Hand mit beiden.
„Du kannst doch nicht an mich denken, wenn du eine Frau küsst."
„Mich schaudert es allein bei dem Gedanken an diese Twi'lek."
„Vielleicht ist es auch besser so."
„Ich wusste nicht, dass Jedi eifersüchtig sein können."
Kichernd stupste sie ihn mit dem Oberschenkel an und er schnaubte ebenfalls grinsend. Sie war sogar jemand, der seinen Humor verstand.
„Die Sonne geht gleich auf."
„Bis uns die ersten Sonnenstrahlen erreichen, dauert es noch circa dreißig Standardminuten. Das Bataillon sollte in zwanzig Standardminuten aufwachen."
„Besserwisser.", kicherte Cease und klammerte sich an seinen Oberarm, während sie die leuchtenden Insekten beobachtete, die um sie schwirrten.
„Fakten.", antwortete er grinsend und strich weiter über ihren Oberschenkel, der unter seiner großen Hand so klein wirkte. Cease war eine sehr schlanke Frau, er konnte die deutlichen Ansätze ihres Schlüsselbeins unter der Haut erkennen, welche durch den schmalen Ausschnitt ihrer Robe freigegeben wurden. Zuerst hatte er nicht gewusst, ob sie hübsch oder nur äußerst anders aussah. Jetzt wusste er es und es machte ihm die Sache nicht gerade leichter.
„Cale... Du weißt, dass wir womöglich in den nächsten Wochen keine Gelegenheit bekommen miteinander zu reden.", gab sie plötzlich von sich und er sah zu ihr hinab.
„Ich weiß, dass wir nach all den Vorschriften hier nicht sitzen sollten, dass ich dich nicht so anschauen sollte, wie ich es gerade tue... Aber ich will nicht, dass es endet. Du... bist wichtig. Mir wichtig."
Er hörte Cease seufzen.
„Ich möchte auch nicht, dass es endet...", antwortete sie ihm mit leiser Stimme und sah ihn wieder mit diesen wunderschönen blauen Augen an in die er sich mittlerweile verliebte, die vermutlich noch nie einen anderen Mann so wie ihn angesehen hatten.
Und auch wenn er noch kaum Erfahrungen mit Frauen gemacht hatte, ließ er seine Hand über ihre zarte Haut des Halses streichen und küsste sie, auch wenn er kurz zögerte.
Dieser Moment war kostbar. Denn er wusste nicht, ob er überhaupt eine weitere Gelegenheit bekommen würde, Cease zu küssen und ihr nahe zu sein.
Doch wenigstens wusste er, dass sein Tod zumindest einer Person etwas bedeuten würde.

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