Kapitel 8 - Heilungsprozess

363 22 20
                                    

Cale wusste nicht wann, aber irgendwie hatte er es doch noch geschafft einzuschlafen. Auch wenn seine Gedanken um ihn herumschwirrten, schaffte er es zu schlafen und wachte erst morgens auf - Aven lag auf der anderen Seite des Raumes und schnarchte vor sich hin, während um sein Oberschenkel ein Verband gewickelt war, dessen Bein aus der Decke ragte. Dieser Mann hatte die Angewohnheit nur in Boxershorts zu schlafen, wenn er in der Kaserne war. Cale hingegen fühlte sich wohler, wenn Stoff sich an seine Haut schmiegte. Und nach dem Vorfall mit Vri'lia, wo er halbnackt vor ihr stand, verstärkte sich dies noch.
Verwundert richtete er sich auf. Er hatte Aven gar nicht bemerkt. Doch womöglich hatte es auch daran gelegen, dass er so tief wie schon lange nicht mehr geschlafen hatte. Um seinen Kameraden nicht zu wecken, schlich Cale sich leise aus dem Quartier und lief in Richtung Waschräume. Es war noch still, keiner der Männer dachte daran aufzustehen, bevor sie nicht endgültig ausgeruht waren, und so genoss er die wunderbare Stille, diesen wunderbaren Moment von Privatsphäre, welche keinem Klon gewährleistet war. Als er angekommen war, hatte er es nicht mehr geschafft zu duschen, schließlich hatte Nax sich ihnen direkt in den Weg gestellt.
Heißes Wasser umhüllte ihn, prasselte angenehm auf seine Haut und ließ seine Muskeln sich entspannen, spülte alles hinfort, was die letzte Schlacht noch hinterlassen hatte. Er rechnete damit, dass jeden Moment einer seiner Brüder den Waschraum ebenfalls betreten würde, doch als einige Minuten verstrichen, war dies nicht so. Normalerweise wären es Aven, Gold oder Flak gewesen, doch nun blieb er völlig alleine.
Etwas war anders nach dieser Schlacht. Das wurde ihm in diesem Augenblick bewusst.
Noch müde schloss er die Augen, stützte sich an der gekachelten Wand ab und genoss noch eine Weile die Einsamkeit.
Seine Gedanken schossen zurück in die Realität, ließen ihn an die vergangene Schlacht denken, an die vielen Verluste, an Nax und zuletzt erneut an Vri'lia. Seitdem sie sein Quartier verlassen hatte, gingen ihm ihre Worte nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte sich mit ihm auf eine Ebene gestellt, ihn wie jemand Gleichgesinntes betrachtet, obwohl sie der General war und er nur ein einfacher Klon im Rang eines Lieutenant. Hätte er doch mit Aven und Gold in eine Bar gehen sollen, um dort die Außenwelt kennenzulernen, zu lernen, wie es ist, nicht nur von den eigenen Brüdern umgeben zu sein, und wie es ist, mit einer Frau zu reden? Geschweige denn... sie zu...
Nein, das musste sich Cale aus dem Kopf schlagen. Niemals hätte er in einer Bar eine Frau auch nur angefasst oder sich von ihr küssen lassen. Nur weil Aven ihm seine Abenteuer erzählte, musste das nicht heißen, dass er dem folgen sollte.
Oder doch?
Er müsste ja keine anfassen oder jegliche andere Art von Körperkontakt aufsuchen, sondern einfach nur erfahren, wie es wäre, aus seiner Komfortzone rauszukommen.
Doch wieso dachte er plötzlich daran mehr mit Frau zurecht zu kommen? Dies lag wohl an dem neuen General, dessen Geschlecht für ihn wohl eine ziemliche Herausforderung darstellte.
Im nächsten Augenblick wollte er nicht nur besser mit Vri'lia zurecht kommen, sondern wollte auch erfahren, wie die Welt um ihn herum aussah, wie es ist in eine Bar zu gehen und sich vielleicht mit Nicht-Klonen zu unterhalten. All die Jahre hatte er sich in seiner Komfortzone aufgehalten. Nun musste er sich mit dem befassen, was ihn umgab.
Als er wieder in sein Quartier zurückkehrte und Aven gerade erst aufgewacht auf dem Bett sitzen sah, machte er sich nicht sofort die Mühe und ihn zu fragen, wie es ihm ginge, denn es war offensichtlich, dass seine Verletzung nicht allzu ernst war, sondern kam direkt auf den Punkt.
„Wann habt ihr vor demnächst in eine Bar zu gehen?"
Aven blinzelte verwundert, konnte vermutlich nicht mal nach der vergangenen Schlacht und Nax' Angriff an so etwas denken.
„Wenn alle wieder auf den Beinen sind..?"
„Großartig. Ich komme mit."

***

Ich wusste nicht wann, aber irgendwann wachte ich aus dem Koma bestehend aus Schlaf und Ruhe auf. Nach der Dusche und dem Zähneputzen am vorherigen Abend hatten Trueblood, Ghost und ich es gerade noch so ins Bett geschafft, bevor wir alles ausblendeten und den tiefsten Schlaf bekamen, den man uns je gegeben hatte. Und aus irgendeinem Grund hatte ich diese Ruhe nach der vergangenen Schlacht bekommen und lag nicht die ganze Nacht lang wach, wie nach der Schlacht in der Straight von uns gegangen war. Vielleicht lag es auch daran, dass uns nun ein wesentlich längerer Urlaub bevorstand, da unsere Legion niedergemetzelt worden war und wir so gut wie kampfunfähig waren, aber vielleicht lag es auch daran, dass ich Trueblood nun als Ersatz für Straight anerkannt hatte und etwas wie Freundschaft beginnen könnte.
Als ich die Augen öffnete und meinen verspannten Nacken versuchte zu lockern, waren bereits alle wach. Diejenigen, die es nicht mehr geschafft hatten zu duschen, taten dies nun, weshalb Silver, Breaker und Blackout mit Handtüchern um den Hüften ins Quartier kamen.
„Na endlich! Wir dachten, dass du nie mehr aufwachst!", meinte Hunt, der aufrecht, die Hände in die Hüften gestemmt, neben meinem Bett stand und auf mich hinab blickte.
„Tja... War wohl ziemlich anstrengend, was? Wie geht's Hammer und Vri'lia?"
„Hammer befindet sich im Bactatank und unser General ist wohl wieder auf den Beinen. Bei diesen Machtnutzern heilt anscheinend alles schneller.", antwortete er mit einem schiefen Lächeln und ich war froh ihn nach dem gestrigen Geschehnissen so zu sehen.
„Und was ist mit Aven und Cale? Nax?"
Etwas flackerte in seinem Blick.
„Aven ist ebenfalls wieder auf den Beinen und Cale scheint nichts von dem Angriff davongetragen zu haben. Die Sache mit Nax werden sich Dox und Vri'lia vornehmen, Hammer ist ja vorerst außer Gefecht gesetzt."
Ich seufzte und senkte den Blick.
„Ich weiß nicht, was ich denken soll."
„Ich auch nicht, Cross... Ich auch nicht... Das tun wir alle. Er ist unser Bruder, doch hat sich nicht so verhalten, als wäre er dies... Als Dox und ich dazwischen gegangen sind, da habe ich diese Zielstrebigkeit, diese Rachsucht in seinen Augen gesehen, Cross. Er hatte vor Cale umzubringen... Und Aven noch dazu. Das sollte kein wahrer Bruder tun.", meinte er mit leiser Stimme und senkte zum Ende hin ebenfalls den Blick.
„Vri'lia wird schon die richtige Entscheidung treffen."
Hunt grinste.
„Dann ist sie wohl bei dir schon angekommen."
Ich verdrehte lachend die Augen.
„Nichts gegen Meister Sa-Vin, aber sie scheint uns Klone mehr zu verstehen, als sie sich selbst. Vielleicht braucht diese Legion auch etwas Weiblichkeit, hm?"
Hunt lachte laut auf, dann stimmte Silver mit ein, der anscheinend unser Gespräch mitbekommen hatte.
„Oh ja, sieh dir nur den armen Cale an! Aven und Gold gehen in irgendwelche Bars und er schleicht hier abends über die Flure! Muss ganz schön hart für ihn sein."

White ArmorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt