Kapitel 16 - Die Frage der Realität

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„Cease!"
Auch wenn sich alles in ihr dagegen sträubte, rollte sie sich in dieser Dunkelheit von Cale weg. Das hier ist nicht real, dachte sie sich, denn sie wusste, dass ihr Herz wie wild pochte, jedoch nichts spürte - Sie fühlte sich vollkommen kalt.
„Nein...", keuchte sie, sie konnte Cales Blick auf sich spüren. Das, was sie sah, war nicht real, genauso sehr wie ihre Mutter, kurz bevor sie erneut in diesen Zustand gefallen war. Es jagte ihr Angst ein. Sie wollte den richtigen Cale, nicht einen Cale, der bloß von ihrem verkorksten Verstand erzeugt wurde.
„Bleib.", flehte seine Stimme und sie sah zu ihm zurück, wie er dort lag und seinen Arm zu ihr ausstreckte.
„Nein."
Wenn sie bei ihm bleiben würde, dann wäre sie ein Opfer ihres eigenen Gehirns und wie sie wusste, konnte sie dies manchmal täuschen. Denn es erzeugte Halluzinationen, Personen, die in der Realität ganz anders waren, und verwirrende Bilder. War ihr Gehirn verwirrt und getäuscht, so täuschte es auch ihren gesamten Körper.
„Cease, wo willst du hin?"
Seine Stimme trieb ihr Tränen in die Augen. Sie wollte so sehr zu ihm zurück, sich in seine Arme legen und nie mehr auch nur an den Krieg denken, sondern für immer einfach dort bleiben, wo sie waren. Auf einmal war er ihr so unglaublich wichtig. Und es zerriss ihr das Herz sich immer weiter von ihm entfernen zu müssen.
„Sag nichts.", flehte sie, wissend, dass seine Stimme sie vielleicht doch noch überreden konnte.
Dann war es plötzlich still. Alles andere als erleichtert drehte sie sich um und stellte fest, dass sie nichts als schwarz sah - Sie war in ihrem eigenen Traum blind.
Doch dann leuchtete etwas vor ihr.
Cale ragte vor ihr auf, sah sie mit einem so düsteren Blick an, dass es ihr die Sprache verschlug.
„Verräterin."
Seine Hand zuckte. Er hatte die Sicherung seiner Waffe gelöst.
„Cale..."
Sie wollte ihn berühren, versuchen ihn zu beruhigen, aber da lag schon sein Blaster auf ihrer Stirn und sie erstarrte.
„Habt ihr wirklich geglaubt, dass wir auf eure Täuschungen hereinfallen würden? Dass wir einfach tun und lassen, was ihr uns sagt? Wir sind keine Droiden, Jedi. Doch gerade ihr habt uns wie welche behandelt, die sie einfach mit einer Handbewegung abschalten kann."
Cease rührte sich keinen Millimeter, stattdessen sah sie perplex in seine Augen, die plötzlich so dunkel funkelten, dass ein kalter Schauer durch ihr Herz fuhr.
„Cale...", versuchte sie zu sagen, doch da presste er ihr sein Blaster noch stärker gegen die Stirn und knirschte mit den Zähnen.
„Haltet den Mund. Keiner wird hier mehr auf eure Spiele hereinfallen. Wir werden euch jagen, wir werden euch vernichten bis nicht ein Staubkorn noch von euch übrig bleibt!", brüllte er ihr direkt ins Gesicht. Mit Tränen in den Augen musterte sie ihn.
„Wieso, Cale? Weshalb tu-"
„Ich habe gesagt haltet den Mund, verdammt!"
„Nein, Cale, das bist nicht du!"
Und dann spürte sie wie der Blaster an der ihrer Stirn verschwand, übrig blieb nur der Schmerz. Erleichtert atmete sie auf, doch sobald sie den Blick auch nur zu Cales Richtung richtete, sah sie bereits wie eine Faust auf sie zu flog. Aber ehe sie Schmerz spürte, war sie wieder ein Nichts. Ein Nichts, dessen Vision ihr das Herz zerschmetterte.

***

In den letzten Minuten bevor die Yuuzhan Vongs Cease gepackt und aus der Halle geschliffen hatten, war sie zum Glück ansprechbar gewesen. Cale hatte ihre Hand halten können, während sie dort gelegen und den Krampfanfällen hilflos ausgeliefert war, und als sie wieder zu sich gekommen und ihm mit ihren schönen Augen angesehen hatte, musste er sich zusammenreißen, um nicht vor allen Offizieren zu lächeln.
Jetzt war sie fort und er saß dort auf dem Ferrobeton und dachte an sie. Cease war schlagartig in den Händen des Vongs ohnmächtig geworden und der Gedanke, dass sie sie irgendwo hin gebracht hatten, wo niemand war, der ihr zumindest eine Decke geben konnte, löste einen Zorn in ihm aus, der ihm neu war.
„Ich frag mich immer noch wo sie Tahlee hingebracht haben.", meinte Aven neben ihm, der sich hingelegt und die Augen geschlossen hatte. Cale konnte das nicht. Sie waren auf feindlichem Gebiet, auch wenn man ihnen keine Handschellen angelegt hatte.
„Keine Ahnung. Aber ich habe da so ein Gefühl, dass sie Vri'lia genau zu ihm bringen werden. Es ist nur eine Frage der Zeit bis sie Moris holen."
Als sie angegriffen wurden, hatte er Tahlee nur am anderen Ende des zerstörten Lagers gesehen. Er war durch die Trümmer gegangen, weg von Cease, und hatte sich hin und wieder auf den Boden gekniet um mögliche Spuren zu untersuchen. Die Leiche jedoch, die die Vongs ihnen zurückgelassen haben, war neu, sonst hätte man ihnen noch vor dem Abzug der Bataillone Bericht erstattet. Es war also gewollt, dass sie alle Personen zusammen haben, um anzugreifen. Cale jedoch verstand diese Taktik nicht. Er selbst hätte eine andere Strategie gewählt, doch da er nicht wusste, was die Vongs mit ihnen vorhatten und was ihre Intention war, konnte er sie nicht genau benennen. Es war eine ganze Stunde vergangen nachdem der große Vong sich Cease über seine Schulter geworfen und mit ihr die große Halle verlassen hatte. Mittlerweile war kaum mehr die Hälfte von ihnen übrig, die andere Hälfte war bereits hinausgeführt worden, wohin auch immer das sein mochte. Jedenfalls gefiel Cale die gesamte Situation nicht.
Aven hustete und rieb sich seinen Nacken.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Warten so ätzend sein kann.", gab Cale von sich und lehnte sich zurück an die Wand aus Ferrobeton. Er war unruhig und konnte keinen klaren Gedanken fassen, der nicht Cease galt. Sie war zwar stark, überzeugend und schnell, doch als ihre Krampfanfälle und Schreie begonnen hatten, wusste er, dass die Vongs genau wussten, dass dieses Gift ihrer Reptilien auch eine Jedi umlegen konnte. Seyda und Brüder, die sehr angeschlagen und an den gleichen Symptomen wie Cease litten, hatten sie vorerst in Ruhe gelassen. Hammer saß in der Nähe des jungen Mädchens, welches noch immer tief schlief und sich nur kurz herumgewälzt hatte. Vielleicht war dies auch besser so, dass sie nichts von all dem mitbekam, vielleicht wäre es sonst zu viel für die Seele eines jungen Mädchens gewesen.
„Das war es doch schon immer.", antwortete ihm Aven.
„Immerhin haben sie Chaos noch hier gelassen."
Die Gruppe aus den neuen Troopern saß nur einige Meter entfernt von ihnen, Cross rieb sich angestrengt seinen Schädel und selbst Silver war leise. Der Überfall musste ihm die Sprache verschlagen haben.
„Wo auch immer die uns hinbringen, ich hoffe dass dort eine Sanitäranlage ist. Meine Blase drückt."
„Wir sitzen hier umzingelt in einem Dorf von Yuuzhan Vongs und du interessierst dich nur für deinen Harndrang? Hmm, vielleicht fragst du diese Kreatur mal, ob sie dir die Toilette zeigt.", antwortete er und deutete auf den Vong, der mit einem Reptil in der Hand vor dem großen Tor zur Außenwelt stand.
„Schon gut, ich wollte nur nicht die ganze Zeit wilde Theorien aufstellen, mein Freund. Im Moment können wir uns weder gegen ein ganzes Dorf Yuuzhan Vongs verteidigen, noch können wir es uns hier gemütlich machen."
Angestrengt seufzte Cale tief. Seitdem er Teil dieser Legion sein durfte, war Aven sein Freund, möglicherweise sogar der einzige mit dem er etwas mehr als nur drei Worte sprach ohne sich nach einiger Zeit belästigt zu fühlen. Cale mochte Ruhe, er schätzte es wenn der Duschraum leer war und er ein paar wertvolle Minuten für sich hatte, doch auch mochte er es gelegentlich ein paar der aktuellen Lieder auf Coruscant zu hören - Und noch lieber mochte er es die Stimme von Cease zu hören. Sie beruhigte ihn, sodass er sich wünschte in einem gemütlichen Bett zu liegen, die Augen zu schließen und sich dem wundervollen, weiblichen Ton ihrer Stimme hinzugeben. Jahrelang hatte er nur die gleiche Stimme gehört, dass er es manchmal satt gewesen war auch nur Hammer einen guten Morgen zu wünschen, denn täglich den gleichen Ton zu hören, war öde und frustrierend. Mit Sa-Vin war nicht viel zu reden gewesen, denn dies hatte er noch nie getan. Der verstorbene Jedi war verschlossen gewesen, harsch und militärisch, weswegen es selbst für Hammer schwer gewesen war mit ihm auch nur etwas Smalltalk zu führen. Cease hingegen war ganz anders. Sie war ausgeglichen, sie strahlte Ruhe und Sicherheit auch - Cale wusste nicht, was es war, doch wenn man in ihrer Nähe war, dann mussten Klone wie er nicht befürchten, dass sie ihre Leben unnötig aufs Spiel setzen würde. Wenn er nur ein einfacher Mann wäre, von dem es nicht noch Millionen von Kopien gäbe, wenn sie nur eine einfache Frau wäre, die ihm eines Tages plötzlich in einem Tapcafé begegnen würde, dann würde er nachts von ihr träumen, er würde sie nach weiteren Treffen und Verabredungen fragen und sie in ein gemütliches Restaurant führen, wo sie den ganzen Abend lang gemeinsam sitzen und lachen würden. Er würde sie nach Hause bringen, ihre Frage, ob er noch kurz bleiben wolle, bejahen. Und anschließend würde er sie so küssen, wie er es schon immer tun wollte. Zwar verstand er die Leben von einfachen Zivilisten nicht, doch er wusste, wie sein Leben aussehen würde, wäre er einer.
„Okay, das sind die Letzten!", ertönte es plötzlich und in dem offenen Tor standen drei weitere Yuuzhan Vongs, gekleidet in Brust- und Armpanzer aus massivem Durastahl, welcher im leicht flackerndem Licht der Lampen glänzte. Sie kamen auf sie zu, auf die letzte Gruppe, die aus circa dreißig Männern bestehen musste, einschließlich Seyda, bei der Cale sich mittlerweile nicht mehr ganz sicher war, ob sie nun schlief oder bewusstlos war.
Mit Amphistäben in den Händen stellten sich die Vongs vor sie, einer von ihnen kniete sich zu Seyda und begutachtete sie.
„Na los, ihr Fleischbüchsen, hoch mit euren Hintern!"
Widerwillig richtete Cale sich auf, dann zog er Aven an der Hand hoch.
„Boss, die ist bewusstlos!"
Gebrüll ertönte. Und sogar Hammer war für einen kurzen Moment perplex.
Das kleine Mädchen im Alter von fünfzehn Jahren war aufgesprungen, wirbelte in mehreren Umdrehungen hoch und stieß beide Vongs mit einem gewaltigen, unsichtbaren Stoß an das andere Ende der großen Halle. Gebannt richtete Cale sich auf.
„Schnappt sie euch!", brüllte der Vong, der noch bei Chaos stand und seinen Amphistab nun anspannte wie einen gewaltigen Schlagstock. Mit gefletschten Zähnen und Speichel, der ihm übers Kinn rann, stürzte er sich auf den jungen Padawan, ließ den Stab wieder erschlaffen, den er nun als Peitsche versuchte um das Bein Seydas zu schlingen und sie zu betäuben. Doch sie war schneller, gelenkiger und kleiner, sprang mit Leichtigkeit über ihn hinweg, sodass sie nun bei Hammer und Chaos stand. Hammer stand auf, wusste für einen Moment nicht, was er tun sollte, denn er wusste auch, dass wenn er eingreifen würde, er es nicht nach den Angriffen des Vongs überleben würde. Cales Blick huschte zu den Eingang, doch die Wachen, die nun zum Führer eilten, war bereits durch Neue ersetzt worden.
Der Führer verzog seine Visage zu einem furchteinflößenden, teuflischen Grinsen, während er Moris mit der Körperhaltung einer Bestie ansah.
„Du bist zu klein, Jedi. Du bist zu schwach, zu jung, um auch nur einen von uns ohne dein lächerliches Schwert umzulegen. Du bist nur ein Mittel zum Zweck für uns, wir werden dich und dein Kanonenfutter zerstückeln bis wir das haben, was rechtmäßig uns gehört!"
Das Mädchen zuckte nicht mal mit einem Finger in ihrer Kampfhaltung, die sie eingenommen hatte.
„Ihr täuscht euch. Vielleicht habt ihr meine Meisterin und Tahlee gefangen genommen, doch eure Taktik wirkt bei mir nicht. Ihr werdet uns jetzt freilassen, uns Virai und ihre Truppen geben, bevor eine Vielzahl an Battalionen euer Dorf dem Erdboden gleich machen. Man sucht bereits nach uns, ich kann es spüren."
Doch ich die Worte Seydas beirrten den Vong nicht im geringsten.
„Deine Sinne täuschen dich, deine Fähigkeiten sind schwach. Wehre dich und stirb auf der Stelle. Ich habe keine Hemmungen ein Kind umzubringen."
„Na dann hoffe ich, dass dies der Moment der Vergeltung ist."
Cale hatte es an Hammers Gesichtsausdruck gesehen, an seiner ausgestreckten Hand, dass er Moris zurückhalten wollte, doch noch bevor er dies tun konnte, befand sich die junge Schülerin schon mittendrin. Sie wirbelte umher, wich den Fäusten und dem Amphistab des Vongs aus, noch bevor sie sie treffen konnten. Die Kreatur brüllte auf, als sie sich zur Seite rollte, als er seine schlangenartige Waffe um ihr Bein schlingen wollte, sie jedoch nicht traf.
Dann hielt er inne, spannte seinen Stab an.
„Na komm, Jedi, greif mich an. Wir können noch lange dieses Spiel spielen, doch gewinnen kann man nur, wenn man auch kämpft."
Die Schülerin ballte ihre Hände zu Fäusten und sah zu dem Vong hinauf, der sie um mindestens drei Köpfe überragte. Für einen kurzen Moment meinte er etwas in ihren Augen aufflackern zu sehen, als sie zu Hammer blickte, der die Augen schloss, als sie wieder hinauf zu der Bestie sah.
„Dann soll es so sein."
Seyda war gut im Ausweichen gewesen und bei einem normalen Lebewesen, dass nicht die Muskelmassen eines Yuuzhan Vongs besaß, hätten ihre Schläge schmerzten verursacht, ihre Beine, die sich um den Nacken des Vongs schlungen, ein schmerzvolles Aufschreien, doch Cale wusste, dass Kinder dazu neigten sich zu überschätzen. Ein Kind, wenn auch eine Jugendliche wie Seyda, hatte keine Chance gegen ihn. Sie wurde von den langen und breiten Armen, die mit beträchtlichen Muskeln bepackt waren, ergriffen, mit Kraft auf den Boden gedrückt. Der Amphistab fiel neben sie auf den Boden.
Das Mädchen keuchte, versuchte sich aus dem Griff um ihre Kehle zu befreien, doch die Kreatur, die mit seinem ganzen Gewicht auf ihr lag, war in Laune jemanden zu töten.
Um sie herum standen die restlichen Trooper auf, in der Hoffnung sich nützlich zu machen, doch Hammer deutete ihnen mit einer Armbewegung dort zu bleiben, wo sie waren,
Cale fragte sich, was er nur vorhatte.
„Die Jedi waren schon immer schwach. Ich habe jeden gebrochen, der mir begegnet ist, wie deine Meisterin. Und ich werde auch dich brechen, Kind. Die Jedi sind schwach. Und es wird nur noch etwas Zeit brauchen bis euer Einfluss zerfällt und sich in Staub auflöst. Dieser Staub wird unter meinen Sohlen kleben, Mädchen. Es wird nicht mehr als nur noch Staub sein."
Cale konnte Tränen in ihren Augen erkennen, als der Vong an ihren Haaren zerrte.
„Der Staub... wird euch verfolgen. Er wird an euch... kleben... und zeigen, dass ihr... ein Mörder seid!", presste das Mädchen aus ihrem Mund hervor.
Dann musste Cale schließlich einsehen, dass sie schlauer war, als er zuerst gedacht hatte.
Ihr Hand tastete unauffällig nach dem Reptil, das nur wenige Zentimeter entfernt von ihr lag.
„Ja, sie macht Hammer nun eindeutig Konkurrenz.", meinte Aven leise neben ihm.
Wäre Cease da gewesen, hätte sie Seyda gesagt, sie solle zurückziehen, doch ihre Schülerin war ein äußerst mutiges Mädchen.
Ihre Hand ergriff den Amphistab, packte den Kopf der Schlange und ließ dessen Zähne sich in den Hals des Vongs rammen. Er brüllte auf, doch Seyda drückte das Reptil und als es sich erneut anspannte, zu einem tödlichen Stab wurde, zuckte es und pumpte das Gift in den Körper des Yuuzhan Vongs. Noch einmal brüllte er auf, fasste sich erschrocken an den Hals, um das Reptil zu entfernen, doch das Mädchen wusste genauso sehr, dass eine hohe Dosis des Giftes auch bei den Vongs tödlich war. Als der Körper der Kreatur auf ihr langsam erschlaffte, drückte sie ihn von sich, riss das Reptil aus dem Hals des Vongs und nahm eine Kampfhaltung vor den anderen Artgenossen ein, die nun langsam auf sie zu kamen. Sie wollte sich gerade auf beide stürzen, doch da trat Hammer endlich vor.
„Seyda, leg die Waffe weg."
Das Mädchen reagierte nicht, doch sie bewegte sich auch nicht.
„Seyda.", wiederholte Hammer.
Auch wenn Cale nur den Rücken des Mädchens sah, wusste er, dass die Worte seines Vorgesetzten sie schon längst aufgeben ließen.
„Wir können das hier schaffen.", zischte sie, doch da war Hammer schon bei ihr und hatte ihr das Reptil abgenommen.
„Nein, das können wir nicht. Du hattest schon Schwierigkeiten diesen einen Yuuzhan Vong umzulegen, also wirst du es bei einem ganzen Dorf wohl nicht schaffen."
Die anderen Vongs blieben nicht stehen, doch sie attackierten auch nicht Seyda. Stattdessen rannten sie auf ihren Führer zu, knieten sich neben ihn auf den Boden, um seinen Herzschlag zu überprüfen. Der junge Padawan sah zu.
Doch dann zuckte sie zusammen.
„Er ist tot! Diese kleine Göre hat ihn umgebracht!", brüllte eine der Kreaturen und deutete mit ausgestrecktem Arm auf das Mädchen, das plötzlich so hilflos aussah, so verloren, dass Cale für einen Moment befürchtete, sie würde in Tränen ausbrechen.
Noch bevor weitere Wachen hinzukamen, ihre Gruppe und Cale packte und aus der Halle hinausführten, sah er, wie Hammer dem Mädchen etwas zuflüsterte, jedoch so leise, das nicht mal er etwas verstand.
Das Dorf war genauso, wie Hammer es beschrieben hatte. Überall kamen Yuuzhan Vongs aus ihren Bauten, stauten sich als Schaulustige an, während sie einen furchteinflößenden Haufen bildeten, denn sie waren nicht nur größer als Menschen, sondern besaßen auch die doppelte Muskelmasse, ebenso die Frauen. Zwischen den Schaulustigen entdeckte Cale zum Teil Kinder, dessen Haut noch sehr bläulich wirkte und straff auf ihren Gesichtern saß.
Der Vong, der ihn gepackt hatte und nun führte, stieß ihm von hinten in den Rücken und deutete ihm an schneller zu gehen.
Cale war erstaunt, dass die Gebäude des Dorfes aus festem Ferrobeton bestanden und die Dächer aus Durastahl, denn er wüsste nicht, dass es auf Belkadan eine größere Stadt gab, die diese Materialien verkaufte.
„Schneller.", ertönte es zischend hinter him.
Sie betraten ein rundes Gebäude durch eine große Tür, die aus massivem Metall gegossen wurde. Das Innere wirkte wie etwas, das einst eine Scheune gewesen war, denn Reste von Stroh waren auf dem Boden zu finden. Eine Spiralförmige Treppe schlängelte sich tiefer in den Erdboden hinein, bis sie sich einige Meter unter der Erdoberfläche befanden und einen Gang entlangliefen, an dessen Seiten sich Zellen befanden, die mit Metallplatten als Sichtschutz versehen waren, sodass ein Blick in diese ihm verwehrt wurde. Doch er hörte, wie seine Brüder miteinander redeten und fluchten, dass sie nichts erkennen konnten.
Wieder wurde ihm in den Rücken gestoßen und er stolperte leicht, als der vorderste Vong am Ende des Ganges mit Seyda stehenblieb. Die Kreatur öffnete die Zelle altmodisch mit einem Schlüssel, der an einem Schlüsselbund befestigt war und stieß das junge Mädchen ins Innere, gefolgt von Hammer, Aven und dem Chaos-Trupp. Erst als die zwölf Männer vor ihm in der Zelle waren und Ghost lautstark protestierte, jedoch von Hunt zurückgezogen wurde, hielt der Vong ihn auf, indem er ihn grob am Oberarm packte, der in der blassen Hand zu verschwinden schien.
„Boss, die Zelle ist voll. Die Fleischbüchse hier ist noch übrig."
Der Vong neben ihm schnaubte und packte ihn so grob am Haar, an dem er zog, sodass er gezwungen wurde der Kreatur in die Augen zu sehen, schmerzte, dass er das Gesicht verzog.
„An denen ist nicht viel Essbares dran. Der hier wäre gutes Feuerholz, wenn seine Knochen erstmal anfangen zu brennen."
Plötzlich lachten beide Vongs laut und in Lauten auf, die Raubtieren glichen.
„Ist die daneben noch frei?"
„Nein, da ist die Jedi drin.", antwortete der Vong, der seinen Oberarm noch immer zermalmte.
„Na und? Dieses Weib hat sich eine Zelle für sich alleine nicht verdient, also los. Rein mit ihm!"
Die Tür, wo Hammer, Seyda, Aven und Chaos drinsaßen, schloss sich, jedoch sah er, kurz bevor die Tür sich schloss, etwas in den Augen des Mädchens aufflimmern. Als Beruhigung nickte er stumm und musste sich nicht mehr fragen, um welche Jedi es sich handelte, die sich neben ihnen in der Zelle befand.
Schlüssel klapperten, ein Bolzen schoss zurück und er wurde in die fast leere Zelle geschubst, ehe sich die Tür genauso schnell wieder schloss.
Es war Cease, die dort eingerollt auf dem kalten Boden lag. Schweißperlen zeichneten sich auf ihrer Stirn ab, ihre Augen waren halb geöffnet und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, als er einen Moment lang nachdachte, was er tun sollte. Ihre Lippen bewegten sich, doch er verstand nicht, was sie murmelte.
Zuerst suchte er nach etwas wie einer Decke, die er Cease geben konnte, doch als er feststellte, dass diese Zelle komplett leer war und nicht mal einen Stofffetzen besaß, kniete er sich vorsichtig neben sie hin und strich mit den Fingern über ihre Wange. Es konnte sie niemand sehen, die Wände waren aus Ferrobeton und die Gitterwand besaß den besagten Sichtschutz, sodass er nur durch den Spalt unten am Boden durch die gegenüberliegende Zelle sehen konnte.
Cease regte sich leicht und ihr Augenlider zuckten, als sie versuchte diese ganz zu öffnen, doch Cale versuchte sie zu beruhigen.
„Shhh. Ich bin es.", flüsterte er ihr zu, da er wusste, dass die Zellen nicht schalldicht waren.
Sie zitterte. Cale wusste, dass sie halb im Schlaf, halb bei Bewusstsein war, denn als er sich dicht neben Cease hinsetzte, an die Wand lehnte und versuchte sie näher an sich zu ziehen, klammerte sie sich an ihm fest und schlang die Arme um seinen Oberkörper. Dann fiel ihr Kopf beiseite, doch Cale war schneller und bettete ihn auf seiner Brust. Ihr Körper regte sich nicht mehr. Dann, und das hatte er bereits geahnt, verkrampfte sie sich zu einem Stein, schrie und fuhr sich mit den Fingernägeln über die Haut ihres Gesichts, als würde sie einen Albtraum durchleben. Er nahm schnell ihre Hände von ihrem Gesicht und zog sie auf sich, damit er sie mit beiden Armen festhalten konnte und sie sich nicht mehr selbst verletzten konnte.
„Cale, was ist da los?", hörte er Hammer rufen.
„Sie krampft wieder, Sir.", antwortete er und drückte ihren Kopf mit seiner Hand an seine Brust, damit sie sich nicht den Nacken bei ihren Krämpfen verrenkte.
„Halte sie fest. Pass auf ihren Kopf auf."
„Das tue ich bereits, Sir. Aber wir brauchen dieses Gegengift!", antwortete er und hob die Stimme, als er merkte, wie aus ihren Augen Tränen traten. Ihre Zuckungen wurden schwächer, sie atmete gleichmäßiger, als er endlich ihren Kopf loslassen konnte und ihr die losen Haarsträhnen aus dem Gesicht strich. Dann schluchzte sie nur noch. Er rutschte etwas tiefer und zog sie etwas höher, sodass sie ihren Kopf auf seine Schulter legen konnte.
„Cease.", flüsterte er und rüttelte an ihr, während ihre Tränen seine Haut am Hals befeuchteten und sie weinerliche Laute von sich gab, die ihn schlucken ließen.
Ihre Augen öffneten sich, sie hob den Kopf und blinzelte verschlafen, völlig erschöpft und blass im Gesicht, die Haare ganz zerzaust.
„Cale."
Es war eher eine Feststellung, die sie von sich gab. Verwirrt versuchte sie sich aufzurichten, schien sich nicht zu erinnern, wie sie in diese Zelle gekommen war und nun auf Cale lag, doch er hielt sie fest.
„Du musst dich ausruhen."
Noch immer verwirrt schüttelte sie widerwillig den Kopf.
„Doch, Cease. Du hast wieder gekrampft."
Das brachte sie zum Schweigen. Erschöpft sank sie wieder auf ihm zusammen, zu kraftlos, um noch weiter ihren Kopf aufrecht zu halten, und klammerte sich an seinen Platten fest. Cale wollte schmunzeln, dass sie so erschöpft war und sich dennoch an ihn klammerte, doch daran war nichts zu lächeln, schließlich war sie krank von dem Gift der Amphistäbe und würde dem nicht mehr allzu lange standhalten. Wieder entfernte er ihr einzelne Haare aus dem Gesicht, sodass er kurzerhand ihr das Band aus den Haaren zog, ihre Haare zu einem Bund nahm und das Band wieder verknotete.
„Wo ist Seyda?", kam es plötzlich von ihr an seinen Hals genuschelt.
„Neben uns in der Zelle. Hammer ist bei ihr. Und sie ist inzwischen wieder auf den Beinen.", antwortete er so laut, dass man es nebenan in der Zelle, trotz der Wand aus Ferrobeton, hören konnte, damit ihre junge Schülerin wusste, dass ihre Meisterin inzwischen ansprechbar war.
„Meisterin?", ertönte keine Sekunde später eine junge, weibliche Stimme. Cale spürte, wie sich Cease regte, sich aufrichten wollte, jedoch kaum die Kraft besaß, weshalb er nur ihren Kopf mit zwei Fingern anhob, damit sie ihm in die Augen sehen konnte, und ihr mit einem Nicken deutete, dass sie nicht ihre wertvolle Kraft ins Reden investieren sollte.
„Sie ist ansprechbar, aber das Reden fällt ihr schwer.", rief er zurück, legte jedoch seine Hand auf ihr Ohr, damit sie keinen Hörsturz erlitt.
„Wie ist ihr Zustand?"
Er zögerte.
„...Schlecht. Wenn ich ehrlich bin, sehr schlecht."
„Cale, hier ist Aven. Versuche ihr Schmerzmittel und ein Beruhigungsmittel zu geben. Vielleicht können wir damit ihre Symptome lindern und uns etwas Zeit verschaffen."
„Okay, ich tue es."
Er griff hinter sich an seinen Gürtel und zog das Medipack hervor, das jeder Soldat bei sich trug. Dann suchte er nach den richtigen Einwegspritzen, in denen sich die besagten Mittel fanden, schob ihr Haar am Hals beiseite und injizierte ihr die Flüssigkeiten.
„Cease.", flüsterte er, strich ihr sanft über die Wange, denn einen Moment lang dachte er, sie wäre wieder eingeschlafen.
„...Ja?", antwortete sie ihm flüsternd.
Nun musste er lächeln und konnte sich keineswegs dagegen wehren, denn es war absurd, dass Cease ihn an diesem Morgen das erste Mal geküsst hatte, sie dann in einen Hinterhalt gerieten und nun zusammen und alleine in einer Zelle hockten. Vielleicht war es das, was manche als Zufall bezeichneten.
„Du wirst wieder gesund. Das verspreche ich."
Nach diesen Worten drückte er seine Lippen für einen langen Kuss auf ihre glühende Stirn.
Sie regte sich erneut, doch gerade als er dachte, dass sie erneut krampfen würde, krallte sie sich mit ihrer rechten Hand in seinem Haar fest und schloss seufzend die Augen. Behutsam, als würde er eine Mine in den Händen halten, strich er über ihren Rücken.
„Cale."
Plötzlich hörte er sie erneut schluchzen, er konnte spüren, wie ihre Tränen erneut auf die freie Haut an seinem Hals trafen, während sie ihre Stirn weiter gegen diesen drückte.
„Cale... Ich bin keine Verräterin... Das... Das weißt du doch. Ich würde euch niemals verraten.", flüsterte sie schluchzend unter seinem linken Ohr. Verwirrt und sich gleichzeitig auch schuldig fühlend, da er das Gefühl hatte vielleicht etwas Falsches gesagt zu haben, zog er den Kopf etwas zurück und sah Cease mit zusammengezogenen Augenbrauen und einem fragenden Gesichtsausdruck an.
„Wer behauptet denn, dass du eine Verräterin bist?"
Sie schniefte, um dann erneut in Tränen auszubrechen und so zu weinen, als wäre soeben die Galaxis für sie in tiefstem Rot untergegangen.
„Ich würde euch niemals verraten, Cale... Du... Du darfst mich nicht schlagen.... Bitte."
Bei ihren Worte spürte Cale plötzlich, wie ein Stechen seine Brust traf.
„Ich werde nie wieder weglaufen... Es tut mir leid... Cale... Es tut mir leid..."
Unfähig, doch gleichzeitig auch nicht wissend, was er ihr antworten sollte, schlang er die Arme um ihren Rücken und drückte sie so nah an sich, wie er nur konnte. Augenblicklich spürte er, wie sie sich an ihn klammerte, sich danach jedoch in seinen Armen sichtlich entspannte, sodass sie nicht ständig von einem Schluchzen unterbrochen wurde.
„Der Tod... Weißt du, wie ich mir ihn vorstelle? Ich stelle ihn mir abstrakt vor. Mit hellen und leichten Farben, einer Landschaft, die ewig in der Morgenröte liegt. Es liegt Schnee, aber die Sonne erscheint nicht über den Bergen. Und der Mond wird von etwas angestrahlt, das wir nicht sehen können, das niemals erscheinen wird. Cale..."
Cales Herz stand erneut still.
Es hatte soeben ausgesetzt, sobald sie auch nur das Wort Tod in den Mund genommen hatte.
„Cease. Du wirst nicht sterben, hörst du? Bevor die Nacht anbricht werden wir hier wieder raus sein und ehe du dich versiehst, sind wir wieder auf dem Kreuzer."
Die Frau in seinen Armen antwortete ihm nicht. Stattdessen ließ ihr Griff in seinem Haar nicht locker, während sie sich mit verzogenem Gesicht auf ihm wandte, als würde sie etwas quälen, das Cale nicht verstand. Tief in seiner Brust saß diese nie zuvor gespürte Furcht sie an den Tod zu verlieren, denn in seinen Gedanken, in seinen Wünschen und Vorstellungen sah er sie vor seinem inneren Augen aufflammen, wie Cease neben ihm im Gras lag, ihn anlächelte und zu den Sternen hinauf deutete, während er sie näher zu sich zog und erst ihre Hand losließ, als er einschlief und all seine Muskeln erschlafften. Die Vorstellung, die sich bereits so sehr in sein Gehirn eingebrannt hatte und bettelte erfüllt zu werden, ließ ihn zornig werden, allein bei dem Gedanken, dass Cease bereits um ihr Leben kämpfte und von dem Tod viel zu früh abgeholt werden würde.
Stur zog er sie noch näher an sich, bis er glaubte, dass sie schlecht Luft bekam. Er würde sie nicht gehen lassen, weder an diesem Tag, noch am nächsten, übernächsten oder in einigen Wochen.
„Cale...", hauchte sie, es glich kaum mehr als einem leisen Atemzug.
„Ja?"
„Ich muss meine Schulden begleichen."
Nachdem die Worte ihren Mund verließen, musste er über sie nachdenken, und die Botschaft dahinter entdeckte er erst, als es zu spät und Cease bereits eingeschlafen war. Vielleicht hielt das Abendessen, dass sie ihm noch schuldete, ihren Lebenswillen aufrecht. Zwar wusste er nicht, was sie mit der Beschreibung des Todes gemeint hatte, doch er war sich sicher, dass Cease eines Tages den schönen Ort, wie sie ihn beschrieben hatte, erreichen würde.
Aber dieser Tag lag noch in sehr, sehr weiter Ferne.
Auch wenn sie es vielleicht nicht mitbekam, drückte er seine Lippen mehr als nur ein paar Sekunden fest auf ihre Stirn, während er die Tränen ignorierte, die sich in seinen Augen gesammelt hatten.

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