Der unbekannte Patient

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Als Chefarzt einer kleinen psychiatrischen Anstalt hatte ich jeden Tag mit den unterschiedlichsten Patienten zu tun. Von Zwangsstörungen bis zu manisch-depressiven Erkrankungen war alles dabei. Für jede dieser Krankheiten hatte ich Methoden entwickelt, durch die sich das Leid mindern ließ. So wendete ich gerne bei extremer Schizophrenie und auch bei dauerhafter Depression Elektroschocks an, wenn alle anderen Mittel und Methoden versagten.

Das Zucken der Gliedmaßen und das qualvolle Schreien der depressiven Patienten ließ ihre „Taubheit“ verschwinden, und sie fühlten wieder Schmerzen.

Jedesmal, wenn ich mich bequem auf einen Stuhl hinsetzte, sah ich mit einem erfreuten, fast perversen Grinsen zu, wie sie sich den Schmerzen ergaben und mich mit Tränen in den Augen anbettelten, die Behandlung zu beenden. Lachend erwiderte ich: „Warum sollte ich? Dir wird geholfen, und ich habe meinen Spaß daran, dich leiden zu sehen!“

Aber nicht alle Patienten waren so leicht zu heilen. Seit circa drei Wochen hatte ich einen Patienten mit einem besonderen Fall vor mir. Im Gegensatz zu den meisten anderen gequälten Seelen, die so naiv waren und sich nach Hilfe sehnten, konnte ich bei ihm nicht erkennen, was ihn quälte. Seltsamerweise wies er nicht die kleinsten Anzeichen irgendeiner Krankheit auf. Er machte nicht den Eindruck, als ob er sich gerne selbst verletzen würde, von daher war SSV ausgeschlossen.

Auch zeigte er nicht mal die Symptome einer Wahnvorstellung – der Patient tat einfach nichts weiter, als in der dunkelsten Ecke des Zimmers zu sitzen und in die Leere zu starren. Er saß – wie jedes Mal, wenn ich sein Zimmer betrat – in dieser verdammten Ecke und starrte mich mit großen Augen an.

Die Medikamente, mit denen wir ihn vollgepumpt hatten, ließen ihn auf Dauer aussehen, als wäre er auf Drogen. Recht untypisch und ungesund für einen Jungen im kindlichen Alter. Aufgrund seines Aussehens schätzte ich ihn auf etwa 13 Jahre.

„Gibt es denn schon irgendwelche neuen Erkenntnisse hinsichtlich seines Zustands, Schwester?“, wandte ich den Blick von ihm grinsend ab. Wenn wir so weitermachen würden, müsste er endlich einen Ton von sich geben oder eine Reaktion zeigen! Enttäuscht schüttelte die Schwester den Kopf. „Das MRT hat auch keinerlei Ergebnisse gezeigt“, erzählte sie mir. „Es ist seltsam… Fast so, als würde er kein Gehirn haben… Als wäre er kein Mensch…“

Nun trat ich einige Schritte näher und durchleuchtete seine Augen mit einer kleinen Taschenlampe. Seine Pupillen waren ganz klein, und seine Haut wirkte insgesamt leichenblass.

Was zur Hölle hatte der Kerl nur für eine verdammte psychische Störung?! Ein schwerer Seufzer entfuhr mir, während ich mich von ihm abwandte und der Schwester beim Vorbeigehen befahl: „Bereiten Sie alles für die „Entlassung“ vor.“

Nur kurze Zeit später befand ich mich mit ihm – meinen seltsamen Patienten – in einem spärlich beleuchteten Raum wieder. Zufrieden grinste ich, während ich ihn wie ein Häufchen Elend auf einen modrigen alten Holzstuhl sitzen sah. Seine Hände und Beine gefesselt mit Ketten. „Hast du es auch bequem?“, scherzte ich, während ich mich zu dem Tisch neben mir begab. Dort lagen alle zugelassenen Werkzeuge, die ich für meine „Therapien“ brauche.

Spritzen, Zangen und mein Lieblingsinstrument: Glühend heißer Stahl, der ein hübsches Mal auf seiner verdammten Haut hinterlassen würde!

Bei der Vorstellung musste ich lachen! Das würde ganz, ganz viel Spaß machen!

Langsam ging ich nun auf meinen sonderbaren Patienten zu. „Weißt du,“ begann ich, während ich ihn überaus grinsend anstarrte, „diese Entlassungstherapie wende ich für gewöhnlich nur an, wenn alle anderen Methoden chancenlos und die Situation vollkommen aussichtslos erscheint. Leider musste ich im Laufe der Zeit feststellen, dass jegliche Methoden – egal wie schlimm sie waren – dir nicht geholfen haben, was natürlich sehr schade ist.

Gerne hätte ich dich von deinem qualvollen Leid befreit.“ Ein falsches Grinsen zog sich entlang meiner Mundwinkel, während ich den schönen, glühenden Stahl in seinen Bauch hineinrammte.

Ein hysterisches Kreischen, gefolgt von einem kranken Lachen meinerseits erfüllte den Raum.


Zu meinem Erstaunen hatte der Junge immer noch keinen einzigen Ton von sich gegeben. Nicht die kleinste Regung von Schmerzen war ihm anzusehen. Zähneknirschend setzte ich das Verbrennen seiner Haut fort. Wieder nichts. Wütend schlug ich ihm ins Gesicht. Etwas knackte schmerzhaft, seine Nase war gebrochen. „Na los! Schrei dir deine verdammte Seele aus dem Leib! Ich will dich leiden sehen!!!!!“, brüllte ich ihn an.

„Der Einzige, der im Moment schreit, bist du!“, hörte ich plötzlich eine kalte Jungenstimme sagen. Ich musste lachen. „Ah sie mal an!“, rief ich freudig. „Patient Unknown kann wohl doch seinen Mund öffnen!“ Wieder setzte ich den brennendheißen Stahl an seiner Haut an. Vor Erwartung über seine qualvollen Schreie, die den Raum erfüllen und mein Lachen übertönen würden, fing ich an zu sabbern.

Doch kaum hatte sich die Spitze des Stahls in seine Haut eingebrannt, verstummte ich erneut. „Glaubst du wirklich, dass ich noch immer Schmerzen empfinde?“, fragte mich der Junge und grinste.

Mit einem Mal riss er sich die Ketten vom Leib. Blut quoll aus seinen Wunden, die durch das scharfkantige Metall verursacht wurden.

Vor Schock über die plötzlichen Kräfte, die er hatte, taumelte ich leicht und fiel zu Boden. „WER ZUR HÖLLE BIST DU?!“, brüllte ich ihn mit fester Stimme an. Ich wollte nicht, dass er die Angst bemerkte, die sich langsam in mir breitgemacht hatte. Ein belustigtes Kichern ertönte, als mein ehemaliger Patient meinte: „Wer ich bin? Ich bin ein Geist eines Kindes, das du früher liebend gerne hast quälen lassen! Erinnerst du dich nicht an mich, Papa?!“ Es traf mich wie ein Blitz, als er mich „Papa“ nannte. Auf einmal kam alles hoch. Wie in einem Daumenkino spielten sich die Bilder nacheinander in meinem Kopf ab.

Das ganze Blut. Die Schreie… Alles hatte ich meinem lieben Kind zugefügt, um meine Werkzeuge an ihm auszutesten…

„Jason, bitte verzeih mir!“, flehte ich ihn auf Knien an. „Ich war ein schlechter Vater! Es tut mir unendlich leid!“ Doch Jason ließ sich nicht von meinem permanenten Flehen beirren. Lachend nahm er mir den Stahl aus der Hand und drückte ihn kreischend vor Lachen in mein Gesicht.

Meine von Schmerz geplagten Schreie ignorierte er dabei vollkommen, so wie ich seine damals ignoriert hatte…

Noch ein allerletztes Mal stieß er mir den glühendheißen Stahl ins Auge. Das grauenvolle Brennen und diese höllischen Schmerzen verrieten mir, dass ich in die Hölle kommen würde.

"Jason vergib mir!"

war mein letzter Satz.  

DIE CREEPYPASTA SAMMLUNGWo Geschichten leben. Entdecke jetzt