Kapitel 5

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Kapitel 5

Salina

Mein Kopf dröhnte. Mein ganzer Körper, vor allem mein Hals und mein Nacken taten weh, und mir war kalt. Eiskalt. Etwas Schweres befand sich um meine Handgelenke, das sie zusammenhielt. Verwirrt rüttelte ich daran. Erst leicht, doch als mich Panik befiel, immer fester. Aber die Ketten wollten sich nicht lösen. Unbändige Angst ließ mich vollkommen zu Bewusstsein finden. Ich rieb mir umständlich die Augen und blinzelte ein paarmal, um die Schläfrigkeit zu vertreiben. Der Raum, in dem ich mich befand, wurde von zahlreichen Lampen an der Decke ausgeleuchtet. So hatte ich keine Chance, mit den Schatten zu verschmelzen. Ich lag auf einem harten Steinboden. Die Wände bestanden ebenfalls aus Stein. Gegenüber von mir trennte mich eine schwere Stahltür von der Außenwelt.

Zuerst war ich desorientiert. Doch nach und nach kamen die Erinnerungen zurück. Bilder von dem Kampf mit den Seelenlosen tauchten vor meinem inneren Auge auf. Der Lichtjunge vom letzten Mal war dabei gewesen. Wir hatten einander gerettet, er hatte mich an sich gezogen und dann ... Dunkelheit.

»O nein ... Nein. Scheiße, nein«, murmelte ich immer wieder. Das durfte nicht wahr sein. Das musste ein Albtraum sein, aus dem ich sicherlich gleich wieder erwachen würde! Aber die Kälte, die in meine Glieder kroch, mein Herz, das in meiner Brust raste, und die Angst, die sich in mir ausbreitete, bewiesen mir das Gegenteil.

Das hatte ich nun von meiner Nachsichtigkeit. Ich hatte einem Lichtwesen vertraut und war eiskalt verraten worden. Warum hatte ich ihn bloß verschont? Nur um in den Fängen der Lichtwesen zu landen? Ich war so dämlich! Jahrelanges Training und dann so ein schwerwiegender Fehler.

Abermals rüttelte ich an den Ketten. Überlegte fieberhaft, wie ich meine Fähigkeit einsetzen könnte. Aber es bot sich keine Möglichkeit. Noch einmal schrie ich meinen Frust in Form von diversen Schimpfwörtern in den Raum. All dies erschöpfte mich, als hätte ich einen weiteren Kampf hinter mir.

Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Neben unbändiger Todesangst nagten Schuldgefühle an mir. Mein Vater hatte mich so oft vor ihnen gewarnt. Hatte mich nur versucht zu beschützen. Und was hatte ich getan? Seine gut gemeinten Ratschläge in den Wind geschlagen. Sie mit Füßen getreten. Was hatte ich jetzt von meinem Ungehorsam? Ich war geradewegs in die Arme unserer Feinde gelaufen.

Tränen standen mir in den Augen, doch ich wollte ihnen nicht nachgeben. Ruhelos lief ich im Raum umher, bis ich am Boden zusammenbrach. Kraftlos sank mein Kopf auf die Seite. Ich atmete flach und meine Lider senkten sich schwerfällig.

Ich wusste nicht, wie lange ich so dalag. Hundemüde, aber dennoch wach. Kraftlos und verzweifelt. Bis von draußen her Schritte ertönten.

Mein Puls schoss in die Höhe und Panik schnürte mir die Kehle zu, als ein Schlüssel herumgedreht wurde. Die Tür schwang mit einem lauten Knall auf, der in meinem Gefängnis widerhallte, und ließ mich zusammenzucken.

Drei Männer kamen herein. Ich öffnete den Mund, um mich wenigstens verbal zu wehren, aber ich brachte nur Gekrächze zustande, das in einen plötzlichen Hustenanfall ausartete.

» Zelle zwölf. Kyron hat das weibliche Schattenwesen gestern im Hyde Park eingefangen«, sagte einer der Lichtwesen. Er blieb bei der Tür stehen und beobachtete mit eisiger Miene, wie mich die anderen Männer grob hochzerrten. Ein Junge, etwa in meinem Alter, erwiderte meinen angsterfüllten Gesichtsausdruck mit einem diabolischen Grinsen.

»Den Hübschen sehe ich besonders gern beim Leiden zu.«

Er neigte sich ein wenig in meine Richtung, seine Augen wanderten betont auffällig an meinem Körper hinab. Panisch wich ich vor ihm zurück.

Daughter of Shades (Die Geschichte von Kyron und Salina)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt