||4||

14 3 0
                                    

Vögel kreischten über ihr. Der Duft von gebratenem Fleisch stieg ihr in die Nase. Doch auch der Geruch des nassen Felles lag in der Luft und Taija rümpfte ihre Nase.
 „Taija, Taija." Rief eine panische Frauenstimme. Sofort stand sie auf und sah sich um. Sie wusste, dass dieser Tag kommen würde. Sie wusste es seit Jahren. Und sie erwartete ihn mit Schrecken.
Britta eine der Alten des Dorfes kam auf sie zu. Sie war außer Atem. „Deine Mutter." Stieß sie atemlos aus und zeigte in die Richtung, in der ihre Behausung lag.
Taija, gepackt von der Panik, ließ alles fallen und rannte an Britta und an den anderen Frauen und Kindern vorbei, die ihr neugierig hinterhersahen.
Sie hörte Schritte hinter sich, wollte sich aber nicht umsehen. Mehrmals stolperte sie, fiel jedoch nicht. Gott sei Dank.
Sie riss das Zelt auf und trat hinein. Ihre Mutter lag auf ihrem Schlafplatz und krümmte sich. Schnell setzte sie sich neben sie. Taija griff nach der Hand ihrer Mutter und Augenblicklich entspannten sie sich.
„Taija, mein Kind." Sagte sie mit brüchiger Stimme, es war beinahe nur noch ein Hauchen. Ihr  lief eine Träne über die Wange. Dabei wollte sie nicht weinen. 
„Ja, Mutter ich bin es." Ein Lächeln huschte über ihre Züge. Doch das verschwand beinahe sofort wieder. „Mein Kind, ich kann nicht mehr." Flüsterte sie. Es traf Taija wie ein Schlag. Obwohl sie das wusste, wollte sie es nicht. Doch sie sagte nur: „Es ist gut, Mutter. Ich schaffe das schon."
Sie hörte wie jemand herein kam und blickte kurz auf. Leander legte ihr seine Hand auf die Schulter, schwieg aber.
Mit einem kaum merklichen nicken schloss Reina die Augen. Taija wollte nicht gehen aber bleiben wollten sie genauso wenig. Sie hielt die Hand, ihrer Mutter in ihrer und ließ die Tränen laufen.
Obwohl sie wusste dass es bald geschehen würde, war es etwas anderes als es nun wirklich geschah. Sie spürte wie die Hand ihre Mutter erkaltete und wusste nicht wie lange sie dort saß und zugesehen hatte, wie die Seele ihrer Mutter verschwand. Es war ihr auch eigentlich egal.
Sie hatte am Morgen gesagt das sie gehen würde. Auch wenn sie nicht wusste wohin sie gehen sollte. Sie hätte am liebsten über ihre Unsicherheit gelacht. Sie war so naiv. Doch sie war ebenso dickköpfig und sie würde das nicht aushalten alleine hier zu sein. Sie würde die Mitleidigen Blicke nicht ertragen. Sie hörte es jetzt schon, wie die Anderen über sie sprachen: „Vater abgehauen, Mutter tot. Armes Kind." Sie hasste das und sie würde das auch nicht hinnehmen. Sie stand auf und verließ das Zelt. In dem Moment wo sie hinaustrat war sie sich sicher das sie gehen würde. Leander wusste das Taija es ernst meinte und erschrak über seine plötzlichen Gefühle. Als Krieger hatte man niemals Angst, doch plötzlich hatte er sie. Was sollte er nur ohne sie machen?
Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Dann ging sie zügig Richtung der Klippe und ignorierte die Blicke die auf ihr ruhten. Jeder wusste es. Sie konnte es in ihren Gesichtern sehen. Doch sie hasste die geheuchelte Trauer.
Als sie am Abgrund stand blickte sie Richtung Horizont und kniete sich dann nieder. Sie senkte den Blick und schloss die Augen. Ihre Knie schmerzten auf dem scharfen Felsen doch sie blieb. Ein leises Gebet sendete sie an jeden Gott den sie kannte und auch an die, die sie nicht kannte. Sie betete für ihre Mutter und für sich.
Ebenso bat sie um Entschuldigung, um Entschuldigung dafür dass sie ginge ohne die Beerdigung mitzumachen. Sie hörte jemanden hinter sich und warf einen Blick nach hinten. Nur einen Meter hinter sich hatte sich Leander niedergelassen. Er schenkte Taija ein Lächeln und schloss die Augen. Auch er bat die Götter. Taija war ihm so dankbar und sie betete ebenfalls für ihn. Er würde der beste Mann werden den sie sich vorstellen konnte.
Sie wusste nicht wie lange sie dort hockte. Es interessierte sie auch nicht, sie wollte dortbleiben, bis sie das Bedürfnis hatte aufzustehen. Es fiel ihr Schwer, sich aufzuraffen und endlich zu gehen. Erst die Sonne verriet ihr dass es schon spät war. Denn sie küsste den Horizont und färbte alles in rot- oranges Licht.
Langsam erhob Taija sich und drehte sich um, stand dort und sah sich um. Erstaunt stellte sie fest, dass sich nicht nur Leander hinter ihr niedergelassen hatte. Das ganze Dorf kniete hinter ihr. Sie blickte in die einzelnen Gesichter und war überrascht von dem  Mitgefühl, das Taija eigentlich nicht wollte.
Sie lief, mit festem Schritt, durch die Menschen und beachtete niemanden mehr. Sobald sie die letzten Reihen hinter sich gelassen hatte rannte sie los. Sie atmete durch, sog die kalte Luft in ihre Lungen und war erleichtert über den Schmerz, der sie zu betäuben schien.
Dann betrat sie das Zelt, ihre Mutter lag nicht da wo sie sollte. Doch auch wenn sie sich dafür hasste, war es ihr nicht wichtig.
Wie in Trance packte sie. Sie griff nach ihrem Gepäck, zwei weitere Fälle, ein Trinkschlauch, etwas Trockenfleisch, einen Dolch und ihre Steinschleuder.
Sehnsüchtig blickte sie sich um. Ihr Schlafplatz, die Kochstelle, ihre Besitztümer, was nur etwas Geschirr und wenige Felle waren.
Taijas Blick blieb an dem Schlafplatz ihrer Mutter hängen. Sie hatte sie fast immer so gesehen, es kostete sie große Mühe um sich von diesem Anblick loszureißen und das Zelt zu verlassen. Sie verließ sie das Zelt schließlich und atmete wieder tief durch.
Taija blickte sich um und sog den Anblick von allem auf. Das würde sie nie wieder sehen. Traurige Gedanken schossen ihr durch den Kopf, doch es fiel ihr nicht sonderlich schwer diese auszublenden, bis sie an Leander dachte.
Er wäre der einzige Grund zu bleiben und plötzlich machte sie sich vorwürfe, dass sie ihm versucht hatte auszureden mit zukommen. Sie machte sich auf den Weg in die entgegen gesetzte Richtung der Klippe. Schritt für Schritt.
„Taija!" Sie versuchte Leander zu ignorieren, doch sie hörte seine trommelnden Schritte hinter sich. Sie blieb stehen.
„Taija." Sagte Leander wieder, doch diesmal rief er sie nicht. Seine Worte klangen flehentlich. Er klang so Verzweifelt. Er konnte sie nicht verlieren. Taija drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Sag was du zu sagen hast, dann kann ich gehen." Sie war selbst erschrocken wie kalt sie klang. Er blickte sie durchdringend an.
„Nichts was ich sage kann dich umstimmen?" Fragte er leise und Taija nickte nur. „Dann ist es egal was ich sage." Stellte er fest. Doch sein Gesicht drückte den Schmerz aus den er empfand.
Er konnte sich nicht überwinden. Was sollte er ihr auch sagen? Dass sein Vater hören mochte wen Leander als Braut mochte? Dass er sie wollte?
Doch sie empfand nicht so für ihn. Auch wenn es ihn schmerzte, musste er sie gehen lassen. Er hatte diese Schlacht verloren und senkte den Kopf. Er fuhr mit seinen Händen an seinen Hals und löste die Kette. Es war nicht die Kette die Taija ihm geschenkt hatte, die würde er nicht hergeben, sondern eine andere.
Er hatte aus einem kleinen Stück Holz einen Wolf geschnitzt. Er hatte bei dieser Arbeit nur an Taija denken können und jetzt schenkte er diese Kette seiner angebeteten. Eigentlich dachte er immer an sie, egal was er tat. Und er hoffte nur ein kleines bisschen, dass sie an ihn denken würde, wenn sie ging.
Taija lächelte Leander an und ließ sich die Kette über ihren Kopf ziehen. Was Taija nicht wusste war das auf der Rückseite des Wolfes die Rune für Schutz eingeritzt war. Diese Kette zeigte die Zusammengehörigkeit. Doch auch wenn nur Leander verstand was er Taija geschenkt hatte, war Taija dankbar das Leander sie gehen ließ.
Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und trat dann einen Schritt zurück. Taija lächelte ihn an. „Danke, Leander." Sagte sie während sie sich umdrehte und ging. Sie wollte sich umdrehen und ein einziges Mal seine Lippen auf den ihren Spüren, doch sie war zu feige. Sie hatte Angst, denn sie wusste nicht, ob sie es schaffen konnte wieder von ihm loszukommen, wenn er sie so berührte, wie sie es sich erträumte.

TAIJA - Im Schutz des Meeres (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt