7 - Überredungskünste

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Überarbeitet

Rachel

"Ich gehe gleich los, ja?", schrie Zane zu mir nach oben.

Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich checkte, was er von mir wollte. Stimmt ja. Er wollte zu Wills Club zusammen mit-

Halt, darüber wollte ich gar nicht weiter nachdenken.

Kopfschüttelnd stoppte ich meine Gedankengänge und lenkte meine Augen lieber auf den Bildschirm von meinem Laptop. "Bis nachher!", brüllte ich zurück, ehe ich meine Kopfhörer aufsetzte und den Film startete, den ich mir eben gerade auf Netflix herausgesucht hatte.

Mit dem Rücken versuchte ich eine halbwegs gute Position an meiner Stuhllehne zu finden, während meine rechte Hand in die kleine Glasschüssel griff.

Die Skittles werden nicht lange überleben, da war ich mir sicher.

So vergingen zusammen mit meinem Laptop, meinen Süßigkeiten und natürlich meiner Wenigkeit einige Minuten ins Land, bis der Bildschirm einfach vor meinen Augen verschwand. Irritiert musste ich feststellen, dass eine Hand meinen Laptop schnurstrack heruntergeklappt hatte - und diese Hand gehörte definitiv nicht zu mir.

Erst blickte ich stirnrunzelnd auf das Handgelenk mit den vielen buten Armreifen, ehe ich das Gesicht vom Täter fand und mich beinahe an meinem Skittle verschluckte.

Delia stand neben meinem Schreibtisch und grinste mich so selbstverständlich an, als würde sie nicht zum ersten Mal in meinem Zimmer stehen und mich völlig unerwartet besuchen.

Erschrocken riss ich mir die Kopfhörer von den Ohren.

Gleichzeitig veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie riss ihre grünen Augen weit auf und schlug sich die Hände vor dem Mund, dabei klirrten ihre Armreife protestierend aneinander. "Oh habe ich dich erschreckt? Das tut mir wirklich voll leid. Du musst bestimmt denken, dass ich total verrückt bin, weil ich einfach so bei dir aufkreuze", plapperte sie auch schon wie ein Wasserfall los.

Ich konnte ihr gar nicht böse sein. Alleine, weil sie da so hilflos vor mir herumstammelte und gar nicht wusste, was sie als erstes sagen sollte.

Beschwichtigend hob ich deswegen meine Hände und lächelte sie leicht an. "Ich - ähm. Alles gut", versicherte ich ihr schließlich. "Ich habe einfach nicht damit gerechnet."

"Ich ehrlich gesagt auch nicht", antwortete sie sofort hastig und versuchte mein zartbeseitetes Lächeln in ihrem aufgeregten Zustand zu erwidern. "Also ich meine, ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich zu dir gehen würde. Ich dachte, dein Bruder hat es dir gesagt. Ich habe ihn nämlich vorhin gefragt, ob du auch Zuhause bist und ja. Hier bin ich nun." Verlegen strich sie sich ihre langen Haare nach hinten.

Angestrengt versuchte ich das alles, was sie mir gerade gesagt hatte, zu verarbeiten. Sie sprach nämlich so unglaublich schnell, dass ein Jet nichts dagegen wäre.

Mehr als eine eindeutige Überschallgeschwindigkeit.

"Achso", kam es endlich von mir. "Aber ich dachte, du wolltest bestimmt auch mit den anderen zusammen in den Club gehen?", fragte ich sie verwundert.

"Ähm ja." Sie tippte ihre beiden Zeigefinger ein paar Mal gegeneinander und überlegte einige Sekunden, bis sie erneut zu reden anfing. "Das ist auch mit der Grund, warum ich überhaupt hergekommen bin."

Ich lehnte mich zurück und zog meine Stirn wieder kraus. "Okay", sagte ich gedehnt, viel zu verdattert von der Situation.

Allerdings störte sie das nicht weiter, da sie einfach unbekümmert fortfuhr. "Ich wollte dich fragen, ob du nicht doch noch mit uns zusammen feiern gehen möchtest. Das macht wirklich Spaß."

Ich wollte ihr gerne glauben, aber wenn ich an diese Begegnung im Shoppingzenter zurückdachte, gelang es mir einfach nicht. Dafür hatten sich Cherrys gehässige Stimme und der kalte Blick von Caydon viel zu sehr in meinen Erinnerungen eingenistet.

Mir tat es schon ziemlich leid, dass ich nun ihren erwartungsvollen Blick zerstören musste. "Du... das ist auch wirklich nett von dir. Also danke wegen dem Fragen und dass du extra zu mir gekommen bist. Aber ich glaube, die anderen wollen mich wirklich nicht dabei haben", versuchte ich ihr meine Sichtweise zu erklären.

Wie erwartet schlich sich ein betrübter Ausdruck auf ihr makelloses Gesicht. "Bist du dir wirklich sicher? Ich weiß ja, ich kann das Verhalten von Cherry und meinem Bruder nicht entschuldigen, aber nimm es dir nicht so zu Herzen. Cherry ist leider nur selten nett und mein Bruder ist... ist einfach mein Bruder." Sie zuckte mit den Achseln. "Manchmal ist er blöd und manchmal nett. Aber es wäre wirklich schade, wenn du nur wegen ihnen nicht mitmöchtest."

Ach du Schande, Caydon war auch noch ihr Bruder?

Das wurde ja immer besser. Warum ist mir das nicht gleich aufgefallen? Diese intensiven grünen Augen waren ja schon Indiz genug dafür.

Aber selbst wenn, das konnte mir eigentlich egal sein. Oder auch nicht. Wollte sie wirklich, dass ich unbedingt mir ihr mitkam? Diese Gruppe war nicht besonders groß und wenn Cherry und Caydon schon anstrengend waren, wie sind dann erst die ganzen anderen Freunde von Zane, die ich noch nicht kannte?

Oder konnte ich zumindestens auf Hooke und Timoth hoffen?

Delia konnte mich schließlich nicht die ganze Zeit vor Cherry retten und um ehrlich zu sein, wollte ich das auch gar nicht.

Das rief jetzt schon alles nach purem Stress.

"Ich weiß nicht", murmelte ich und fuhr mit meinen Fingern über meine Schreibtischkante. "Ich glaube immer noch nicht, dass das eine gute Idee ist."

Sie nickte betreten und stieß sich seitlich von meinem Schreibtisch ab. "Okay verstehe. An deiner Stelle wäre ich bestimmt auch nicht so angetan von der Sache, aber ich hätte mich echt gefreut", gestand sie ohne weiteres.

Hmpf.

Delia machte es einen wirklich schwer nein zu sagen und irgendwie tat sie mir auch etwas leid. Wie auch immer sie in diesen Freundeskreis hineingeraten ist, offenbar kam sie da nicht heraus und suchte verzweifelt nach Anschluss.

Konnte ich sie da wirklich so hart abweisen und wieder losschicken?

Auch wenn es bestimmt ein blödes Gefühl sein wird, wenn ich dort auftauchte und bestimmt deutlich von schonmal mindestens zwei Personen unerwünscht bin. Soll ich mich von einer Zicke wie Cherry und einem undurchsichtigen Kerl wie Caydon aus meiner Bahn werfen lassen?

Außerdem wäre es nur für einen Abend. Der Club ist groß genug und ich würde ja nicht einen Vertrag unterschreiben, auf immer und ewig in dieser Clique zu verweilen.

Außerdem, so sehr sie auch Jess ähnelte. Ich verpflichtete mich ja auch nicht dazu, dass ich jetzt immer etwas mit Delia machen würde und so könnte ich diese zweite Jess Geschichte gar nicht erleben.

Ich schürzte die Lippen.

Sie hatte mich also wie ein zappelnder Fisch an der Angel.

"Und?", fragte sie nochmals nach, auf ihren Lippen bildete sich ein vorsichtiges Lächeln. "Hast du es dir doch anders überlegt?"

"Du bist echt verdammt gut darin, wenn du jemanden überreden möchtest", antwortete ich stattdessen und brachte sie zum Lachen.





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