14 - Achtung

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Meine Beine fühlten sich noch immer wackelig an, als ich mich auf dem Weg zur ersten Unterrichtsstunde machte. 

Meine Finger fühlten sich kalt an, während ich sie nach meiner Federtasche ausstreckte, um mir einen meiner vielen Kugelschreiber zu nehmen und das an die Tafel geschriebene Zeug in meinem Block zu notieren.

Immer wieder spürte ich, wie ich von einigen Schülern hier in diesem Kurs etwas länger angestarrt wurde - und irgendwie hatte ich das Gefühl, das hatte mit Caydon zutun.

".....deswegen wäre es jetzt schön, wenn ihr euch zu zweit zusammenfindet und diese Aufgabe in Partnerarbeit löst", drang die rauchige Stimme von Mrs Jose an mein Ohr, worauf ich wieder zurück in die Gegenwart driftete.

Partnerarbeit?

Leise seufzend nahm ich das ausgeteilte Arbeitsblatt entgegen, als ich bemerkte, wie sich Ilay  meldete. Mrs Jose nickte ihm auffordernd zu. "Was ist?",  fragte sie ihn freundlich.

Ilay grinste sie darauf nur selbstsicher an. Garantiert kam jetzt wieder irgendein dummer Spruch, worauf die ganze Klasse laut loslacht und die Mädchen ihn nochmehr anhimmelten, als sie es nicht ohnehin schon taten. "Ich möchte germe wissen, ob ich für meine Partnerarbeit den Platz wechseln darf", sagte Ilay erstaunlich ruhig und überhaupt nicht arrogant.

Mrs Jose sah ihn überrascht an. "Also....Also wenn du, beziehungsweise ihr unbedingt die Plätze wechseln wollt....dann macht das. Hauptsache ihr füllt das Arbeitsblatt aus."

"Sicher", entgegnete Ilay, der sarkastische Unterton war deutlich herauszuhören. Jedoch anscheinend nicht deutlich genug für meine Englischlehrerin, denn sie lächelte ihn weiterhin gütig an.

Ilay drehte seinen Kopf in meine Richtung, was mich dazu verleitete, so schnell wie nur möglich wegzuschauen. Ich hatte jetzt echt gar keine Lust auf ihn. Deshalb versuchte ich meine Konzentration wieder auf die englische Grammatik vor mir zu richten.

Der Geruch von einem herben Aftershave stieg mir in die Nase - ein Duft, den ich automatisch nur mit einem Menschen in Verbindung brachte.

Helle graue Augen guckten mich unverwandt.

Unglaublich.

Ilay saß höchst aufmerksam neben mir, einen Bleistift vor sich liegend, und sah mich erwartungsvoll an. "Ich nehme an, du hast noch keinen Partner, hm?,"fragte er mich.

Argwöhnisch kniff ich meine Augen zusammen, während ich mit meinem Stuhl etwas von ihm wegrutschte. "Schätze nicht", antwortete ich nur wortkarg.

Er nickte nur und fuhr dich durch seine dunkelblonden, fast braunen Haare.

Ilay war schon den ganzen Tag so komisch -genaugenommen seit dem er mich mit Caydon heute Morgen gesehen hatte.

"Ilay", fing ich an, räusperte mich dann, um den Klang meiner Stimme zu verbessern. "Was willst du? Du setzt doch ja nicht freiwillig neben mir normalerweise."

Der gutmütige Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand langsam, nun trat wieder die überhebliche, mir sehr bekannte Miene hervor. Spöttisch hob er einen Mundwinkel an. "Rachel, Rachel." Er veränderte seine Sitzposition, wobei sein Knie mein Bein anstieß. "Ich muss leider zu geben, dass du wirklich eine hohe Intelligenz besitzt."

Soll... Soll ich das jetzt als Kompliment werten? Bei seinem Satz klappte mir die Kinnlade gefühlt auf den Boden.

 Was wollte er bewirken? Mich verunsichern?

Ilay stützte seinen Ellbogen auf dem Tisch und stützte sich auf der Handfläche mit seinem Kinn ab, damit bezweckte er, dass die Sicht auf mein und sein Gesicht geschützt war. Eher fast vollständig abgeschirmt von der Klasse.

"Aber du bist tatsächlich so naiv und dumm, dich auf Caydon Spencer einzulassen." Verachtend schnaubte er, dabei schaute er mich immer noch eingehend an. Ilay wollte noch etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders. 

Was meinte er denn jetzt damit? 

"Du...du kennst Caydon?", hakte ich neugierig nach.

Ilay verdrehte amüsiert auflachend seine Augen. "Schätzchen...So gut wie jeder kennt ihn - nun gut. Mit Ausnahme du anscheinend."

Meine Augenbrauen rutschten weit nach oben, eine passende Antwort fiel mir nicht so recht ein.

Ilay malte lächelnd kleine Kreise mit seinem Kugelschreiber auf den weißen Rand meines Arbeitsblattes. Schließlich linste er zu mir herüber. "Und weißt du, warum ihn so viele kennen?"

Langsam schüttelte ich ahnungslos den Kopf, dabei behielt ich trotzdem ganz genau den beschmierten Rand von meinem Arbeitsblatt im Auge.

"Weil es mit den Sachen zusammenhängt die er tut oder getan hat - und die willst du als seine kleine, sehr naive Freundin natürlich nicht wissen, oder?", raunte er mir zu.

"Ich bin nicht seine Freundin", widersprach ich verärgert.

"Natürlich." Ilay hob eine seiner dunklen Augenbrauen an und das konnte er wirklich verdammt gut. "Dass er mit Drogen handelt, was nebenbei bemerkt nur ein kleineres Übel ist, weißt du schon oder?"

"Nein."

Nun gut, wie der brave Junge von nebenan sah er jetzt aber auch nicht aus.

Ilay lächelte mich böse an. "Du wusstest also nicht, dass..." Er hielt inne und betrachtete mich nachdenklich. "Nein", meinte er überheblich. "Warum sollte ich dir das erzählen? Es ist so viel spannender, wenn du es selbst herausfindest."

Verblüfft über seine plötzliche Zurückhaltung fehlten mir erst recht die Worte.

Das Grinsen von Ilay wurde zunehmend breiter. Ohne irgendetwas Weiteres von sich zu geben, stand er unter den anderen neugierigen, teils verwirrten Blicken auf und ging lässig zu Bruce zurück, der uns die ganze Zeit angespannt beobachtete hatte.

Meine Haut prickelte unangenehm, als würden tausende kleine Nadeln auf sie einstechen. Ein mulmiges Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. 

Bevor ich fragen konnte, ob ich auf Toilette darf, da mir aufeinmal unglaublich schlecht geworden war, klingelte es zum Ende der Stunde. Aufgelöst packte ich meine Sachen samt des verunstalteten Blattes zusammen und verließ schwankend den Raum.

Mir ging es im Verlauf der nächsten drei Stunden immer schlechter und schon alleine der Gedanke an Caydon ließ meine einsetzenden Kopfschmerzen stärker werden. Und dann auch noch sein Wunsch.... Wenn er so versaut war, wie es Ilay auch wirklich behauptete, wie sah der denn aus? Weswegen wünschte er sich dann etwas von mir? 

Und warum tat er das nicht bei irgendwelchen anderen selbstbewussteren Mädchen, die sein Verlangen erst recht gestillt hätten, falls er danach Bedarf hatte. Und das hatte er ganz sicher, Ilay hatte ziemlich Anspielungen auf sowas gemacht und die Momente mit Cherry waren ja wohl Beweis genug dafür.

Aufstöhnend massierte ich mir meine Schläfen - und passte für einen Augenblick nicht genug auf. Was ich sofort bitter zu spüren bekam.

Etwas zischte in hoher Geschwindigkeit auf meinem Kopf zu und traf mich mit voller Wucht, worauf alles in sich verschwamm. Ich hörte nur noch ein Achtung - was wohl etwas zu spät für mich kam - dann wurde alles um mich herum schwarz.






Maybe TimelessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt