Kapitel 2 | Nothing Is Over

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Wie jeden Abend brachten Leo und ich unsere Gitarren in den kleinen Raum, in dem wir uns auch einspielen. Danach setzten wir uns meistens noch ein wenig zu Janina und quatschten, genau da, wo meine Idole jetzt standen - und hoffentlich noch standen, wenn wir hier wieder rauskamen. Wir beeilten uns, wie wir uns noch nie beeilt hatten. Nicht nur ich war aufgeregt und meine Freunde waren wie ausgewechselt.

"Alter, Leute, was machen die bitte hier?! Ich glaub ich tick aus!", meinte Annika, sobald wir die Tür hinter uns geschlossen hatten.

"Nicht gut, Anni, cool play ist jetzt angesagt", warf Julian ein, "Das ist unsere Chance!"

"Chance? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die uns gut fanden?", führte Leo die hitzige Diskussion fort.

"Vielleicht ja schon", antwortete Julian, diesmal etwas ruhiger.

Während die anderen die wichtigsten Dinge aufräumten, betrachtete ich mich wieder im Spiegel. Sie alle hatten Recht. Entweder fanden die vier Jungs da draußen uns super - oder scheiße. Was ich mir wünschte, war ja wohl klar. Doch was jetzt? Was wollten wir tun? Wir konnten unmöglich zu den Vieren hingehen und sie einfach anquatschen. Doch die Entscheidung wurde uns abgenommen.

Es hatte gerade eben an der Tür geklopft. Dreimal. Das war merkwürdig. Niemand wollte hier hinten etwas von uns außer Janina. Und die klopfte zweimal an.

"Jaa?", fragte ich mit zittriger Stimme. Langsam wurde die Tür aufgeschoben.

Der Kopf von Samu erschien. Wir alle hielten die Luft an.

"Entschuldigung?", frage er mit der tiefen Stimme, die mir aus den Songs der Band so vertraut war. Hey, kann ich bitte einmal kurz in Ohnmacht fallen? Nachdem sich keiner von uns rührte oder etwas sagte, kam er rein und schloss die Tür hinter sich.

„Sprecht ihr Englisch?", fragte er, „mein Deutsch ist in Ordnung, aber nicht perfekt."

Wusste ich natürlich. Er saß das zweite Jahr in Folge in der Jury der Castingshow The Voice of Germany und ich hatte keine Folge verpasst.

„Ja, tun wir", meldete sich Annika zu Wort.

„Ich wollte nur sagen...ihr wart unglaublich. Habt ihr noch mehr Songs von uns gespielt außer Fairytale Gone Bad?", fragte er.

„Ähm, nein", sagte Julian, „nur diesen."

„Und du", sagte Samu und sah mir direkt in die Augen. Unglaublich, diese tiefen, blauen Augen...

„Ja?", schaffte ich es, zu sagen.

„Du hast so eine schöne Stimme. Sie ist so kräftig und, naja, sie ist perfekt."

Woah, Samu. Hallelujah...

„Dankeschön...", sagte ich, denn mehr brachte ich nicht raus.

„Naja, ähm, ich werd dann mal wieder gehen", meinte Samu und wandte sich zur Tür. Ich stutzte einen Moment. Nein, er durfte jetzt nicht gehen. Ich hatte so viele Fragen an ihn, ich wollte ihn doch schon immer mal treffen. Jetzt hatte ich es geschafft und brachte kein Wort raus.

„Aber wir sitzen noch ein bisschen vorne bei Janina", fügte er mit einem Lächeln hinzu, „ich glaube, die anderen wollen euch auch ganz gerne ein wenig kennen lernen."

Wir sahen ihm alle hinterher, als er die Tür hinter sich schloss.

„Leute, ihr könnt euch wieder bewegen", meinte Leo trocken. Jaa, genau, dachte ich ironisch, Samu Haber hat mir gerade gesagt, dass meine Stimme perfekt ist, das steckt man nicht so einfach weg. Aber Leo hatte Recht. Samu hatte gemeint, die vier Jungs saßen noch draußen, ich wusste also, was ich jetzt tun würde.

„Leute, wir müssen da raus. Ich will mit ihnen reden", informierte ich die anderen.

„Ja, das machen wir. Oh Gott, Samu Haber, Leute", viel Annika schlagartig auf, was gerade passiert war.

Ich warf wieder einen Blick in den Spiegel bevor wir den Raum verließen. Das war in den letzten Jahren schon zu einer Angewohnheit geworden. Wir folgten diesmal einem anderen Gang, der zu einer Tür neben der Bühne führte. Ich atmete einmal durch und versuchte mich zu beruhigen, bevor ich die Klinke runterdrückte. Es ist nur Samu Haber, versuchte ich, mir einzureden.

Tatsächlich saßen die vier bei Janina an der Bar. Mit einem Lächeln ging ich auf sie zu. Diesmal kam alles nicht mehr ganz so überraschend und ich konnte ein wenig selbstbewusster sein. Sie lächelten alle zurück und wir setzten uns zu ihnen - ich neben Samu, so konnten wir uns von Sänger zu Sänger austauschen, redete ich mir ein.

„Tut mir leid, das kam gerade ein wenig überraschend für uns...", versuchte ich zu erklären, wieso wir gerade so wortkarg gewesen waren.

„Kein Problem", meinte Samu sofort und schenkte mir ein breites Lächeln. Ich begann zu schmelzen, glaube ich. „Ich bin übrigens Samu, aber das wisst ihr vermutlich."

Er sprach mit uns allen, aber dennoch sah er nur mich an.

„Und das sind Riku, Raul und Sami", fuhr er fort und deutete jeweils auf die anderen drei, die uns alle freundlich zunickten.

„Samantha", stellte ich nun auch mich vor und gab Samu ganz höflich die Hand, genauso wie den anderen dreien, „und das sind Annika, Leo und Julian."

„Schöner Name", meinte Samu zu mir.

„Danke", antwortete ich ganz perplex. Der warf ja hier mit Komplimenten nur so um sich.

„Eure Band scheint es schon ziemlich lange zu geben, oder?", mischte sich jetzt auch Riku ein, „ihr habt ja hervorragend zusammengespielt."

„Seit fast zehn Jahren", antwortete Julian ein wenig stolz. Vorhin war er noch komplett hoffnungslos an die Sache herangegangen, dachte ich, aber ich schob den Gedanken schnell beiseite.

„Die Erfahrung merkt man euch an", sagte Sami anerkennend. „Aber eine andere Frage..."

Und so langsam kamen wir langsam mit den vier Jungs ins Gespräch. Wir unterhielten uns über so ziemlich jedes Thema, das wir finden konnten. Es wurde wirklich ein netter Abend und wir hätten wohl alle nicht gedacht, dass das so enden würde. Was für ein Glück, dass Sunrise Avenue sich entschlossen hatte, diesen Abend in unserer Kneipe ausklingen zu lassen und was für ein Glück, dass wir genau Fairytale Gone Bad gespielt hatten.


You Can Never Be Ready (Samu Haber Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt