Kapitel 3 | Glück

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Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, spürte ich sofort, wie unglaublich müde ich war. Es war gestern spät geworden und die Belohnung war nun, dass mir alles wehtat. Aber das störte mich kaum. Ich stand trotz allem hellwach auf und freute mich über die Erinnerung an den gestrigen Abend. Ich musste mich noch einmal kneifen, um sicherzugehen, dass alles real gewesen war. Die Band meines Idols hatte sich tatsächlich in diese schäbige Kneipe verloren. Und war dann noch total vom Cover einer ihrer Songs begeistert. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Doch was Samu am Ende des Abends zu uns gesagt hatte, hatte alles gesprengt. Er würde uns gerne noch einmal zusammen spielen hören, meinte er. Dann würden die vier Jungs uns noch genauer einschätzen können. Und wenn sie dann von uns überzeugt waren, würden sie vielleicht etwas für uns tun können. Vielleicht würden sie uns dann helfen...."to get out of this sordid bar", sagte Samu.

Doch nachdem wir die Jungs informiert hatten, dass wir erst am Mittwoch wieder auftreten würden, war mein Traum schon kurz vor dem Platzen gewesen. Denn am Mittwoch wären sie nicht mehr in München, meinten sie. Doch glücklicherweise hatte Janina das Gespräch mitbekommen. Sie konnte uns garantieren, dass wir morgen Abend eine zusätzliche Möglichkeit bekommen konnten aufzutreten. Ausnahmsweise war die Bühne an einem Sonntag frei. Ich musste mich beherrschen, um ihr nicht um den Hals zu fallen. Und so vereinbarten wir mit den Jungs, dass sie sich morgen Abend ein wenig mehr von uns anhören konnten als diesen einen Song. Doch dementsprechend aufgeregt war ich heute. Das war unsere Chance. Unsere vermutlich einzige und letzte Chance. Und was uns sonst bevorstand, war uns allen klar. Auf kurz oder lang würde es das Aus für „Rainfall" bedeuten und wir wären eine der unzähligen Schülerbands, die den Sprung auf die Karriereleiter nicht geschafft haben. Und um das verhindern zu können, würden wir sehr viel Glück brauchen, das war uns klar. Und groß waren unsere Chancen nicht...

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Als der lange Tag endlich vorbei war, wusste ich nicht genau, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht. Einerseits war die Wartezeit unerträglich gewesen. Ich hatte mehr oder weniger durchgehend nach etwas gesucht, das ich tun konnte. Dass Sonntag war und ich mir für den Tag nichts vorgenommen hatte, machte die Situation nicht einfacher. Am Nachmittag hatten wir vier uns noch einmal getroffen, um zu beraten welche Songs wir genau spielen würden und vor allem um ein letztes Mal zu proben. Wir hatten danach alle ein sehr positives Gefühl – die Probe war gut verlaufen – aber dennoch blieb der Gedanke an den kommenden Abend. Uns allen war klar, wie viel von diesem Auftritt abhing. Und das merkte man an der Probe. Nur selten waren wir so gewissenhaft und konzentriert gewesen. Ich war froh darüber gewesen, denn das bedeutete die Ablenkung, die ich gut gebrauchen konnte. Auf der anderen Seite hätte ich aber gerne noch ein wenig mehr Zeit für mich gehabt...denn ich konnte mich wirklich nicht erinnern, jemals aufgeregter gewesen zu sein. Meine Panik war extrem. Die Vernunft sagte mir, dass wir das schaffen würden. Dass wir unsere Songs gut abliefern würden. Doch ob wir wirklich gut genug waren, dass wir eine Chance bei solchen Superstars hatten, konnten wir nicht beeinflussen. Und das war es, was uns alle so nervös machte.

Um Punkt zwanzig Uhr standen wir wie vereinbart auf der kleinen Bühne. Ich war nicht ganz überzeugt gewesen, dass die Jungs wirklich kommen würden. Wieso sollten sie sich für uns überhaupt interessieren? Aber als meine Augen sich an das Schweinwerferlicht gewöhnt hatten, musste ich einen Blick riskieren. Und tatsächlich – alle vier lehnten sie lässig an der Bar, grinsten uns an und erwarteten gespannt unsere Musik. Irgendwie schaffte ich es, zurückzulächeln und als ich Samu ansah, zwinkerte er mir sogar zu. Das wäre fast zu viel für mich gewesen, aber ich schaffte es, mich zusammenzureißen und griff den ersten Akkord...

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Als wir alle fünf Songs, die wir uns für diesen Abend vorgenommen hatten, gespielt hatten, konnte ich nicht anders, als in die kleine Menge zu grinsen. Wir hatten selten so gut gespielt wie heute. Der Rest lang nicht in unserer Hand, dachte ich, als ich zu Samu sah, der mich breit angrinste. War das ein Zeichen? Oder nur Einbildung?

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Janina auf mich zu kam. Erst wunderte ich mich, da sie sich nur selten von ihrem Tresen wegbewegte. Doch dann meinte sie leise „Ich mach das schon, geht nur" zu mir und nahm mir die Gitarre ab, ebenso wie auch Leo. Ich lächelt sie dankbar an und drehte mich zu den anderen um. Wir verbeugten uns alle ganz brav, solange man den spärlichen Applaus noch hören konnte, lächelten uns an und liefen dann langsam auf die Jungs von Sunrise Avenue zu. Ich hatte nicht gedacht, dass man meine Aufregung noch steigern konnte, doch ich stellte fest, dass es möglich war.

„Wollt ihr kurz mit nach draußen kommen?", meinte Samu, sobald wir die kleine Kneipe durchquert hatten. Wir nickten und folgten ihnen. Die kalte Luft tat unglaublich gut, merkte ich, sobald wir durch die Tür getreten waren. Es war mitten im Winter und hatte nur knapp über null Grad, doch genau das beruhigte ungemein.

„Also gut...", begann Samu und sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Wir schwiegen alle und sahen ihn gespannt an.

„Ich denke nicht, dass wir uns da groß absprechen müssen", fuhr er fort und warf einen Blick zu seinen Bandkollegen, „wir wissen nicht genau wie, aber für euch müssen wir uns definitiv einsetzen!"

Da war sie, die erlösende Antwort. Ich wäre ihnen allen am liebsten um den Hals gefallen...

„Also ich hätte da ein paar Ideen", meinte Riku jetzt grinsend.

„Ich ja auch", stimmte Raul zu, „aber wollen wir nicht wieder reingehen und alles drinnen besprechen?", meinte er und sah uns bibbernd an.

Wir lachten und folgten ihm...Samu und ich waren die letzten und er hielt mir höflich die Tür auf. Dann blieb er jedoch noch einen Moment stehen und wollte etwas sagen. Erstaunt sah ich ihn an.

„Hast du Lust, mit mir nachher noch etwas trinken zu gehen?"


You Can Never Be Ready (Samu Haber Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt