Kapitel 5 | Strawberry Light oder Piña Colada?

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'Alles wird gut', wiederholte ich im Stillen, als wir den kleinen Raum betraten.

"Passt das?", fragte mich Samu und zeigte auf einen kleinen Tisch etwas abseits. Ich nickte und folgte ihm. Der kleine Club hatte sich kaum verändert seit ich das letzte Mal hier gewesen war. Die Tanzfläche noch immer etwas zu groß für die wenigen Gäste, die sich hierher verirrten. Aber für mich genau das richtige. Ich war nicht unbedingt diejenige, die als erste auf die Tanzfläche stürmte. Genau deshalb war mir dieser Club so sympathisch. Hier konnte man auch einfach gemütlich beisammen sitzen, ohne gleich Party machen zu müssen und sich volllaufen zu lassen.

"Willst du was trinken?", rief mir Samu ins Ohr, nachdem die Musik recht laut war.

Ich nickte. "Aber alkoholfrei bitte." Samu zog erstaunt die Augenbrauen nach oben und grinste. Doch dann nahm er das hin und machte sich auf den Weg zur Bar. Ich nutzte die Zeit und schaute auf mein Handy. Wie erwartet hatte ich von den anderen drei einige Nachrichten bekommen. Und alle beinhalteten mehr oder weniger die Frage, wie ich es geschafft hatte, Samu zu dieser Einladung zu bringen. Ein wenig verärgert schickte ich in die Gruppe, die ursprünglich für unsere Band gegründet worden war, ein Statement, dass ich absolut nichts getan hatte, das dazu beigetragen hatte. Um sie ein wenig zu besänftigen, fügte ich noch dazu, dass ich das selbst kein bisschen verstehen konnte.

"Dein Freund?", fragte mich Samu und grinste. Doch ich hörte genau heraus, dass er mit dieser Frage auch herausfinden wollte, ob ich denn einen hatte. Ich hätte einfach antworten können, dass es unsere Band war und ich keinen Freund hatte, aber aus irgendeinem Grund schüttelte ich nur den Kopf und grinste verschwörerisch.

Samu stellte zwei Gläser auf den kleinen Bartisch vor uns. Sein Drink sah recht verräterisch nach Piña Colada aus, meiner hingegen hatte eine orange-rote Farbe die mir rein gar nichts sagte.

"Strawberry Light", erklärte Samu meinen rätselnden Blick, "Erdbeer, Grapefruit und Orangensaft. Ich dachte mir, das könnte dir schmecken."

"Prima!", rief ich zurück. Da hatte er ein gutes Gespür gehabt, etwas in der Art hätte ich auch selbst gewählt.

"Probier doch mal", forderte er mich auf. Ich nahm einen Schluck. Er schmeckte wirklich gut und ich hielt einen Daumen hoch, um seine Auswahl zu loben. Er grinste zufrieden und ich musste lachen. Als Angebot, ob er sich auch einmal von seinem Können überzeugen wollte, hielt ich ihm mein Glas hin. Er nahm einen Schluck und auch er zeigte einen Daumen nach oben.

Eine Weile saßen wir nur da und sahen den wenigen Gästen zu, die sich auf der Tanzfläche bewegten, nachdem es die laute Musik fast unmöglich machte, ein normales Gespräch zu führen. Ich grinste in mich hinein und konnte mein Glück immernoch nicht fassen. Immer wieder schrie mein Bauch meinem Kopf zu, dass ich gemeinsam mit Samu Haber in einer Bar saß, als müsste ich mich von Zeit zu Zeit daran erinnern. Samu grinste mich an, dann zeigte er auf die Tanzfläche und hielt schließlich mir die Hand hin. Das war es gewesen, was ich die ganze Zeit geahnt hatte. Dass er mich zum Tanz auffordern würde und sehen würde, wie ich voll von Ungeschick versuchte, mich zur Musik zu bewegen. Nachdem es sich aber nicht gehörte, so ein Angebot auszuschlagen, griff ich nach seiner Hand und machte einen Knicks. Er lachte und wir gingen gemeinsam die wenigen Meter. Das war der Moment, in dem der Abend peinlich werden würde und er jegliches Interesse verlieren würde, dachte ich und bekreuzigte mich innerlich. Falls er überhaupt jemals Interesse gehabt haben sollte.

Doch nach und nach fing ich an, an der Sache gefallen zu finden. Ich hatte das Gefühl, nicht ganz so schlecht zu tanzen wie erwartet und auch Samu schien seinen Spaß zu haben. Als ein ruhigeres Lied angespielt wurde, zog er mich ein wenig zu sich und bereitwillig legte ich meinen Kopf auf seine Schulter. Soweit das möglich war, denn ich war im Gegensatz zu ihm nicht gerade die Größte.

"Du bist mir echt sympathisch, weißt du", sagte er mir ins Ohr. Ich musste lächeln und sah zu ihm hoch.

"Du bist aber auch nicht ohne", gab ich zurück und brachte auch ihn zum Grinsen. Einen Moment lang sahen wir uns in die Augen. Schließlich kam er mir immer näher. Doch je kleiner der Abstand zwischen unseren Lippen wurde, desto größer wurde meine Panik.

"Ich glaub, ich muss mal Pause machen", hörte ich mich plötzlich sagen und löste mich von ihm. Doch statt zu unserem kleinen Tisch zurückzugehen, bahnte ich mir einen Weg durch die anderen tanzenden Leute zur Toilette. Ich warf kurz einen Blick auf die beiden Kabinen und sah erleichtert, dass beide Türen weit offen standen. Ich stützte mich aufs Waschbecken, als sei ich gerade einen Marathon gerannt. Ein Blick in den Spiegel sagte mir, dass ich noch mehr durch den Wind aussah, als ich vermutet hatte. Ich sah, wie mir die vertraute Narbe entgegenblitze und beruhigte mich allmählich wieder. Das war noch immer ich. Noch immer das junge Mädchen mit der Vergangenheit. Und ich würde da wieder rausgehen. Ich würde das hinbekommen.

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Als ich in etwa zwei Stunden später noch immer nahezu nüchtern an unserem Tisch saß, beschloss ich, dass das für heute genug war. Samu hatte sich noch einige Drinks mehr bestellt und war inzwischen ziemlich dicht.

"Lass uns gehen", rief ich in sein Ohr.

"Nein, ich will noch bleiben", lallte er mir zu. Ich schüttelte den Kopf. "Du hast genug für heute."

Ich half ihm auf und brachte ihn zur Tür. Im Moment kam ich mir eher wie die große Schwester vor und seufzte. Irgendwie war der Abend nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, drehte ich mich um und fragte Samu, in welche Richtung er denn musste. Doch eine Antwort bekam ich nicht, sondern fühlte stattdessen Samus weiche Lippen auf meinen.

Doch diesmal wich ich nicht zurück.


You Can Never Be Ready (Samu Haber Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt