1. Eine unerwartete Begegnung

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Es war morgen.
Verschlafen blinzelte ich in das helle Licht der asgardischen Sonne und windete mich etwas in den weichen Laken meines Bettes herum. Zufrieden richtete ich mich auf und gähnte noch ein letztes Mal herzhaft, bevor ich mich in das Badezimmer schwang.

„Arabella, wir gegen nun in die Heilkammer! Was machst du heute, Liebes?", kam es von meiner Mutter aus dem Salon; sie war, genauso wie mein Vater, eine Heilerin.
„Ich werde in die Bibliothek gehen", rief ich heiter zurück.
„Schon wieder? Das ist ja mal was Neues", scherzte meine Mutter, woraufhin ich nur die Augen verdrehte. „Pass auf dich auf!"

Abwesend wusch ich mich und machte mich weitestgehend zurecht, bemüht darin, meine unbändigen Haare irgendwie in einer Art Frisur gebändigt zu bekommen.
'Ach na dann  eben nicht', dachte ich missmutig, als mir alles wieder auseinander fiel und mir die Locken strähnenweise in den Rücken fielen.
Wer brauchte schon perfekte Haare in der Bibliothek, und für die Kerle dort interessierte ich mich eh nicht; sie waren mir meist zu unbelesen und peinlich eingebildet. Außerdem empfand ich es immer als sehr unangenehm, wenn mich jemand ansprach; dies kam meinen Eltern sehr gelegen, da sie keine Intention hatten, mich schon verheiratet sehen zu wollen.
Gut für mich.

Nachdem ich fertig angezogen war, verließ ich unser Haus und machte mich auf den Weg in die Bibliothek; auf dem Weg grüßten mich einige Menschen, da sie meine Eltern kannten, natürlich grüßte ich jeden brav zurück.
Endlich hatte ich die großen eisernen Tore der königlichen Einrichtung erreicht und trat eilig ein.
Jeder meiner Schritte halte aufgrund der hohen Marmorwände, die über und über mit Büchern gefüllt waren, wieder; es war kaum etwas los, die Leute hier konnte man an einer Hand abzählen.
Zunächst durchforstete ich eines der Regale, entschied mich für den Titel „Heilpflanzen auf Svartalfheim und deren Wirkung" und setzte mich an einen der alten Holztische, um zu lesen; nach einigen ruhigen konzentrierten Stunden hatte ich die Lektüre ausgelesen.
Hastig stand ich auf um mir weiteren Lesestoff zu besorgen; dummerweise übertrieb ich es ein wenig und hielt plötzlich etwa ein Dutzend dicker, alter Bücher im Arm, dir mir doch sehr schwer schienen.
Zu schwer.
Augenblicklich kam ich ins Schwanken und wäre beinahe hingefallen, hätte mich nicht jemand abgefangen; die Bücher schlugen nicht auf dem Steinboden auf, sondern blieben einfach in der Luft schweben, und wurden von einem grünlichen Nebel umhüllt.
Als ich sah, wer dafür verantwortlich war, stockte mir der Atem; es war einer der Prinzen.

Erschrocken sah in seine außergewöhnlich hellen blauen Augen, welche mich belustigt musterten, und drohte mich, aus Faszination darin zu verlieren.
Er machte keine Anstalten, mich wieder auf meine eigenen Füße zu stellen, Götter, ich musste irgendetwas tun, bevor das noch Ärger gäbe!
„O-ohh eure Majestät, e-es tut mir leid, ich danke euch, ich-", begann ich zu stammeln, doch der Adlige lächelte nur sanft und stellte mich überraschend vorsichtig wieder auf die Beine, während er die Bücher auf einen Tisch schweben ließ.

„Ihr müsst vorsichtiger sein, meine Liebe... das nächste Mal bin ich vielleicht nicht hier, um Euch aufzufangen. Obwohl ich das natürlich sehr gerne nochmal tun würde", sagte er mit rauer Stimme und leicht verschmitzten Grinsen, ohne mich aus den Augen zu lassen; in seinem hellen Iriden funkelte es schelmisch.
Ich konnte seinem bohrenden Blick nicht mehr standhalten und lächelte peinlich berührt zu Boden.

„Ich bin Loki. Wie heißt Ihr meine Schöne?", fragte er mit weicher Stimme.
Zurückhaltend hob ich meinen Blick wieder auf ihn, sah ihm jedoch nicht in die Augen.
Tief durchatmen.
„I-ich heiße Arabella"
Ach herjee, so bist du doch normalerweise nicht, sei nicht so erbärmlich!
"Seid ihr des Öfteren hier, Eure Majestät?", setzte ich noch dahinter, um nicht so schüchtern zu wirken; ob mir das nun etwas brachte, war wohl dann die andere Frage...

„Oh ja, das bin ich wohl. Merkwürdig, dass wir
uns noch nicht begegnet sind...", sein Blick war immer noch intensiv.
Nun wagte ich es, ihm auch in die Augen zu sehen.
„Vielleicht haben wir uns schon mal getroffen, und Ihr habt mich nicht bemerkt", konterte ich, woraufhin er lediglich den Kopf schüttelte.
„Nein, das kann nicht sein", erwiderte er schlicht. „Oh und bitte Arabella, lasst doch diese höfischen Anreden weg, damit komme ich mir so albern vor."

Mittlerweile hatte ich bemerkt, wie nah wir eigentlich beieinander standen; mich dazu aufraffen, einen Schritt zurückzutreten, konnte ich allerdings ebenfalls nicht...er zog mich magisch an.
Bei Odin, mein Puls rannte mir so schnell davon, dass das wirklich nicht mehr gesund sein konnte... wie seine markanten Züge von den rabenschwarzen Locken umspielt wurden, ich konstant den Kopf empor halten musste, um im überhaupt anschauen zu können, so groß, wie er war.

„Oh, meine Liebe... wieso denn so nachdenklich?", riss seine Stimme mich aus den Gedanken, sofort war ich wieder voll und ganz anwesend.

Ohne jegliche Vorwarnung nahm er ganz vorsichtig meine Hand und führte sie, ohne den Blick in meine Augen zu verlieren, zu seinen schmalen Lippen und küsste sie.
Die Stelle, an der er mich berührte begann augenblicklich, warm zu werden und zu kribbeln, irgendwas in meinem Inneren spielte gerade verrückt; erneut sah ich zu ihm auf.
Mit einem hellen Funkeln in diesen verblüffend blauen Iriden blickte er mich durch seine langen schwarzen Wimpern direkt an, bevor sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht zierte.

„Ich denke, ich würde mich sehr gut an Euch erinnern, Arabella."

-Lokis Sicht-
Sachte ließ ich ihre Hand los und blickte in ein Paar warme Augen, welche durch das schummrige Kerzenlicht der Bibliothek in einem dunklen kakaobraun erschienen.
Sie strahlte eine Art der Güte und Macht aus, welche ich in solch einer Intensität noch nie zuvor bei Jemandem wahrgenommen hatte; dennoch wirkte sie so zart und empfindsam, als würden sich keine boshaften oder gemeinen  Gedanken in ihrer Seele finden lassen können.
Ihr Anblick und die anfangenden Deutungen bezüglich ihres Wesens brachten mich ungewohnter Weise leicht aus der Fassung; sie war unbeschreiblich interessant und faszinierend.

Gerade, als ich ein weiteres Wort der Konversation betreiben wollte, sah ich es aus dem Augenwinkel hell aufblitzen.
Überrascht erblickte ich winzige, silbrige Funken, die aus den Fingerspitzen des Mädchens schossen; ähnlich wie bei der Flamme einer Wunderkerze hielten sie nicht lange an und verschwanden genau so schnell wieder, wie sie gekommen waren; lediglich eine kleine Schicht feiner Partikel blieb als dünner Film auf ihren Händen.
Moment...
War das gerade etwa Zauberei?

„O-oh tut mit furchtbar leid, i-ich muss gehen", stotterte sie, wobei sich der rosé Ton auf ihren Wangen zu einem großflächigen rot änderte.
War ihr ihre Magie etwa unangenehm? Schämte sie sich dafür? Oder fand sie mich schlichtweg einfach nur unbehaglich und wollte nicht in meiner Anwesenheit sein?

-Arabellas Sicht-
Verdammt, er darf bloß nichts über diese Kräfte herausfinden!
Kräfte kann man das ja nicht mal nennen, so wenig, wie ich draufhabe....
Es ist mir einfach zu peinlich vor ihm.
Niemand weiß darüber Bescheid, nicht einmal meinen Eltern hatte ich etwas anvertraut; ‚es' geschieht nur, wenn ich aufgeregt bin, oder ein Gefühl besonders stark verspüre.
Bis jetzt jedoch konnte ich es immer zurückhalten und verhindern, außerdem gibt es in Asgard außer der Königsfamilie niemanden, der göttliche Kräfte besitzt.

Da kann ich mir kein Herausstechen leisten.
Auf gar keinen Fall.

„Verzeiht mir, falls ich Euch in eine unbehagliches Situation gebracht habe, aber -", begann Loki mit besorgt zusammengezogenen Augenbrauen, doch ich schüttelte nur den Kopf.
„Nein, Ihr trägt keinerlei Schuld! Versprecht mir einfach, dass ihr das für Euch behaltet... Eure Majestät".
Ich hoffte inständig, dass er diese Bitte nicht als eine Art Respektlosigkeit wahrnahm und mich nicht verraten würde; das würde einen riesigen Trubel um mich bedeuten, dem ich so gar nicht gewachsen war.

Flehend sah ich ihn an; kurz starrte er mit großen Augen zurück und trat dann einen kleinen Schritt vor zu mir. Intensiv blickte er mir in die Augen und zog einen Mundwinkel leicht empor; in seinen eisblauen Augen funkelte schon wieder etwas auf.

„Keine Sorge meine Liebe... Euer kleines Geheimnis ist bei mir sicher", lächelte er.
„Das schwöre ich Euch".

It's a kind of magic (LOKI FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt