Kapitel 3

30 3 0
                                    

♡ Fira

Ich nickte ganz langsam. Erst musste ich diese ganze Sache ordnen. Sie in meinem Kopf kategorisieren, abwägen und einschätzen. Dean hatte mich kalt erwischt, mich gesucht, gefunden und mich im Billard gewinnen lassen, nur um mich dann absichtlich zu überrumpeln. Ich kannte ihn, kannte seine Taktiken, seine Spielchen. Er war gut, manipulativ und berechnend, und ich war schwach.

„Okay, gehen wir ... einfach mal kurz hier raus." Ich bekam kaum noch Luft. Wie hatte ich die letzte Stunde hier drin atmen können? Dean folgte mir.

Draußen zog ich einen tiefen Schwall an kalter, angenehmer Nachtluft ein, die meine Lunge so wohltuend füllte, dass ich stöhnen musste vor Genuss.

Ich sah den Impala und steuerte wie automatisch darauf zu. Ich war es so gewohnt, nach Deans Auto Ausschau zu halten, dass ich es manchmal sogar immer noch tat, obwohl er gar nicht in der Nähe war. Immer noch leicht verunsichert lehnte ich mich ans Auto und streichelte es andächtig mit meiner linken Hand. Dean lächelte, wurde aber schnell wieder ernst. Er sah mich an, wartete und ließ mir Zeit, mich zu sammeln. Mir war kalt. Ich hatte meine Jacke in der Bar vergessen und ich trug nur Shorts.

„Wo wohnst du?", fragte ich Dean. Wir konnten nicht hier auf dem Parkplatz herumstehen und reden. Er runzelte Stirn, zog dann die Augenbrauen hoch, setzte zum Sprechen an, blieb doch stumm und deutete dann kaum merklich auf den Impala. Ich seufzte.

„Toll ... dann gehen wir zu mir."

„Was heißt zu dir?", hakte er verwirrt nach. Er musterte mich, als hätte ich ihm gerade gesagt, ich hätte mir eine Villa mit Pool und Golfplatz gekauft, in die ich ihn jetzt entführen wollte.

„In meine Wohnung. Fahren wir." Ich lief um das Auto herum und zog an der Beifahrertür, die wie immer nicht abgesperrt war.

„Du ... hast ne Wohnung, hm?", hakte er perplex nach, als er sich neben mich setzte und den Motor startete. Ich nickte nur. Konnte er vielleicht aufhören? Es reichte mir schon, dass er hier war, denn das allein zeigte mir, dass meine Vorstellung eines normalen Lebens viel zu verträumt und utopisch gewesen war. Aber wenn er jetzt auch noch anfing, das in Worte zu fassen, würde ich durchdrehen. „Eine richtige Wohnung?"

„Ja!", fuhr ich ihn versehentlich an. Er runzelte deutlich entsetzt die Stirn. „Ich habe eine Wohnung, ein richtiges Bett, das mir gehört, eine Küche mit funktionierendem Backofen, eine Heizung, ein sauberes Badezimmer und einen Fernseher, der in einem richtigen Wohnzimmer steht!" Erst weil er mich so verblüfft anstarrte, merkte ich, dass ich geschrien hatte. Ich schluckte einmal, drehte mich weg und lehnte mich an die Autotür. „Links aus dem Parkplatz raus", murmelte ich noch eine Anweisung, bevor er ohne weiteres Wort losfuhr.

Wir sprachen nicht, was mich nur ganz unerheblich irritierte. Okay, es irritierte mich sehr. Jetzt kamen nämlich die Gedanken, die sich in meinen Kopf schlichen, ihn nicht zur Ruhe kommen ließen, ihn fast schon zum Schmerzen brachten. Wieso lief hier keine Musik? Wann hatte in diesem Auto jemals eine solch erdrückende, laute und völlig verstörende Stille geherrscht?

Sammy war weg? Hatte Dean mir das vorhin gesagt? Er war verschwunden? Sam verschwand doch nicht einfach so, oder doch? Ich war ja auch einfach abgehauen. Das könnte Sam auch gemacht haben, wieso nicht? Weil er Sam war. Er rannte nicht einfach so weg.

„Wo muss ich lang?"

„Was?"

„Rechts oder links?"

Wir standen an einer Ampel, wie ich gerade erst bemerkte. Sie war grün und diese Kreuzung bot nur zwei Wege. Links oder rechts. Wo waren wir überhaupt? War Dean jetzt die ganze Zeit nur geradeaus gefahren? Wahrscheinlich, denn ich hatte ja nichts mehr gesagt. Ups.

Carry OnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt